Grünen-Abgeordneter Janecek: „München braucht eine City-Maut“

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl kommen Die Grünen laut den jüngsten Umfragen nicht so recht vom Fleck, dabei müsste die Diesel-Debatte der Partei eigentlich in die Karten spielen. Im Interview nimmt Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek dazu Stellung.
München - Der Grünen-Abgeordnete Dieter Janecek kämpft zwar um ein Bundestagsmandat in München, Wahlkampf macht er aber in ganz Bayern. Gestern warb er in der Fußgängerzone von Murnau für eine Verkehrswende. Im Gepäck hatte er ungewöhnliche Ideen, die nicht allen schmecken. Wir befragten ihn dazu.
Eigentlich müssten die Grünen von der Debatte um Diesel profitieren. In den Umfragen kommen sie aber nicht voran. Offenbar ist es wenig erfolgreich, Fahrverbote zu fordern.
Die Fahrverbote werden von den Gerichten angeordnet – und sind die Folge eines jahrelangen Versagens der Politik. Wir bräuchten längst eine Verkehrswende in den Städten. Ich habe schon 2008 als Anwohner der Landshuter Allee vor Gericht das Recht auf saubere Luft erstritten. Seitdem ist so gut wie nichts passiert. Darunter leiden nun alle: Anwohner und Autofahrer.
Sind Fahrverbote aus grüner Sicht eine gute Sache?
Die Wahrheit ist, dass Fahrverbote als Folge des Jahrzehnte bestehenden Abgaskartells aus Industrie und Politik unvermeidlich kommen werden, wenn wir nicht unverzüglich handeln. Kurzfristig kann es eine Lösung sein, dass Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß einen höheren Preis dafür bezahlen, in die Stadt zu fahren.
Wie das?
Entweder über eine City-Maut oder eine neue Form für Parkraumbewirtschaftung.
Ist eine City-Maut in München realistisch?
Natürlich. Wenn die Stadt das möchte und der Bund es zulässt. Man könnte die Preise für Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß bei der Einfahrt in die Stadt höher ansetzen, Elektroautos wären dagegen kostenlos. Das hätte eine lenkende Wirkung, ohne dass man komplette Verbote auszusprechen muss. In Stockholm ist die City-Maut 2006 eingeführt worden, seitdem ist die Zahl der Asthma-Fälle bei Kindern um 45 Prozent gesunken.
Und der zweite Vorschlag – das Parkraummanagement?
In München sind die Parkgebühren seit 20 Jahren konstant, während die MVV-Preise im selben Zeitraum um 40 Prozent anstiegen. Das ist natürlich unbefriedigend. Alternativ zur City-Maut könnte man also die Parkgebühren für Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß anheben, während emissionsfreie Fahrzeuge kostenlos parken.
Da braucht dann jede Politesse erst einmal eine Zusatzausbildung.
Nein, man muss nur eine entsprechende Kennzeichnung vornehmen und die Automaten umrüsten. In den Niederlanden wird das bereits gemacht. Dort funktioniert das – auch wenn ich persönlich glaube, dass eine City-Maut praktikabler wäre. Klar ist nur: Wenn wir Fahrverbote vermeiden wollen, müssen wir komplett umdenken.
Das heißt?
Die Stadt hat beschlossen, die Anliegen des Bürgerbegehrens „Sauba sog i“ zu übernehmen. Darin steht das Ziel, den Anteil des Radverkehrs drastisch auszuweiten. Da hat man die Bürger allerdings hinter die Fichte geführt, passiert ist jedenfalls bislang noch überhaupt nichts. Dabei wäre so viel möglich: Ich war neulich in Kopenhagen, da fahren sogar 35 Prozent der Pendler mit Fahrrad oder E-Bike, weil sie den Platz dazu haben. Aber bislang wird in München nur den Autos Platz gegeben.
Sie haben ja auch überlegt, ein separates Rad-Bürgerbegehren zu starten. Wie ist der Stand?
Das Bündnis ist gegründet, die Ziele werden erarbeitet. Leider dauert es doch etwas länger, als ich es mir gewünscht habe, weil wir das möglichst ordentlich machen wollen. Wir brauchen kreative Ideen.
Verraten Sie uns eine?
Stichwort Car Sharing: In Berlin-Charlottenburg bekommt jeder Bürger, der nachweisen kann, dass er sein Auto abgegeben hat, einen Car-Sharing-Parkplatz kostenfrei vor die Haustür. Statistiken belegen, dass Autos in der Stadt mehr als 23 Stunden am Tag herumstehen. Da muss es doch möglich sein, die Zahl der Autos zu reduzieren.
Fußt die Debatte eigentlich auf den richtigen Prioritäten? Es entsteht gerade eine Debatte, ob die Grenzwerte richtig gewählt sind.
Das stinkt mir gewaltig. Es gibt mehr als 1500 Fachartikel, die sich mit diesem Thema befasst haben. Daraus ist zu entnehmen, dass die Grenzwerte eher schärfer sein müssten.
Skeptiker kritisieren, dass im Büro höhere Grenzwerte gelten als auf der Straße.
Das ist eine Desinformation, die FDP-Chef Christian Lindner fast schon im AfD-Stil verbreitet. Fakt ist: In Büros gelten dieselben Werte wie im Außenbereich. Ausnahmen gibt es nur in manchen Arbeitsbereichen in der Industrie, zum Beispiel beim Stahlkocher, der zeitlich begrenzt mit anderen toxischen Werten arbeiten darf.
Wie stehen Sie zu einer autofreien Innenstadt innerhalb des Altstadtrings?
Das fordern wir seit Langem. Ursprünglich aus Umweltgründen, aber inzwischen kommen auch Sicherheitsaspekte hinzu. Leider hat die Zahl der Anschläge mit Fahrzeugen deutlich zugenommen. In München könnte man das Risiko minimieren, indem man die Altstadt den Fußgängern überlässt.
Interview: Mike Schier