Messer-Attentat in Köln: Fremdenfeindliches Motiv

Köln - Nach dem Attentat auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker liegt der Schwerpunkt der Ermittlungen auf politischen Motiven: Der Täter soll die Flüchltingspolitik als Grund genannt haben. Rekers Zustand indes ist stabil, über den Berg sei sie aber noch nicht.
Update nach einer Pressekonferenz in Köln:
Nach der Attacke auf die parteilose Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker liegt ein Schwerpunkt der Ermittlungen auf möglichen politischen Motiven. Das sagte der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers am Samstag. Reker habe ernsthafte Verletzungen erlitten. „Aktuell ist sie stabil, aber nicht über den Berg“, sagte Albers.
Es sollen Äußerungen des Täters (44) gefallen sein, die in Bezug auf den aktuellen Wahlkampf auf einen politischen Hintergrund hinweisen, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Jakob Klaas sagte. „Unsere Gedanken sind bei den Geschädigten und ihren Familien.“
Der Festgenommene sei ein junger Mann deutscher Staatsangehörigkeit. Er habe für die Tat fremdenfeindliche Motive angegeben, sagte Norbert Wagner, Leiter Direktion Kriminalität. Bisher gebe es keine Erkenntnisse, dass weitere Personen an der Tat beteiligt waren. Zuvor sei der Mann polizeilich nicht ausgefallen.
Zum Täter: „Er ist nach eigenen Angaben seit längeren Jahren arbeitslos und war von Beruf Maler und Lakierer und bezog Einkünfte nach Hartz IV“, sagte Norbert Wagner, Leiter Direktion Kriminalität. Nachbarn und Umfeld hätten ihn als unauffälligen Zeitgenossen beschrieben. „Er lebte alleine in seiner Wohnung.“ Der 44-Jährige habe nach der Festnahme allgemeine Angaben zur Flüchtlingspolitik gemacht, den Namen von Kanzlerin Angela Merkel dabei nicht erwähnt.
Ermittler gehen von Messerstichen im Halsbereich aus
Der ermittelnde Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn sagte: „Zum jetzigen

Zeitpunkt deuten die Zeugenaussagen (...) darauf hin, dass in der Tat fremdenfeindliche Motive des Täters ausschlaggebend waren.“ Deshalb seien die Ermittlungen in seiner für die Verfolgung politisch motivierter Straftaten zuständigen Abteilung angesiedelt. Inwieweit der Gesundheitszustand des Täters andere Deutungen zulassen, könne noch nicht gesagt werden. „Wir werden das mit der nötigen Akribie (...) weiter angehen.“
Der Kriminalermittler Norbert Wagner teilte mit, der 44-jährige Täter habe erklärt, „dass er vor langer Zeit, vor 20 Jahren politisch tätig war“. Weitere Angaben machte Wagner nicht. Es gebe keine Erkenntnisse, dass der Angreifer in einer Partei oder Organisation aktiv sei.
Der Kriminalermittler Norbert Wagner: „Wir gehen derzeit von einem Messerstich im Halsbereich von Frau Reker aus. Bei den anderen Verletzten handelt es sich um Personen aus dem Umkreis der Wahlkampagne von Reker.“ Wie es zu diesen Verletzungen kam, könne er noch nicht sagen, meinte Wagner. Der Täter habe angegeben, die OB-Kandidatin aus fremdenfeindlichen Motiven angegriffen zu haben.
Eine psychische Störung des Täters schließen die Ermittler nicht aus. Deshalb werde er psychiatrisch untersucht, teilte der ermittelnde Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn mit. Bei Angriffen auf Politiker hätten in der Vergangenheit nicht selten psychische Störungen eine Rolle gespielt. „Das gibt schon Anlass, den Gesundheitszustand auch in juristischer Hinsicht überprüfen zu lassen“, sagte Willuhn. „Insgesamt fußt diese Veranlassung ausschließlich auf dem Tatbild, wie es sich darstellt.“
Kölns scheidender Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) sagte: „Die Stadt hält den Atem an. Es ist nicht nachvollziehbar, was dort geschehen ist.“ Er ergänzte: „Das ist nicht nur ein Anschlag auf das Leben und die körperliche Unversehrheit von Frau Reker und anderen Betroffene, sondern es ist auch ein Anschlag auf das öffentliche Leben und die Demokratie.“ Roters betonte: „Wir dürfen uns durch ein solches Attentat nicht die Knie zwingen lassen.“
Das passierte bei der Attacke auf die Kölner OB-Kandidatin
Ein mit einem Messer bewaffneter Mann habe Reker um kurz nach neun Uhr an einem Wahlkampfstand der CDU angegriffen, sagte ein Polizeisprecher der dpa. Zwei Personen seien schwer und drei leicht verletzt worden, als es zu einem Handgemenge gekommen sei.
Wie schwer die 58-jährige Reker verletzt wurde, war zunächst unklar. Ihr Wahlkampfteam teilte später allerdings auf Twitter mit, dass sie außer Lebensgefahr ist. Reker wird in einer Klinik operiert. Das sagte der amtierende Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) am Samstag im Nachrichtensender n-tv. „Wir hoffen, dass die Operation gut verläuft und es ihr möglichst bald wieder gut geht“, sagte er. Die Kriminalpolizei und eine Mordkommission ermittelten.
Auch auf Facebook meldete sich das Team zu Wort und bedankte sich bei allen, die Henriette Reker ihre Wünsche schicken.
Die Oberbürgermeisterwahl in Köln findet trotz des Angriffs auf die parteilose Kandidatin Henriette Reker wie geplant an diesem Sonntag statt. Das teilte die Stadtverwaltung am Samstag mit.
Spitzen der Stadtverwaltung hatten zuvor beraten, ob die Wahl des neuen Rathauschefs erneut verschoben werden soll, nachdem ein 44-Jähriger am Samstag mit einem Messer auf Reker losgegangen war. Reker und vier weitere Personen wurden verletzt. Der Angreifer wurde festgenommen.
Nach Angriff auf OB-Kandidatin: Unterschiedliche Angaben
Nach dem Angriff auf die Kölner OB-Kandidatin gibt es unterschiedliche Angaben über die Art der Verletzung. Die „Rheinische Post“ zitierte den Kölner CDU-Vorsitzenden Bernd Petelkau, der Augenzeuge des Angriffs war, mit den Worten: „Der Täter hat Frau Reker schwer verletzt. Er hat ihr mit einem Messer in den Bauch gestochen und auch noch vier umstehende Wahlkampfhelfer verletzt.“ Nach einem Bericht des „Kölner Stadtanzeigers“ wurde Reker hingegen in den Hals getroffen.
Laut „Rheinischer Post“ blieb der Täter nach der Attacke ruhig stehen und sagte: „Ich musste es tun. Ich schütze Euch alle.“ Dem Bericht zufolge ist der Täter gut 40 Jahre alt und offenbar deutscher Herkunft.
Dramatische Szenen am Tatort: Angreifer wurde bereits festgenommen
Der etwa 30- bis 40-jährige Angreifer sei festgenommen worden, hieß es. Nach der Messerattacke ist es am Tatort zu dramatischen Szenen gekommen. Helfer versuchten, den Täter mithilfe von Partei-Sonnenschirmen zu überwältigen, die an dem CDU-Wahlkampfstand aufgestellt waren, berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“ unter Berufung auf Augenzeugen. „Der Mann stach mit einem etwa 20 Zentimeter langem Messer um sich“, sagte das Kölner CDU-Ratsmitglied Jürgen Strahl dem Kölner „Express“. Er sprach von einem „gezielten Angriff“ auf Reker. Laut Polizei wurden bei dem Handgemenge vier weitere Personen verletzt.
Der verantwortliche Täter (44) hat als Motiv nach übereinstimmenden Medienberichten die deutsche Flüchtlingspolitik genannt. Am Tatort und später im Streifenwagen auf dem Weg zur Polizeiwache habe er betont, mit der Flüchtlingspolitik von Reker (parteilos) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht einverstanden zu sein, berichteten mehrere Medien unter Berufung auf Polizeikreise.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) sieht nach dem Attentat „erste Anzeichen für eine politisch motivierte Tat“. Die Ermittlungen der Kölner Polizei und des Landeskriminalamtes liefen mit Hochdruck, erklärte er am Samstag. Auch der NRW-Verfassungsschutz sei mit eingebunden. „Die Polizei setzt alles daran, die Hintergründe dieser Tat so schnell wie möglich aufzuklären.“
Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten am Tatort. Auch ein Rettungshubschrauber war den Angaben zufolge im Einsatz. Der Wochenmarkt liegt im Kölner Stadtteil Braunsfeld. Rekers Mitarbeiter Frederik Schorn sagte der dpa, auch ein Mitarbeiter des Wahlkampfteams der OB-Kandidatin sei verletzt worden.
Hannelore Kraft reagiert schockiert: "Angriff auf uns alle"
In Köln wird am Sonntag ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Die parteilose Sozialdezernentin Reker wird von CDU, Grünen und FDP unterstützt. Der SPD-Kandidat Jochen Ott hat indes seinen Wahlkampf unterbrochen. Das teilte Ott am Samstag auf seiner Facebook-Seite mit. „Ich bin zutiefst bestürzt und drücke ihr von Herzen die Daumen“, so Ott. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat schockiert auf das Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker reagiert. „Das ist ein Angriff auf uns alle“, teilte Kraft am Samstag auf Twitter mit. „Hoffe und bange mit den Verletzten.“
dpa