Koalitionsausschuss sucht gemeinsame Linie

Berlin - Angesichts neuer Konflikte im Regierungsbündnis hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag mit den Spitzen der schwarz-gelben Koalition den politischen Kurs für die kommenden Monate abgestimmt.
Das Treffen des Koalitionsausschusses endete am Abend nach rund drei Stunden. Den Streit über Steuervereinfachungen hatte Schwarz-Gelb bereits am Vortag abgeräumt. Weitere Themen - von der Vorratsdatenspeicherung, über Internet-Sperren und die Euro-Rettung bis hin zur Zuwanderung - galten als nicht entscheidungsreif.
Im Steuerstreit hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem Drängen der FDP nachgegeben, den Arbeitnehmer-Pauschbetrag bereits in diesem Jahr von 920 auf 1.000 Euro heraufzusetzen und damit die Bürger etwas zu entlasten. Trotz der Einigung ermahnte der FDP-Finanzexperte Volker Wissing (FDP) den Finanzminister am Donnerstag noch einmal, sich an den Koalitionsvertrag von Union und FDP zu halten. “Der Koalitionsvertrag ist die Arbeitsgrundlage dieser Bundesregierung und damit natürlich auch die von Herrn Schäuble“, sagte Wissing dem “Hamburger Abendblatt“.
Der FDP-Politiker drang auf weitere Steuersenkungen. Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Norbert Barthle (CDU), stärkte Schäuble dagegen den Rücken. “Ich sehe nicht, dass der Finanzminister durch die Steuerdebatte beschädigt wäre“, sagte er. “Schäuble hält haushaltspolitisch Kurs. Er macht einen hervorragenden Job.“
Kauder erbost über Korrektur von Internet-Gesetz
Die Koalition ist unter anderem tief zerstritten über den künftigen Umgang mit der Vorratsdatenspeicherung. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat Eckpunkte dazu vorgesehen, die Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und der Union aber nicht weit genug gehen. Beim Thema Internet-Sperren wiederum ist die Unions-Bundestagsfraktion erbost über de Maizière, der das Gesetz gegen Kinderpornografie teilweise ausgesetzt hatte. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), warf der Bundesregierung in der “Neuen Osnabrücker Zeitung“ vor, gegen die Verfassung zu verstoßen. Nach dem Erlass des Innenministers werden kinderpornografische Inhalte zwar gelöscht, die gesetzlich ebenfalls vorgesehenen Internet-Sperren aber nicht angewendet. Kauder und andere Rechtsexperten halten das für einen klaren Verfassungsverstoß. “Die vollziehende Gewalt ist nach dem Grundgesetz an Recht und Gesetz gebunden“, sagte er. Zudem brüskiere die Regierung den Bundestag, wenn sie Gesetze des Parlaments eigenmächtig korrigiere.
Haderthauer sieht keinen Fachkräftemangel
Auch über die Themen Zuwanderung und Fachkräftemangel wird sich die Koalition nicht einig. Während die FDP für verstärkte gesteuerte Zuwanderung plädiert, ist die CSU kategorisch dagegen. Die bayerische Arbeitsministerin Christine Haderthauer (CSU) sagte der “Welt“: “Wir haben keinen echten Fachkräftemangel, solange die Rahmenbedingungen für unsere jungen Leute gekennzeichnet sind von befristeten Arbeitsverträgen, unflexiblen Arbeitszeitmodellen und unbefriedigenden Gehältern.“
Haderthauer warnte davor, dem Nachfragedruck durch erleichterten Zugang aus dem Ausland und Senkung der Lohngrenzen nachzugeben. Der FDP-Arbeitsmarktpolitiker Johannes Vogel rief die CSU zum Einlenken auf. “Ohne Zuwanderung wird es nicht gehen“, sagte Vogel. Kurzfristig müsse die sogenannte Vorrangprüfung der Arbeitsagenturen zumindest in den Branchen mit akutem Fachkräftemangel ausgesetzt werden. Außerdem sollte die Einkommensgrenze für hochqualifizierte Zuwanderer von heute 66.000 Euro im Jahr auf 40.000 Euro gesenkt werden.
Von Verena Schmitt-Roschmann