Grünen-Abgeordneter: Türkei will Yücel als „Pfand“

Berlin - Der Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu sieht einen Plan hinter der Inhaftierung Deniz Yücels in der Türkei: Erdogan könne den deutschen Journalisten als „Pfand“ gebrauchen.
Seit mittlerweile gut zwei Wochen sitzt der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel in der Türkei in Haft - „Propaganda“ für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Gülen-Bewegung sowie „Aufwiegelung der Bevölkerung“ wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. In Deutschland sorgt der Fall für einige Aufregung - bis hinauf zur Bundesregierung.
Der in der Türkei geborene Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu (Grüne) glaubt allerdings nicht, dass „diplomatische Mittel“ im Fall Deniz Yücels helfen werden: „Ich habe eher das Gefühl, dass Deniz für irgendeinen Deal mit Berlin benutzt wird“, sagte Mutlu in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit der Wochenzeitung Der Freitag.
Ankaras Forderungen nicht erfüllt?
„Anscheinend hat Frau Merkel bislang die Forderung aus Ankara nicht akzeptiert, sodass es zu einer Verurteilung durch einen Bereitschaftsrichter gekommen ist“, sagte Mutlu weiter. Yücel war am Montag erst nach 13 Tagen in Polizeigewahrsam in Untersuchungshaft geschickt worden. Vermutlich habe die Türkei in dieser Zeit auf eine Reaktion aus Deutschland gewartet, mutmaßt der Politiker.
Worum es bei einem solchen „Deal“ gehen könnte, wisse er gleichwohl nicht, räumte der Politiker ein: „Da müssen Sie schon das Kanzleramt fragen.“ Denkbar sei aber, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan den Journalisten Yücel bis zu einem möglichen - aber umstrittenen - Wahlkampfauftritt in Deutschland als „Pfand“ benutze.
Die Sichtweise, dass Erdogan mit dem EU-Türkei-Abkommen ohnehin über ein Druckmittel verfüge, wies Mutlu zurück: Die meisten syrischen Flüchtlinge hätten sich mittlerweile in türkischen Großstädten niedergelassen und Arbeit gefunden. „Viele werden sich diesen schweren Marsch nach Europa nicht antun. Dieses Drohpotenzial gibt es also nicht mehr.“
„Wenn ihr kritisch seid, geht es euch genauso“
Deniz Yücel ist seit 2015 für die Zeitung Die Welt als Türkei-Korrespondent beschäftigt. Mit der Verhaftung des deutschen Journalisten wolle die Regierung Erdogan wohl auch ein „Exempel statuieren“, meint Mutlu in dem Gespräch mit dem Freitag. „Ich glaube, man möchte auch mit dem Zaunpfahl winken und sagen: ‚Passt bloß auf, wenn ihr zu kritisch seid, geht’s euch genauso.‘“ Nach Angaben Mutlus sitzen in der Türkei derzeit 155 Journalisten in Haft.
Özcan Mutlu war im Februar in die Türkei gereist und hatte vergeblich versucht, eine Genehmigung der Behörden für einen Besuch bei Yücel im Gefängnis zu erhalten. Am Dienstag organisierte der Abgeordnete einen Autokorso unter dem Motto „Free Deniz“ in Berlin. Yücel selbst hat sich gerade erst mit einem Brief aus der Haft zu Wort gemeldet.
fn