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Guttenberg setzt "Gorch Fock"-Kommandeur ab

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Karl-Theodor zu Guttenberg
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat den Kommandeur der Gorch Fock abgesetzt. © dpa

Berlin - Als Konsequenz aus den Vorfällen an Bord der “Gorch Fock“ hat Verteidigungsminister Guttenberg Kapitän Schatz des Kommandos enthoben. Die Zukunft des Schulschiffs ist fraglich.

Der Unfalltod auf der “Gorch Fock“ und Berichte über eine angebliche Meuterei haben Konsequenzen: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat Kapitän Norbert Schatz als Kommandant des Segelschulschiffs abgesetzt. Die Mutter der toten Offiziersanwärterin erstattete Strafanzeige gegen die Bundesrepublik wegen fahrlässiger Tötung. Guttenberg ordnete außerdem die sofortige Rückkehr der “Gorch Fock“ nach Kiel an, die Zukunft des legendären Schiffs steht infrage. Der Minister war durch diesen und einen anderen Bundeswehr-Vorfall mit tödlichem Ausgang in Afghanistan unter Druck geraten.

“Ich habe den Inspekteur der Marine angewiesen, den Kommandanten des Schiffes von der Führung des Schiffes zu entbinden“, sagte Guttenberg der “Bild am Sonntag“. Nach Rückkehr in den Heimathafen Kiel solle das Schiff bis auf weiteres nicht mehr auslaufen. Dies gelte, bis eine Kommission auch unter Mitwirkung des Bundestags beurteilt habe, “inwieweit die “Gorch Fock“ als Ausbildungsschiff und Botschafterin Deutschlands auf den Weltmeeren Zukunft hat“.

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Seine Entscheidung begründete Guttenberg am Samstag in Koblenz mit den Worten: “Nach einer derartigen Häufung von faktisch erschütternden Berichten kann niemand zur Tagesordnung übergehen (...) Dort, wo Konsequenzen gezogen wurden, mussten sie gezogen werden.“

Seit Tagen ist die “Gorch Fock“ in den Schlagzeilen: Mitglieder der Stammbesatzung sollen Kadetten drangsaliert haben. Auch zu sexuellen Übergriffen soll es gekommen sein. Im November war die 25-jährige Offiziersanwärterin aus der Takelage 27 Meter tief in den Tod gestürzt. Anschließend soll vier Auszubildenden laut einem Bericht des Wehrbeauftragten Meuterei vorgeworfen worden sein.

Nach ARD-Informationen wurde Kapitän Schatz telefonisch über seine Abberufung informiert. Die “Gorch Fock“ liegt derzeit im Hafen von Ushuaia auf Feuerland. Voraussichtlich am 4. Februar solle sie auf direktem Weg nach Kiel zurückkehren. Das Kommando solle dann der Schatz' Vorgänger Michael Brühn haben. Brühn sei auch Mitglied der Untersuchungskommission, die am Donnerstag in Ushuaia erwartet werde.

Minister Guttenberg besucht die Truppe

Die Mutter der Toten erhebt Vorwürfe gegen die Ausbilder: “Wie konnten die Vorgesetzten Sarah so hoch in die Wanten schicken, obwohl sie noch gar nicht richtig angekommen war?“, fragt Annika Seele im “Spiegel“. Am 5. November sei ihre Tochter nach rund 20-stündiger Reise in Brasilien eingetroffen, erst früh am nächsten Morgen habe sie schlafen können. Schon am Morgen des 7. November habe der Drill begonnen. Nach dem Unfall habe es sieben Stunden gedauert, bis die Familie informiert worden sei. Auch der Bundeswehrführung macht Seele Vorwürfe: “Keiner erklärt mir, was genau passiert ist, als meine Tochter starb“, sagte sie dem “Focus“. Sie vermute Vertuschung.

Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, kritisierte Guttenbergs Krisenmanagement: “Morgens erklärt uns zu Guttenberg, er verbitte sich jede Vorverurteilung auf Grundlage von Medienberichten und abends entlässt er den Kommandanten des Schiffes wegen dieser Medienberichte. Das ist nur noch beliebig und kein Führungsstil.“

Nach ZDF-Informationen haben die Ermittlungen bisher keine Hinweise auf Fehlverhalten im Fall der Kadettin ergeben. Der Kieler Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt sagte dem ZDF-Hauptstadtstudio, die junge Frau habe nach bisherigem Stand der Ermittlungen keinen Druck benötigt, um in die Takelage zu klettern. Laut “Focus“ steht das Verfahren kurz vor der Einstellung: “Einzelne Lehrgangsmitglieder mögen so etwas wie Druck empfunden haben“, wurde Winterfeldt zitiert. Dies jedoch sei “strafrechtlich nicht relevant“.

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Bei Untersuchungen zum Tod eines Soldaten durch den versehentlichen Schuss eines Kameraden in Nordafghanistan haben die Ermittler laut “Spiegel“ massives Fehlverhalten des Schützen beim Umgang mit seiner Dienstpistole festgestellt. In dem Feldjäger- Bericht zu dem Vorfall am 17. Dezember auf einem Außenposten der Bundeswehr kommen die Ermittler demnach zu dem Schluss, dass sich eine Patrone im Lauf der Dienstpistole befand, während der Hauptgefreite davon ausging, die Waffe sei vollständig entladen.

Das Verteidigungsministerium hatte am Freitag eingeräumt, Minister zu Guttenberg erst am Vortag den Feldjäger-Bericht zu dem Unfall vorgelegt zu haben - also mit fast vierwöchiger Verzögerung.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte zu Guttenberg auf, etwaige Konsequenzen aus den Bundeswehr-Affären auch persönlich zu tragen. “Ich erwarte, dass der Minister jetzt nicht wieder Sündenböcke sucht“, sagte er dem “Spiegel“.

Wehrbeauftragter begrüßt Kommandanten-Absetzung

Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat die Absetzung des “Gorch Fock“-Kommandanten begrüßt. Die Maßnahme von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor halte er “schon allein aus Fürsorgegründen für eine richtige Entscheidung“, sagte der FDP-Politiker am Samstag im Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz. Der Minister habe den Kapitän “jetzt erst mal von den ja doch für ihn schwer zu tragenden Lasten des Kommandos entbunden“. Schatz könne sich nun viel einfacher “auf seine eigene Stellungnahme zum Geschehen konzentrieren“.

Da Schatz nun nicht mehr “mit der notwendigen Unbefangenheit mit der verbliebenen Mannschaft umgehen“ könne, sei es gut, wenn jetzt jemand anders das Kommando habe. Zu den bisherigen Ermittlungen sagte der Wehrbeauftragte: “Wir haben zum Teil auch erschreckende Details gehört von den Erlebnissen, die Offiziersanwärter uns geschildert haben.“ Allerdings gebe es unterschiedliche Berichte - dies müsse nun bewertet werden.

In der “Bild am Sonntag“ äußerte sich Königshaus skeptisch zu einer möglichen Stilllegung des Segelschulschiffs: “Die Frage, ob die Gorch Fock grundsätzlich außer Dienst gestellt wird, bedarf einer gründlichen Abwägung. Hier sollten jetzt keine voreiligen Schlüsse gezogen werden“, wurde er zitiert.

Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP, Elke Hoff, sprach in Koblenz von einer richtigen Entscheidung Guttenbergs: “Wir begrüßen es sehr.“ Der Minister habe mit der Absetzung des Kapitäns eine Diskussion beendet, “die zu eskalieren drohte“.

Ministerium: Inspekteur Schimpf soll nicht abgelöst werden

Das Bundesverteidigungsministerium hat Spekulationen über eine bevorstehende Ablösung von Marineinspekteur Axel Schimpf zurückgewiesen. Entsprechende Medienberichte seien falsch, sagte ein Sprecher des Ministeriums der Nachrichtenagentur dpa. “Der Inspekteur der Marine ist mit der Aufklärung der Vorfälle betraut“, betonte der Sprecher. Schimpf hat das höchste Marine-Amt seit April 2010 inne.

dpa

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