Lassen zwei simple Worte die „KoKo“-Träume der SPD platzen?

Eine „KoKo“ hätte Deutschland eine Regierung bescheren und die SPD das Gesicht wahren lassen sollen. Es wird wohl anders kommen: Klares Indiz sind zwei Worte in einer Mitteilung der Parteien.
Berlin - Es ist ja auch eine verzwickte Lage... Ein ganz neues Konzept hatte die SPD ersonnen, um aus ihrem jüngsten Dilemma herauszukommen: „KoKo“ statt „GroKo“ sollte die Devise lauten. Mit der „Kooperationskoalition“ hätten die Sozialdemokraten sich nicht vorwerfen lassen müssen, die Bundesrepublik führungslos umherdümpeln zu lassen - und sie hätten vermeiden können, von Angela Merkel und der Union auf allzu unliebsame Projekte festgenagelt zu werden.
Das neue Konstrukt wäre dann ein wenig stabiler als eine Minderheitsregierung gewesen. Und hätte die Bundestagsparteien vor neue Kooperationszwänge gestellt. Bereits jetzt scheinen all diese Gedankenspiele aber Makulatur zu sein. Die Lösung wird sich auf anderem Wege finden müssen. Das konnten aufmerksame Leser am Mittwochabend schon aus der ersten Mitteilung der Parteien zu ihren Spitzengesprächen lesen.
Zwei magische Worte: „Stabile Regierung“
„Die Vertreter von CDU und CSU haben deutlich gemacht, dass sie gemeinsam mit der SPD Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung aufnehmen wollen“, teilten CDU/CSU und SPD am Mittwochabend nach dem zweieinhalbstündigen Gespräch in Berlin mit. Die Zauberworte lauten „stabile Regierung“. Denn damit dürfte die Union ganz sicher keine experimentelle Variante einer GroKo meinen.
Und nun? Die SPD werde über das Angebot am Freitag in ihren Gremien beraten und entscheiden, hieß es. Das klare Votum setzt SPD-Chef Martin Schulz unter Druck, der Vorstand trifft sich am Freitag, um über Ja oder Nein zu Sondierungen zu entscheiden.
SPD-Basis und -Linke sind skeptisch
Schulz hatte der Basis beim jüngsten Parteitag versprochen, „ergebnisoffen“ zu verhandeln, das sollte auch Optionen wie eine Minderheitsregierung Merkels, die von der SPD unterstützt wird, beinhalten. Oder eine Kooperationskoalition („Koko“), bei der die SPD zwar auch Minister in der Regierung stellt, aber nur auf bestimmten Feldern kooperiert, auf anderen könnte sie dann auch mit anderen Parteien eigene Projekte durchsetzen. Beide Varianten sind Merkel und der Union zu unsicher und werden daher abgelehnt.
Merkel, Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer sowie die Spitzen beider Fraktionen hatten sich 80 Tage nach der Bundestagswahl und rund dreieinhalb Wochen nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen zu einem ersten Gedankenaustausch getroffen. Um das Treffen wurde ein großes Geheimnis gemacht, Schulz nahm den Hintereingang - das Treffen fand im Bundestag bei der CDU-Fraktion statt. Schulz hatte gefordert, sich öffentlich nach dem Treffen zurückzuhalten; die Basis hatte beim Parteitag kritisiert, dass die SPD-Führung sich innerlich längst auf die „Groko“ vorbereite.
Die SPD-Linke pocht trotz der Unions-Position weiterhin auf Sondierungen auch über die beiden anderen Regierungsalternativen. „Die SPD wird - wenn überhaupt - nur offen sondieren“, sagte der zum linken Flügel gehörende SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe der Deutschen Presse-Agentur.
Das sei so auf dem SPD-Parteitag besprochen und beschlossen worden. SPD-Chef Martin Schulz hatte dort zugesagt, es gebe keinen Automatismus Richtung große Koalition. Mit Spannung wird nun erwartet, wie die SPD sich am Freitag verhalten wird.
Streitpunkte Gesundheit, Familiennachzug, Steuern
In der Erklärung nach dem Spitzentreffen war von einem „offenen und vertrauensvollen Gespräch“ die Rede, konkrete Ergebnisse wurden nicht bekannt. Streitpunkte sind unter anderem das von der SPD geforderte Ende einer „Zwei-Klassen-Medizin“ und die Frage, ob ab dem Frühjahr wieder ein Familiennachzug bei Flüchtlingen zum Beispiel aus Syrien möglich sein soll, was die CSU ablehnt. Hinzu kommt die von der SPD geforderte höhere Steuer für Reiche. Weitgehend einig ist man sich bei mehr Investitionen in Pflege, Wohnungsbau sowie einer Stärkung von Polizei und Justiz angesichts der Terrorismus-Herausforderungen.
Schulz hatte nach der Bundestagswahl und dem Jamaika-Aus zwei Mal den Gang in eine große Koalition ausgeschlossen. Er begründete das mit den herben Verlusten der SPD bei der Bundestagswahl, als die Partei nur noch auf 20,5 Prozent kam. SPD-intern wurde der Profilverlust in der großen Koalition dafür mitverantwortlich gemacht. Es gibt massive Widerstände in der Partei. Über die Aufnahme von konkreten Koalitionsverhandlungen müsste Mitte Januar ein Sonderparteitag entscheiden.
Seehofer wurde schon deutlich
CSU-Chef Horst Seehofer hatte SPD-Überlegungen zu einer Koalition, in der nur einige Dinge fest verabredet werden, aber zur eigenen Profilschärfung auch Projekte mit anderen Parteien durchgesetzt werden können, als Vorschlag „aus der Krabbelgruppe“ bezeichnet. Scheitern alle Bemühungen um eine Regierungsbildung, bliebe nur eine vorgezogene Neuwahl als Ausweg - erstmals in der Bundesrepublik.
Der frühere Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine sagte der Rheinischen Post: „Die SPD ist ängstlich und unsicher und weiß nicht, welchen Weg sie gehen soll. Dabei ist es doch so einfach: Wenn man immer wieder Wahlen verliert, muss man die Politik ändern, die die Wähler vertreibt.“ Von einer Neuwahl hält Lafontaine nichts: „Wenn dieselben Gesichter mit denselben Programmen antreten, sind Neuwahlen sinnlos.“
dpa/fn