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Janukowitsch verspricht Kabinettsumbildung

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Viktor Janukowitsch © dpa

Kiew - Der ukrainische Präsident Janukowitsch hat eine Kabinettsumbildung und Änderungen an den beschlossenen Gesetzen zur Versammlungsfreiheit angekündigt. Das ist den Demonstranten aber nicht genug.

Nach dem mangelnden Entgegenkommen von Präsident Viktor Janukowitsch steuert die Ukraine immer stärker auf eine Ausweitung des blutigen Konflikts zwischen Regierung und Opposition zu: Demonstranten stürmten am Freitag Regierungsgebäude in sechs westlichen Regionen und besetzten das Landwirtschaftsministerium in Kiew. Auch die Barrikaden in der Hauptstadt wurden verstärkt. Janukowitsch zeigte sich indes nur zu minimalen Zugeständnissen bereit, darunter zu einer Kabinettsumbildung.

Bei einer Sondersitzung des Parlaments am Dienstag sollten zudem die im Eilverfahren erlassenen strikten Beschränkungen der Versammlungsfreiheit geändert werden, sagte Janukowitsch nach einem Treffen mit EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. "Wir werden diese Frage regeln." Damit geht er auch auf Forderungen der Bundesregierung ein. Überdies werde er die Regierung umbilden, sagte Janukowitsch. Die Kernforderungen der Opposition - seinen eigenen Rücktritt und vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen - will er aber nicht erfüllen. Sollte es keine politische Einigung geben, dann werde er "alle legalen Mittel" ausnutzen, drohte er.

Bei einem Treffen mit den Oppositionsführern am Donnerstagabend hatte Janukowitsch eine Freilassung aller Demonstranten versprochen, sonst aber keine Zugeständnisse gemacht. Oppositionspolitiker Vitali Klitschko sagte unter den Pfiffen von tausenden enttäuschten Regierungsgegnern auf dem Unabhängigkeitsplatz, "ein Machtwechsel ohne Blutvergießen ist immer noch möglich". Doch ist den Politikern die Kontrolle über die Protestbewegung längst entglitten.

In der Hauptstadt rückten die Demonstranten ihre Festungen bis auf Sichtweite zum Präsidentenpalast vor. In der Nacht war das Landwirtschaftsministerium in Kiew gestürmt worden. Die Aktivisten der Bewegung Gemeinsame Sache (Spilna Sprawa) hätten das Gebäude auf der Chreschtschatik-Straße rund hundert Meter vom Unabhängigkeitsplatz besetzt, schrieb der Anführer der Bewegung, Olexander Daniljuk, auf seiner Facebook-Seite.

In Lemberg (Lwiw) hielten 200 Demonstranten das Gebäude der Regionalverwaltung besetzt, nachdem sie Gouverneur Oleg Salo gezwungen hatten, seinen Rücktritt zu unterschreiben. In Tscherniwzi an der Grenze zu Rumänien griffen Regierungsgegner den Sitz von Gouverneur und Parlament an und lieferten sich stundenlange Handgemenge, der Präsident des Regionalparlaments wurde am Kopf verletzt, schließlich überließen Sicherheitskräfte und Politiker das Gebäude den Angreifern. Auch in Luzk, Riwne, Ternopil und Chmelnizki wurden Verwaltungsgebäude besetzt.

In Lemberg erklärte der regionale Verband der Partei der Regionen von Präsident Janukowitsch, er werde die Partei verlassen, weil die Machthaber in Kiew für den Tod friedlicher Demonstranten verantwortlich sei. Der Regionalverband verbündete sich mit der Opposition und forderte vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.

International wuchs daher die Befürchtung, die Konfrontation in der Ukraine könne in ein großes Blutvergießen münden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bestellte den ukrainischen Botschafter ins Auswärtige Amt. Steinmeier wolle dem Botschafter klarmachen, dass es "keine Gewaltanwendung" geben dürfe und dass die im Schnellverfahren beschlossenen Gesetzesänderungen zur Versammlungsfreiheit überprüft werden müssten, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Bundesregierung verurteile die "empörende Gewalt" in Kiew, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert.

Bilder: Gewalt eskaliert in Kiew

Die Auseinandersetzungen in Kiew sind seit vergangenem Wochenende eskaliert: Bei den bisher heftigsten Zusammenstößen waren nach Angaben der Opposition fünf Tote und 1700 Verletzte zu beklagen. Ein weithin bekannter Aktivist der Opposition, der 35-jährige Dmitro Bulatow, wurde von seiner Frau am Donnerstag als vermisst gemeldet. Vor seinem mysteriösen Verschwinden hatte Bulatow gesagt, er sei in der Sowjetunion groß geworden - "und ich möchte nicht, dass meine Kinder so leben".

Klitschko wirft Janukowitsch "Hinhaltetaktik"

Klitschko hat Janukowitsch eine mangelnde Verhandlungsbereitschaft vorgeworfen und vor einer weiteren Eskalation der Proteste gewarnt. "Ich habe Angst vor dem, was uns in den nächsten Stunden und Tagen in der Ukraine bevorsteht", sagte Klitschko der Bild  (Samstagsausgabe). "Janukowitsch hat mit seiner Hinhaltetaktik und Pseudo-Verhandlungen diejenigen gestärkt, die auf den Straßen mit Gewalt reagieren wollen. Ein erneutes Blutvergießen wäre deshalb allein seine Schuld."

Die vom Präsidenten angekündigte Kabinettsumbildung reiche nicht aus, betonte der Boxweltmeister. "Uns Demonstranten geht es vor allem um ihn und seinen Rücktritt." Klitschko befürwortete eine von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) angeregte internationale Konferenz für die Ukraine. Ein Ausweg aus der Krise sei ohne internationale Vermittlung nicht möglich.

afp

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