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Gewinner, Verlierer und andere politische Schicksale des Jahres 2017

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Gewinner und Verlierer hat es in der deutschen Politik in den vergangenen zwölf Monaten zuhauf gegeben - kein Wunder in einem Wahljahr wie diesem. Ein Überblick.

Martin Schulz - Aufstieg und Fall eines Sozialdemokraten

Für Martin Schulz glich das Jahr 2017 einer Achterbahnfahrt. Im März mit sagenhaften 100 Prozent zum SPD-Chef gewählt, ging es in Umfragen zunächst steil bergauf bis auf Augenhöhe mit der Kanzlerin. Doch dann verloren die Genossen drei Landtagswahlen in Folge, bei der Bundestagswahl ging die SPD mit dem Kanzlerkandidaten Schulz mit dem historisch schlechtesten Nachkriegsergebnis in die Knie. Der Verlierer kündigte umgehend den Gang in die Opposition an. Die klare Ansage brachte die Partei nach dem Jamaika-Aus in ein Dilemma. Nun rang sich der SPD-Parteitag zu ergebnisoffenen Gesprächen mit der Union durch. Mit den 81,9 Prozent bei der Wiederwahl zum Parteichef wird Schulz gut leben können.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz (SPD).
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz (SPD). © dpa

Frank-Walter Steinmeier - Vom Beamten zum Staatsoberhaupt

Er diente Gerhard Schröder in der Staatskanzlei in Niedersachsen und im Kanzleramt in Berlin sowie Kanzlerin Angela Merkel viele Jahre lang als Außenminister. Das Kanzleramt blieb ihm 2009 nach einer krachenden Wahlniederlage der SPD verwehrt. Doch 2017 ist Steinmeier ganz oben angekommen. Der Ostwestfale wurde zum Bundespräsidenten gewählt. Das Amt passt vielleicht am besten zu dem besonnen auftretenden Politiker. In den ersten Monaten hörte man wenig von Steinmeier. Doch plötzlich richteten sich alle Blicke auf ihn. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen kam ihm eine entscheidende Rolle zu. Er lenkte Union und SPD in Gespräche, um eine Regierungskrise und Neuwahlen abzuwenden.

Sigmar Gabriel - Vom Chef der Sozialdemokraten zum Chefdiplomaten

Rom, Minsk, Antalya, Bangladesch, Myanmar - Sigmar Gabriel reist weiter durch die Welt, als hätte es keine Wahl gegeben. Nachdem der Goslarer zu Jahresbeginn den SPD-Vorsitz abgegeben und vom Wirtschafts- ins Außenministerium gewechselt war, wirkte er wie befreit. Das neue Amt scheint ihm Spaß zu machen und er würde es wohl gern weiterführen. Insofern kommt ihm gelegen, dass das Jamaika-Bündnis gescheitert ist und eine Neuauflage der großen Koalition wieder ins Blickfeld gerät. Mit Kanzlerin Angela Merkel kann Gabriel gut, acht Jahre lang diente er in drei Ministerien. Was dem 58-Jährigen ebenfalls gefallen dürfte: In Umfragen sind seine Beliebtheitswerte wieder gestiegen.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD).
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). © dpa

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Wolfgang Schäuble - Der Kassenwart wird die Nummer 2 im Staat

Zum Staatsoberhaupt hat es nie gereicht, für die Nummer zwei im Staat aber schon. Im Spätherbst seiner bemerkenswerten Karriere wurde Wolfgang Schäuble zum Bundestagspräsidenten gewählt und steht nun protokollarisch über der Kanzlerin. Seit 1972 gehört der heute 75-Jährige dem Parlament an, so lange wie kein anderer. Sein Vermächtnis, den ausgeglichenen Bundeshaushalt, überlässt Schäuble jetzt anderen. Nun muss er den größten Bundestag der Geschichte dirigieren und darauf achten, dass die sechs Fraktionen sich an die demokratischen Spielregeln halten. Insbesondere die Neuen von der AfD wird Schäuble dabei genau im Blick behalten. Das auf 709 Abgeordnete aufgeblähte Parlament will er verkleinern. An der Reform des Wahlrechts scheiterte allerdings schon Vorgänger Norbert Lammert.

Wolfgang Schäuble (CDU).
Wolfgang Schäuble (CDU). © dpa

Frauke Petry - Bei der AfD gescheitert, „Blaue“ Zukunft erhofft

Die Politikerin aus Sachsen hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Im Sommer stellte sich zunächst privates Glück ein, Petry brachte ihr fünftes Kind zur Welt. Der Vater ist Marcus Pretzell, den sie im Dezember 2016 geheiratet hatte. Politisch geriet die 42-Jährige in der AfD immer mehr in die Isolation. Kaum in den Bundestag gewählt, verließ sie zunächst die Fraktion und später die Partei. Im Parlament sitzt sie nun als fraktionslose Abgeordnete, Neuwahlen würden sie wohl aus Bundestag katapultieren. Mit der „Blauen Partei“ verfolgt sie ein neues politisches Projekt einer Art bundesweiter CSU.

Frauke Petry verließ 2017 die AfD.
Frauke Petry verließ 2017 die AfD. © dpa

Christian Lindner - Der FDP-Retter, der sich nicht traute

Eine Herkulesaufgabe hat Christian Lindner gemeistert. Er hat die FDP nach vier Jahren in der außerparlamentarischen Versenkung wieder in den Bundestag geführt mit guten 10,7 Prozent. In Nordrhein-Westfalen, wo Lindner ebenfalls bis vor wenigen Tagen Parteichef war, reichte es sogar zum Bündnis mit der CDU. In Berlin steht der 38-Jährige hingegen am Jahresende für manche als Buhmann da. Die Sondierungen über ein neuartiges Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen ließ Lindners Truppe am Ende platzen. Die Liberalen fühlten sich untergebuttert, es habe an Vertrauen gefehlt, befand Lindner. Bei den Wählern kam der Schritt nicht so gut an, in Umfragen ging es bergab für die Liberalen.

FDP-Chef Christian Lindner.
FDP-Chef Christian Lindner. © dpa

Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir - Die verhinderten Minister

Für das Spitzenduo der Grünen bei der Bundestagswahl hätte ein Traum wahr werden können. In einem Jamaika-Bündnis wären die Thüringer Theologin Katrin Göring-Eckardt und der „anatolische Schwabe“ Cem Özdemir (beide 51) womöglich Minister geworden. Dafür sind sie den anderen weit entgegengekommen. Nun sitzen sie in der kleinsten von sechs Fraktionen als Fraktionschefin und einfacher Abgeordneter. Es bleibt wohl der Oppositionsstatus und ein verbessertes Verhältnis zur Union für vielleicht spätere Zeiten. Özdemir will beim Parteitag Ende Januar zudem nach neun Jahren den Parteivorsitz abgeben.

Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt.
Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt. © AFP

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Armin Laschet - unerwartet an die Macht in NRW

Armin Laschet zeigte es allen. Kaum jemand glaubte, dass der CDU-Politiker bei der NRW-Landtagswahl im Mai das Rennen gegen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) machen würde. Auch der 56-Jährige wirkte erst etwas überrascht. Der Aachener einigte sich mit der FDP binnen nicht einmal vier Wochen auf eine Koalition. Seit Sommer arbeitet Schwarz-Gelb reibungslos unter Steuermann Laschet zusammen. Auf „Nordrhein-Westfalen first“ lässt sich die Devise des CDU-Bundesvize zusammenfassen. Die Mission des Fußballfans für NRW: Bei Bildung, Sicherheit und Wirtschaft nach vorne stürmen. Der elfte NRW-Ministerpräsident stammt aus einer Bergmannsfamilie, hat drei erwachsene Kinder und ist Teamplayer.

Armin Laschet und Hannelore Kraft.
Armin Laschet und Hannelore Kraft. © dpa

Hannelore Kraft - tiefer Sturz nach sieben Jahren

Für Hannelore Kraft war der 14. Mai der schwärzeste Tag ihrer Politkarriere. Ihre SPD stürzte bei der NRW-Landtagswahl auf einen historischen Niedrigwert. Die Ministerpräsidentin und „Herzdame des SPD“ war nach sieben Jahren an der Macht in dem Bundesland raus - unterlag ausgerechnet dem als ungefährlich geltenden CDU-Mann Armin Laschet. Für die Sozialdemokraten war es ein herber Schlag in mehrfacher Hinsicht. Denn ihre langjährige Leitfigur warf noch am Wahlabend auch als SPD-Landesvorsitzende und Bundesvize die Brocken hin. Seitdem ist die 56-jährige Mülheimerin kaum noch präsent in der Öffentlichkeit. Was macht die Landesmutter a.D. aktuell? Sie ist einfache Landtagsabgeordnete, arbeitet im Sportausschuss mit.

Torsten Albig - der Sündenbock von der Förde

So kann man sich irren: Bis kurz vor der Landtagswahl am 7. Mai in Schleswig-Holstein fühlte sich Torsten Albig als sicherer Sieger. Die Zeichen standen auf Neuauflage der Koalition aus SPD, Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband) - doch zwei Wochen vor der Wahl war die Stimmung gekippt. Die SPD hatte im Wahlkampf nur die Botschaft „Weiter so“. Albig verlor das TV-Duell gegen Herausforderer Daniel Günther, SPD-Chef Martin Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel gingen auf Distanz zum Abschiebestopp der Albig-Regierung für Flüchtlinge aus Afghanistan. Ein verunglücktes Interview über das Scheitern seiner Ehe kam dazu. Als die Wahl verloren ging, war Albig für die SPD der Sündenbock und seine politische Karriere vorbei.

Torsten Albig (SPD, l.) und Daniel Günther (CDU).
Torsten Albig (SPD, l.) und Daniel Günther (CDU). © dpa

Daniel Günther - der unterschätzte Überflieger

Bis zur Wahl kannte außerhalb des Landes kaum jemand den Politiker aus Eckernförde. Erst im November 2016 wurde Günther CDU-Landeschef und dann auch Spitzenkandidat. Im Wahlkampf setzte der Katholik auf wenige konkrete Themen. Die SPD unterschätzte ihn und bekam die Kurve nicht mehr. Nach dem Wahlsieg bastelte Günther eine Koalition mit FDP und Grünen zusammen. Er meisterte dabei eine Krise, die Grünen lobten ihn danach fast überschwänglich. Der überraschende Erfolg in Kiel blieb in Berlin nicht unbemerkt. Bei den Jamaika-Sondierungen in der Hauptstadt war der Jamaika-Ministerpräsident aus dem Norden für viele Medien ein begehrter Gesprächspartner.

Elke Twesten - prominent für ein paar Wochen

Elke Twesten? Nie gehört! Das dürften sich auch viele Niedersachsen gedacht haben, als die Politikerin Anfang August für kurze Zeit und republikweit Shooting-Star in allen Nachrichtensendungen wurde. Die bis dahin eher unauffällige Abgeordnete aus der zweiten Reihe saß für die Grünen im Landtag. Sie wollte aber nicht mehr grün sein, sondern schwarz werden. Mit ihrem Übertritt zur CDU kippte die 54-Jährige die rot-grüne Mehrheit im Landtag von Hannover. Die für den Januar 2018 angesetzte Landtagswahl wurde auf den 15. Oktober vorgezogen. Sich selbst katapultierte die dreifache Mutter erst einmal ins politische Aus, ihre alte Partei, die Grünen, auf die Oppositionsbank.

Elke Twesten wechselte von den Grünen zur CDU.
Elke Twesten wechselte von den Grünen zur CDU. © dpa

Stephan Weil - Lichtblick im trüben SPD-Jahr

Geht doch! Ausgerechnet der eher spröde und nüchterne Niedersachse Stephan Weil verhalf der SPD zum Ende des Wahljahres noch zu einem unerwarteten Triumph. Eigentlich sollte ja erst Anfang 2018 gewählt werden. Und monatelang lag die SPD des Ministerpräsidenten in den Umfragen zum Teil deutlich hinter der CDU. Doch dann legten die Genossen unter Führung des 58-Jährigen eine fulminante Aufholjagd hin. Und standen am Abend des 15. Oktober als die großen Sieger da. Nun gilt der studierte Jurist und ehemalige Oberbürgermeister von Hannover auch auf der Berliner Bühne als Aufsteiger - zumal er nach der Wahl auch noch in Windeseile eine große Koalition mit dem alten Rivalen CDU zimmerte. Ein Vorbild für den Bund?

Stephan Weil (SPD).
Stephan Weil (SPD). © dpa

Horst Seehofer - Überlebenskünstler mit sieben Leben

An Horst Seehofer scheiden sich die Geister. Als Parteichef musste er 2017 die heftigste Wahlpleite der CSU verantworten. Schlappe 38,8 Prozent entsprechen weder dem Selbstbild der Partei noch den Ansprüchen des 68-Jährigen. Wer jedoch glaubt, das Ergebnis sei der Schlusspunkt unter Seehofers Karriere, der irrt. Dem erfahrenen Strategen gelingt es immer wieder, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen - immer getreu dem bayerischen Motto: Seehofer ist „a Hund“ mit den sieben Leben einer Katze. Da kommen auch nächtelange Sondierungen in Berlin nicht ungelegen, um den eigenen Machtanspruch weiter zu betonen. Seehofer selbst lässt die Zukunftsdebatte mitsamt Rücktrittforderungen äußerlich an sich abperlen.

Horst Seehofer und Markus Söder.
Horst Seehofer und Markus Söder. © dpa

Markus Söder - am Ende der einzige CSU-Gewinner des Jahres?

Echte Gewinner in der CSU muss man nach dem Jahr 2017 mit der Lupe suchen. Doch am Ende könnte die Bezeichnung ausgerechnet auf den Dauerthronfolger Markus Söder zutreffen - trotz der krachenden CSU-Pleite bei der Bundestagswahl mit 38,8 Prozent, trotz der überraschenden Ankündigung seines Intimfeindes Horst Seehofer im April, sein geplantes Karriereende noch mal zu verschieben. Dass sich sein langgehegter Lebenstraum - Ministerpräsident und CSU-Chef - doch noch erfüllen könnte, liegt aber nicht nur an seinem Ehrgeiz, auch in der Parteibasis trauen dem 50-jährigen Franken für die 2018 anstehende Landtagswahl eine Trendwende zu. In welchem Amt, muss sich erst noch zeigen.

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Marcus Pretzell - lautstark und bedeutungslos

Der auch in den eigenen Reihen stets umstrittene Politiker Marcus Pretzell startete für die AfD mit vollmundigen Ankündigungen - und landete als Fraktionsloser ohne Einfluss. Der 44-Jährige brachte als Spitzenkandidat erstmals die rechtspopulistische Partei erstmals in den NRW-Landtag. Kurz darauf wurde er Fraktionschef. Nennenswerte Duftmarken setzte er aber nicht. Die meisten Schlagzeilen produzierte Pretzell, als er die AfD-Fraktion plötzlich verließ. Und kurz darauf auch der Partei den Rücken kehrte. Nun setzt er mit seiner Frau Frauke Petry auf das Projekt „Die Blaue Partei“. In Düsseldorf bleibt der Jurist fraktionslos tätig. Sein Doppelmandat - er ist auch Mitglied des Europaparlaments - sehen viele kritisch.

Marcus Pretzell.
Marcus Pretzell. © dpa

Manuela Schwesig - nach Hause zurückgekehrt

Als Bundesfamilienministerin pendelte die zweifache Mutter zwischen ihrer Heimatstadt Schwerin und Berlin. Im Sommer vorigen Jahres erkrankte dann Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) schwer und er wünschte sich Schwesig als seine Nachfolgerin. Sie wollte eigentlich in der Bundespolitik bleiben, strebte ein Bundestagsmandat an, und musste anfangs ein paar Tränen der Enttäuschung wegwischen. Den neuen Job in Schwerin packte Schwesig schließlich mit Entschlossenheit an. Das erste Zeugnis fiel allerdings nicht ganz wunschgemäß aus. In einer Meinungsumfrage ging die Zustimmung zur Arbeit der Landesregierung im Vergleich zur letzten Umfrage vor zwei Jahren zurück. Bewerteten damals noch 70 Prozent das Schweriner Regierungshandeln positiv, sind es jetzt nur noch 63 Prozent.

Manuela Schwesig (SPD).
Manuela Schwesig (SPD). © dpa

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dpa

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