Gurlitt: Bern erbt, Deutschland zahlt

Berlin - Endlich die Einigung – und andererseits: Der Stein kommt gerade erst ins Rollen. Am Montag wurde auf einer Pressekonferenz in Berlin unter den Augen der Welt eine Einigung im Fall Cornelius Gurlitt erzielt.
In Kurzform: Das Kunstmuseum Bern erbt den Bilderschatz des Schwabinger Kunsthorters, aber Deutschland zahlt für alle Werke, die sich bei den Ermittlungen als Nazi-Beutekunst herausstellen.
Die Beteiligten
Unterzeichnet haben der Stiftungsrat des Kunstmuseums Bern, die deutsche Bundesregierung und der Freistaat Bayern.
Das Abkommen
Das Kunstmuseum Bern nimmt das Erbe des im Mai 2014 verstorbenen Cornelius Gurlitt an. Allerdings: Die rund 500 Werke, die unter Nazi-Beutekunstverdacht stehen, bleiben bis auf Weiteres in Deutschland.
Taskforce macht weiter
Jene Verdachtsbilder werden weiterhin von der Taskforce Schwabinger Kunstfund auf ihre Provenienz hin erforscht. Zu jedem Werk soll im Laufe des kommenden Jahres ein Bericht vorgelegt werden.
Schweizer Mithilfe
Auch die Schweiz will sich mit einer Expertengruppe an der Erforschung beteiligen.
Deutschland zahlt
Die BRD hat zugesagt, die Kosten für die Rückgabe und mögliche Streitfälle über NS-Beutekunst zu übernehmen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) betonte gestern: „Unserer besonderen deutschen Verantwortung gegenüber den Opfern der NS-Diktatur wollen wir mit der Vereinbarung nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch gerecht werden. Deshalb werden alle im Nachlass enthaltenen Werke, die sich als NS-Raubkunst erweisen, ohne Wenn und Aber an die Beteiligten zurückgegeben.“
Schwere Entscheidung
„Die Entscheidung ist dem Stiftungsrat nicht leicht gefallen, und Triumphgefühle löste sie schon gar nicht aus“, so Stiftungsratspräsident Christoph Schäublin.
Die Reaktionen
Die Entscheidung löste breite Zustimmung aus.
Gurlitt-Ausstellung
Die Schweizer Seite ist bereit, Leihanfragen von deutschen Museen, denen die Werke einst gehörten, mit Vorrang zu behandeln. M.B.
„Dieser Fall ist nicht der letzte“
Die Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg erhalten ihr Gemälde von Matisse (Sitzende Frau) zurück. Deren Sprecher Christopher Marinello prophezeit, dass es noch mehr dieser Fälle geben wird. „Wir begrüßen, dass die Kunstwerke unter Raubkunstverdacht zunächst in Deutschland bleiben“, sagt Marinello. Über das Prozedere der Aufarbeitung möglicher Beutekunstbilder formuliert er elegant, dass die Taskforce „zu den besten in ihrem Bereich“ gehöre. „Aber ich denke, für das nächste Mal ist noch Luft nach oben, und glauben Sie mir: Der Fall Gurlitt ist nicht der letzte seiner Art. Es gibt noch so viele Sammlungen mit Nazi-Raubkunst da draußen – sowohl privat als auch öffentlich.“ Marinello betont, dass „wir mehr Provenienzforschung brauchen“.