Hartz IV: Grüne drohen mit Scheitern der Verhandlungen
Berlin - Die Grünen haben mit einem Scheitern der Hartz-IV-Verhandlungen gedroht, falls Union und FDP in den nächsten Tagen kein deutliches Entgegenkommen zeigen.
Die Bundesregierung müsse sich in den Gesprächen “endlich substanziell bewegen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast dem Berliner “Tagesspiegel“ (Samstagausgabe). Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte die Koalition auf, ein Angebot vorzulegen. Zugleich erneuerte Gabriel die SPD-Forderung nach mehr Sozialarbeitern an Schulen. Künast sagte, das “Geschacher“ von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) “auf dem Rücken der Betroffenen muss ein Ende haben. Wir brauchen verfassungskonforme Regelsätze, einen Mindestlohn für Zeitarbeit und Weiterbildung und mehr Investitionen in die Bildungsinfrastruktur statt bürokratischem Gutscheinchaos in den Kommunen“.
Der grüne Arm werde sich nur bei einem gerechten und verfassungsgemäßen Ergebnis heben, sagte die Grünen-Politikerin der Zeitung. Parteichef Cem Özdemir forderte von der Leyen auf, beim Hartz-Spitzengespräch an diesem Montag ihr “Hoppla, jetzt komm ich“-Gebaren aufzugeben. Der “Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstagausgabe) sagte Özdemir, die CDU-Politikerin wäre gut beraten, im Hartz-Vermittlungsverfahren endlich auf die Opposition zuzugehen. Bei der Regierung sei offenbar nicht angekommen, dass sie keine Mehrheit mehr im Bundesrat habe. Die von der CDU-Politikerin geplante Bildungs-Chipkarte sei nicht praktikabel.
Özdemir: Von der Leyen schafft “riesige Bürokratie“
Von der Leyen wolle in den Jobcentern 1.300 zusätzliche Kräfte einstellen, damit die Leistungen bedürftige Kinder auch erreichten. “Sie schafft damit ein neues System mit einer riesigen Bürokratie, statt den vorhandenen Apparat der Kommunen zu nutzen. Das nehmen wir nicht hin“, sagte Özdemir. Auch für die Forderung nach mehr Sozialarbeitern an den Schulen gebe es endlich eine Chance, “aber Schwarz-Gelb verweigert sich“.
Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kommen die Hartz-IV-Kompromissverhandlungen zwischen Regierung und Opposition wegen der Widersprüche zwischen Union und FDP nicht voran. “Die Koalition ist derart uneins, dass sie offensichtlich verhandlungsunfähig ist“, sagt Trittin in einem am Samstag vorab veröffentlichten Interview der Zeitschrift “Super Illu“. “Wir streben einen Kompromiss für den 11. Februar an. Aber dafür müssen sich Union und FDP endlich bewegen - und zwar bei allen drei Punkten: der fairen Berechnung des Regelsatzes, der Ausstattung des Bildungspakets und beim Thema Mindestlöhne, mindestens für die Zeitarbeit“, erklärt der Grünen-Politiker.
Wenn die Union und die FDP bei den Hartz-IV-Verhandlungen der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn nachkämen, würde das nicht nur die Menschen vor Lohndumping bewahren, sondern sogar die Haushalte entlasten helfen - trotz Anhebung der Arbeitslosengeld-II-Sätze, sagt Trittin weiter. “Denn dann würden wir viel Geld sparen, das wir heute den Aufstockern zahlen.“
Gabriel beharrt auf Forderung nach Schulsozialarbeitern
SPD-Chef Gabriel sagte dem “Hamburger Abendblatt“ (Samstagausgabe): “Die Bundesregierung muss erst mal klären, was sie selbst will, und dann mit einem Angebot kommen.“ Er betonte: “Unsere Angebote liegen alle auf dem Tisch: gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei der Leiharbeit sowie Investitionen in Ganztagsschulen.“ Auf die Frage, ob sich die SPD ein Scheitern der Verhandlungen leisten könne, sagte Gabriel: “Wir nehmen die Verantwortung, die wir über den Bundesrat haben, sehr ernst.“ Der SPD-Chef bekräftigte zugleich die Forderung der Sozialdemokraten nach mehr Sozialarbeitern an Schulen. “Wir haben einen realistischen Stufenplan vorgelegt.“
Er nannte es skandalös, “dass wir sofort mehrere Milliarden auf den Tisch legen, um Spitzenforschung an Universitäten zu finanzieren, aber keine zwei Milliarden Euro haben, um Sozialarbeiter an die Schulen zu bringen“. Für Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle ist die Forderung der SPD nach mehr Sozialarbeitern an Schulen “reine Verhandlungsstrategie bei der Entwicklung des Bildungspakets im Rahmen der Hartz-IV-Reform“. Soziale Arbeit sei für die Schulentwicklung hilfreich, sagte der CSU-Politiker dem “Hamburger Abendblatt“. Sozialarbeit betreffe aber nicht den Aspekt der angemessenen Mitwirkung von Schulen bei der Umsetzung des Neubedarfs von Kindern im Rahmen des geplanten Bildungspakets der Hartz-IV-Reform, sagte Spaenle. Der Kultusminister koordiniert die von der Union geführten Länder in der Schulpolitik.
dapd