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Die Welt trifft sich zur UN-Vollversammlung – Taiwan aber muss draußen bleiben

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Ein Mann macht ein Selfie vor einer Werbeskulptur Taiwans für mehr Mitsprache bei der Weltgesundheitsorganisation
Taiwan protestierte schon vor zwei Jahren am Gebäude der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf gegen seinen Ausschluss von der UNO-Arbeit. © Fabrice Coffrini/AFP

China verhindert, dass Taiwan in den Vereinten Nationen mitwirkt. Der Widerstand dagegen wächst – auch im Westen.

Bundeskanzler Olaf Scholz reist an, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ebenso und natürlich auch US-Präsident Joe Biden: Rund 140 Staats- und Regierungschefs werden in New York erwartet, wenn am Dienstag die diesjährige UN-Vollversammlung beginnt. Nicht dabei allerdings ist Tsai Ing-wen, die Präsidentin von Taiwan. Sie ist nicht eingeladen, ja, sie dürfte das UN-Gebäude nicht einmal betreten. Denn Taiwan ist kein Mitglied der Vereinten Nationen. Eine Ungerechtigkeit, finden viele in der demokratisch regierten Inselrepublik, die China als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet.

Immer wieder wirbt Taipeh um eine Teilnahme an der UN-Vollversammlung oder bei den Unterorganisationen der Vereinten Nationen. Es sei eine Frage der Fairness den 23,5 Millionen Bürgern Taiwans gegenüber, „ihnen den ihnen zustehenden Platz in dieser internationalen Organisation einzuräumen, damit alle Länder für das globale Wohl zusammenarbeiten“, hieß es kürzlich in einem Statement der inoffiziellen taiwanischen Botschaft in Spanien. Taiwan sei ein verantwortungsvolles Mitglied der internationalen Gemeinschaft, das sich mit gleichgesinnten Ländern um Frieden und Stabilität in seiner Region bemühe.

Doch die Chancen, dass Taiwan und die UN enger zusammenrücken, sind unvermindert gering. Denn die Volksrepublik China blockiert erfolgreich jede Aufwertung Taiwans. Peking findet immer genug Staaten, die mit China gegen Taipeh abstimmen; Staaten, die China zum Beispiel für Infrastrukturinvestitionen brauchen oder die die westlich dominierte Weltordnung ablehnen. Die Blockade gilt auch für die Weltgesundheitsorganisation WHO und andere UN-Unterorganisationen. Und auch den Beobachterstatus verweigert Peking den Taiwanern. Denn aus Sicht der Volksrepublik ist Taiwan eine abtrünnige Provinz und darf entsprechend nur wie eine Provinzregierung behandelt werden.

UN-Vizegeneralsekretärin kritisiert Ausschluss Taiwans

Überraschenderweise kritisierte die stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina Mohammed am Freitag die Ausgrenzung Taiwans. „Jeder Mensch ist wichtig, ob er oder sie nun aus Taiwan kommt oder nicht. Und ich denke, es ist wirklich wichtig, dass die Mitgliedsstaaten eine Lösung finden“, sagte Mohammed vor Journalisten. Pekings UN-Botschafter Zhang Jun wies diese Worte umgehend zurück: „Die sogenannte Beteiligung Taiwans an der UNO ist ein durch und durch falsches Narrativ“, betonte er. Es gebe „nur ein China auf der Welt, und Taiwan ist ein unveräußerlicher Teil des chinesischen Territoriums“.

Die Lage ist festgefahren. Je mehr China mit immer größeren Militärmanövern Druck auf Taiwan ausübt, desto drängender wird eine Mitarbeit bei den UN aus Sicht der demokratisch regierten Inselrepublik. „Wir alle haben die UN-Charta gelesen. Sie besagt, dass es Aufgabe der UNO ist, Krieg zu verhindern“, sagte Außenminister Joseph Wu vor Kurzem im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Wir sehen aber, wie China Taiwan bedroht – und die UNO handelt nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit dieser Organisation. Sie akzeptieren sogar Chinas Interpretation, dass Taiwan ein Teil von China ist.“

Noch bis 1971 war die Lage genau umgekehrt: Nicht die Volksrepublik China war in den Vereinten Nationen vertreten, sondern die Republik China auf Taiwan. Beide Seiten beanspruchten für sich, ganz China zu repräsentieren. Doch dann kam die Zeitenwende in der China-Politik des Westens. Immer mehr Staaten entschlossen sich, Mao Zedongs kommunistische Volksrepublik diplomatisch anzuerkennen. Taiwan war damals eine Militärdiktatur und nicht die blühende Demokratie, die es heute ist. Durch den Wechsel zu Peking verlor Taiwan 1971 seinen Sitz bei der Vereinten Nationen.

China und Taiwan: Streit um die entscheidende UN-Resolution

Besiegelt wurde dieser Schritt mit der UN-Resolution 2758. Die Vollversammlung der UN, so heißt es in dem Text, „beschließt, all die Rechte der Volksrepublik China instand zu setzen und die Vertreter ihrer Regierung als die einzigen legitimierten Vertreter Chinas in den Vereinten Nationen anzuerkennen“. Gleichzeitig werde man die Vertreter von Taiwans Militärherrscher Chiang Kai-shek „von dem Platz entfernen, den sie zu Unrecht in den Vereinten Nationen und all ihren Organisationen einnehmen“. Peking interpretiert die Resolution heute so, dass nur China das Recht auf einen Sitz in den UN habe; Vertreter der taiwanischen Regierung hingegen weisen darauf hin, dass die Resolution den Status von Taiwan mit keinem Wort erwähnt. „Diese Resolution besagt, dass China durch die Volksrepublik China repräsentiert wird. Und das war’s. Sie besagt nichts über Taiwan“, sagt Außenminister Wu.

„Die Volksrepublik China führt eine Kampagne, um die UN-Resolution 2758 so umzuinterpretieren, dass sie auf dem Ein-China-Prinzip beruht – und verbreitet den Trugschluss, dass die UN-Mitgliedsstaaten durch die Resolution zu dem Schluss gekommen sind, dass Taiwan ein Teil der VR China sei“, stellten Bonnie Glaser und Jessica Drun in einer Studie für den German Marshall Fund of the United States fest.

Taiwan nicht einmal in Weltgesundheitsorganisation dabei

„Im vergangenen September hat China vor den Vereinten Nationen erklärt, dass Taiwan eine innere Angelegenheit von China ist und dass kein anderes Land das Recht hat, sich einzumischen“, sagt Joseph Wu. „Das bedeutet, dass China das Recht hat, Gewalt gegenüber Taiwan anzuwenden. So weit legt China diese Resolution aus.“

Was es bedeutet, wenn Taiwan ausgegrenzt wird, zeigt das Beispiel der Weltgesundheitsorganisation. Seit Jahren sucht Taiwan die Nähe zur WHO, Unterstützung erhält die Regierung in Taipeh dabei von Ländern wie Deutschland oder den USA. Bislang allerdings vergeblich. „Wir haben dasselbe Recht auf eine gute Gesundheit wie alle anderen Menschen auch. Uns auszuschließen, ist einfach nicht richtig“, kritisiert Joseph Wu. Und er erinnert an das Jahr 2003, als Taiwan ebenso wie China von der Sars-Pandemie heimgesucht wurde. „Wir haben die WHO gebeten, uns Experten zu schicken, um uns zu helfen. Erst als gesamte Krankenhäuser völlig überfüllt waren, haben sie uns vier Experten gesendet. Sie bekamen allerdings die strikte Anweisung, keinen Kontakt zu unseren Gesundheitsbehörden zu haben.“

Als die Pandemie zu Ende war, hatte Taiwan eine der höchsten Sars-Sterblichkeiten der Welt zu beklagen – mehr als jeder fünfte Patient war tot.

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