Wahlhochburgen in Bayern: Karten zeigen starke CSU, gelbe Inseln und eine schwächelnde AfD

Eine riesige Kandidaten-Vielfalt, Siege mit nur zwei Stimmen Mehrheit und eine überraschend schwache Partei: Eine erste Datenanalyse samt Hochburgen zu den Bürgermeister-Wahlen 2020 in Bayern.
- Rund 1930 Bürgermeister sind in Bayern bestätigt oder neu gewählt worden.
- Unsere erste Analyse zeigt: Unerwartete Ergebnisse, schwächelnde Großstadt-Kandidaten, märchenhafte Wahlbeteiligungen und sehr einsame Kandidaten.
- Wahlhochburgen-Karten für die sechs stärksten Parteien in Bayern bei den Kommunalwahlen
München - Ihre eigene Stimme kann den Unterschied machen? Die bayerischen Kommunalwahlen 2020 waren jetzt der Beweis. So lag im unterfränkischen Castell exakt eine Stimme zwischen dem Erst- und dem Zweitplatzierten. Und auch weit über Castell hinaus lohnt ein näherer Blick auf die zigtausend Wahlergebnisse, die wir in den letzten Wochen mit hohem Aufwand für Sie aggregiert haben. Unsere Datenanalyse zeigt beispielsweise, dass in den Großstädten etwas in Bewegung gekommen ist, dass sich neben der CSU in Bayern immer mehr andere Parteien breit machen. Und dass am Ende sogar kleine Parteien abräumen können, wenn ihr Kandidat vor Ort überzeugt.
Kaum ist die Stichwahl bei den Kommunalwahlen in Bayern vorbei, richtet sich der Blick also auf die erste Analyse. Wir haben dazu einen näheren Blick auf die Bürgermeisterwahlen und die knapp 2000 Städte und Gemeinden und die rund 5500 antretenden Kandidaten bei der Wahl geworfen. Und auch wenn so nah an der Basis im Zweifel die Person bei der Wahl entscheidet - ein Blick auf die Parteien hinter den Kandidaten erweist sich als spannend. Wir haben Ihnen deswegen für die sechs stärksten Parteien in Bayern eigene Wahlhochburgen-Karten aufbereitet - und die zeigen ein Bundesland, das bunter wird und zugleich seine CSU-schwarze Dominanz gerade in kleineren Gemeinden behält.
Alle Wahlergebnisse? Daten finden Sie gebündelt auf Merkur.de: Bürgermeisterwahlen. Landratswahlen. Kreistagswahlen. Gemeinderatswahlen.
Bürgermeisterwahlen in Bayern: Unerwartet viel Bewegung in den Großstädten
Große Dynamik in den Großstädten: Bayern wird politisch vielfältiger, das kann man trotz weiterhin vorhandener CSU-Dominanz ohne Zweifel behaupten. Gleichzeitig scheint der Amtsbonus nicht mehr so viel wert zu sein wie in der Vergangenheit Zwar konnte etwa in München Dieter Reiter (SPD) in der Stichwahl mit einem triumphalen Ergebnis erneut ins Rathaus einziehen. Und auch in weiteren Großstädten ist der alte CSU-Kandidat auch der neue. Dennoch zeigt sich andernorts mehr Veränderungen als früher: So gibt es in Ingolstadt mit Christian Scharpf einen SPD-Kandidaten, der den CSU-Amtsinhaber aus seinem Amt verdrängte. Auch in anderen Großstädten hieß es für den Amtsinhaber: Abschied nehmen vom Rathaus.
Von einem einsamen Kandidaten bis zur Kandidaten-Vielfalt: Es gab Städte und Gemeinden, in denen sich der Wähler zwischen einer bunten Partei- und Personen-Vielfalt entscheiden musste. Und es gab mehrere Dutzend Gemeinden in Bayern, in denen die Wähler sehr rege ihren gewünschten Kandidaten nachträglich auf den Zettel schrieben - was bei den Kommunalwahlen am Wahltag jedem möglich ist. Und genau das ergab teilweise mehr als 25 Kandidaten für eine einzige Wahl. Ebenso hatten die Wähler in etwa genau so vielen bayerischen Gemeinden die Wahl genau zwischen A und A: nur ein einziger Kandidat war angetreten. Da war dann eher die Höhe der Wahlbeteiligung als das tatsächliche Ergebnis des einzigen Kandidaten das spannende.
Wenn bei den Kommunalwahlen ein Kreuz den Unterschied macht
Eine Stimme kann entscheidend sein: Im unterfränkischen Castell lag eine einzige Stimme zwischen dem Erst- und dem Zweitplatzierten. Bei der Stichwahl drehte sich dann dort die Reihenfolge um - und Christian Hähnlein (Wählergruppe Wüstenfelden) zog am Ende mit immerhin 50 Stimmen Vorsprung ins Casteller Rathaus ein. Und der knappste Sieg schon im ersten Wahlgang? Der gelang im oberpfälzischen Neustadt am Kulm - mit einem haarscharfen Vorsprung von exakt zwei Stimmen für Wolfgang Haberberger (CW-ML). Äußerst knappe Ergebnisse sind aber auch bei den Stichwahlen geschehen: Auch wenn sich die Thalmässinger nur noch zwischen zwei Kandidaten entscheiden mussten, gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Aus dem ging Kandidat Raffael Parzefall (Freie Wähler) mit hauchdünnen fünf Stimmen Vorsprung als Sieger hervor.

Von Wahlbegeisterung bis Routine: Riesige Unterschiede zeigen sich auch bei der Wahlbeteiligung im Bayernland: In manchen Städten und Gemeinden war sprichwörtlich das gesamte Dorf auf den Beinen - anderswo fühlten sich die Wähler nicht unbedingt zur Wahlurne gezogen. Einsamer Spitzenreiter ist die kleine schwäbische Gemeinde Ehingen am Ries mit beachtlichen 89,9 Prozent. Ein möglicher Grund: Das Rennen zwischen den Kandidaten war dort keineswegs ausgemacht. Den Kontrast setzte die nur wenig größere und ebenfalls schwäbische Gemeinde Medlingen - mit gerade einmal 31,8 Prozent Wahlbeteiligung. Offenbar war hier das Rennen aus Sicht der Bewohner schon entschieden: Stefan Taglang holte satte 96,6 Prozent aller Stimmen. Spannend ist ein Blick auf die Wahlbeteiligung bei den Stichwahlen: Selbst das niedrigste Ergebnis (Rosenheim) war immer noch deutlich höher als beim ersten Wahlgang - und das höchste Ergebnis mit 91,7 Prozent in Stadelhofen dort, wo es auch bei der Stichwahl sehr knapp war.
Wer auf dem Land punktet, wer in der Stadt triumphiert: Gravierende Unterschiede zeigen sich bei der Frage, welche Partei bei welcher Gemeindegröße punkten kann. Konnten die Parteien eher auf dem Land oder in der Stadt punkten? Grüne und SPD stellen Bürgermeister in Städten und Gemeinden, die durchschnittlich rund 10.000 Einwohner haben. Dies ist für Bayern, welches aus einer Vielzahl an sehr kleinen Siedlungsstrukturen besteht, eine beachtliche Anzahl. Das andere Extrem bilden die parteilosen Bürgermeister - sie gewannen in Gemeinden mit durchschnittlich gerade einmal 1800 Einwohnern. Die Vermutung liegt nahe, dass dort eine erfolgreiche Kandidatur für Bürgermeister auch jenseits der klassischen Parteistrukturen eher funktioniert. Und CSU und Freie Wähler? Sie triumphieren klar in eher kleineren Gemeinden und ländlichen Gebieten - in Kommunen mit durchschnittlich 6500 und 4000 Einwohnern.
Wahlhochburgen bei den Bürgermeister-Wahlen: Starke CSU, aufholende Freie Wähler
CSU bleibt dominant bei den Bürgermeistern: Keine Partei in Bayern ist auch nur annähernd so oft unter den Kandidaten vertreten: In zwei Drittel aller bayerischen Städte und Gemeinden trat eine Person unter der Flagge der CSU für das Amt des Bürgermeisters an. Das zeigt bereit ein erster Blick auf die weithin CSU-schwarz gefärbte Karte. Und der Wahlausgang war bayernweit entsprechend: In rund 800 Städten und Gemeinden, in denen im März gewählt wurde, zog ein CSU-Mann oder eine CSU-Frau am Ende ins Rathaus ein (wie immer bei dieser Analyse: Entweder alleinig unter der CSU-Flagge oder als erste von mehreren Parteien, die einen Kandidaten unterstützten). Dieser CSU-Erfolg lag damit deutlich über dem landesweiten Kommunalwahlergebnis, bei dem die CSU 34,5 Prozent holte.
Freie Wähler sind erfolgreicher als auf Landesebene: Die Freien Wähler traten zwar erheblich seltener mit einem Kandidaten an als die CSU, und zwar in etwa einem Drittel aller bayerischen Wahlgemeinden. Doch dafür konnten die Kandidaten der Partei mit knapp 300 Fällen überdurchschnittlich oft das Amt des Bürgermeisters erringen. Die Karte zeigt außerdem: Die Freien Wähler haben in Bayern eine Stellung wie in keinem anderen deutschen Bundesland - was auch die Regierungsbeteiligung auf Landesebene verdeutlicht. Und die Kandidaten der Freien Wähler konnten in den Gemeinden erheblich mehr Stimmen holen, als es dem Kommunalwahl-Landesergebnis von 8,6 Prozent entspricht - der Median aller Bürgermeister-Ergebnisse bei den Freien Wählern liegt bei gut 40 Prozent.
Wahlhochburgen: Wenig vertretene SPD, mittelmäßige GRÜNE
SPD kann in der Fläche nicht mit der CSU mithalten: Die Sozialdemokraten traten zwar fast genau so oft in einer Gemeinde an wie die Freien Wähler - doch holte die SPD mit einem Median von 28 Prozent deutlich schlechteres Ergebnis als die orangefarbene Konkurrenz. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieses Abschneiden immer noch doppelt so stark ist wie das SPD-Landesergebnis. Bei den Bürgermeisterwahlen jedenfalls gelang es der SPD in 180 Städten und Gemeinden, den Bürgermeister zu stellen. Man könnte allerdings für Bayern auch sagen: In drei von vier Gemeinden war die SPD gar nicht als treibende Kraft vertreten - und wenn dann, eher im Norden als im Süden.
GRÜNE werden stärker, sind aber nicht stark. Die Grünen waren im ländlich geprägten Flächenstaat Bayern nicht besonders weit verbreitet unter Bürgermeister-Kandidaten. Zwar ist die Anzahl über die Jahrzehnte erheblich gestiegen - allerdings trat auch im Jahr 2020 immer noch in nur etwa jeder achten bayerischen Gemeinden ein grüner Kandidat überhaupt an. Das zeigt sich auch auf der Karte „Wo die GRÜNEN punkten“ - besonders grün färbt sich die bayerische Gemeindekarte nicht. In den Gemeinderäten beispielsweise sind die Grünen wesentlich stärker vertreten - ob es hier an überzeugenden Kandidaten mangelte oder eher an Kandidaten generell? Und dennoch gibt es Ausnahmen. Auch wenn sie bei den Stichwahlen in einer Reihe von Städten unterlagen, schafften sie es in einer Handvoll Städte und Gemeinden ins Bürgermeister-Amt. Erfolgreichster Kandidat dabei: Georg Reinthaler, der in Eiselfing 91 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte.
Wahlhochburgen: AfD überraschend schwach, FDP schafft es in einige Rathäuser
AfD spielt nur Nebenrolle: So stark die AfD mittlerweile in vielen Bundesländern ist - in Bayern konnte sie bei den Kommunalwahlen 2020 nur wenig punkten. Nur rund 30 Mal stellte sie überhaupt einen Kandidaten - und ins Rathaus schaffte sie es am Ende nirgends. Während die AfD in Bundesländern wie Sachsen die zweitstärkste Partei wurde, reichte es auch im bayernweiten Ergebnis nur zu 4,7 Prozent. Das entspricht auch in etwa dem durchschnittlichen Ergebnis aller AfD-Bürgermeisterkandidaten in Bayern. Erfolgreichster Kandidat dabei: Martin Huber in Taufkirchen (Vils) mit 11 Prozent der Stimmen.
FDP schafft es in zwei Rathäuser: Die FDP ist zwar rund drei Mal so stark wie die AfD in den Kandidatenlisten vertreten - kommt aber dort jeweils ebenfalls auf durchschnittlich nur 4 Prozent. Mit Landshut und Lindau reichte es dafür, anders als bei der AfD, in zwei bayerischen Gemeinden für einen Einzug ins Rathaus. In Lindau in Kombination mit zwei weiteren Parteien; in Landshut hingegen holte Alexander Putz sogar alleinig für die FDP das Amt. Genau so oft übrigens wie die ÖDP, dies in zwei kleinen bayerischen Gemeinden zum Bürgermeister schaffte. Bayern - es ist also durchaus nicht nur schwarz, sondern auch bunt.
Datenanalyse: Wie wir gearbeitet haben, was die Karten zeigen
Wie wir die Bürgermeister-Daten recherchiert haben: Diese Analyse war nur möglich, weil wir seit dem ersten Wahlgang zigtausende Bürgermeister-Ergebnisse von den jeweiligen Städten und Gemeinden selbst aggregiert haben - hauptsächlich mit viel Technik, in mehreren Hunderten Fällen mangels Alternative auch durch Vor-Ort-Recherche. Eine zentrale Datenbank für Bayern gibt es nicht. Durch unsere eigenen Recherchen können wir inzwischen bis auf ein gutes Dutzend sämtliche Bürgermeister-Ergebnisse im Bundesland analysieren (Datenstand 31.03.2020). Mehr zu unserem großen datenjournalistischen Projekt zur Kommunalwahl lesen Sie übrigens in diesem Datenprojekt-Artikel.
Wir können trotz aller Akribie naturgemäß nur so gut sein wie die Stellen, die die grundlegenden Basisdaten bereitstellen. In Einzelfällen kann es deswegen möglicherweise zu fehlenden oder falschen Zahlen kommen (wir freuen uns über einen Hinweis). Bei den Freien Wählern können einige Werte fehlen, weil der vor Ort übliche Parteiname sehr uneinheitlich verwendet ist. Ebenso können wir Wählergruppierungen wegen erwähnter Uneinheitlichkeit bei der Benennung nicht mit vertretbarem Aufwand separat ausweisen. Ebenso war ein Vergleich mit den Ergebnissen von 2014 leider nicht möglich, da diese Daten nicht in verwendbarer Form für ganz Bayern vorliegen. Dennoch können wir am Ende feststellen, dass uns kein vergleichbarer Datenpool in Bayern bekannt ist - und sich auch trotz der Einschränkungen eine Vielzahl von Fragestellungen beantworten lassen.
Was die Wahlkarten zeigen und was nicht: Die Wahlkarten in diesem Artikel beruhen darauf, dass die stärkste Einfärbung jeweils zehn Prozent unterhalb des besten durch die Partei erreichten Ergebnis in Bayern erfolgt. Dadurch schaffen wir eine Vergleichbarkeit innerhalb einer Partei - und eine Unterscheidbarkeit zwischen den Karten. Für die Karten haben wir jeweils alle Ergebnisse je Gemeinde der jeweiligen Partei verdichtet. Gleichzeitig berücksichtigen wir sämtliche Ergebnisse, bei der die entsprechende Partei die Hauptrolle spielt. Dies geschieht analog zu der Methodik des statistischen Landesamtes - eine Kennzeichnung: „CSU / Freie Liste“ werten wir hier als CSU-Ergebnis. Nicht jedoch: „Freie Liste / CSU“. So gewährleisten wir die bestmögliche Zuschreibung der Ergebnisse. Haben Sie Fragen, Anmerkungen oder Anregungen zu dieser Datenanalyse? Gerne jederzeit per E-Mail an Philipp.Pries@merkur.de.
Von Philipp David Pries. Mitarbeit: Ruturaj Mokashi