Nach Urteil gegen Lina E.: Linke Szene bereitet „Tag X“ vor - CDU wird deutlich
Nachspiel im Prozess gegen Lina E.: Die linke Szene ruft zu Demos in Deutschland auf - und die Angst vor Gewalt wächst. Die CDU übt Kritik an Faeser.
Berlin/Leipzig - Weiter Wirbel um Lina E.: Nach dem Urteil gegen die Neonazijägerin ist in der Politik ein Streit um den richtigen Umgang mit Linksextremisten entbrannt. So warf die Union der Bundesregierung ein totales Versagen bei der Überwachung von Radikalen und Gefährdern im linken Spektrum vor. Trotz einer zunehmenden Gewaltspirale in den vergangenen zwei Jahren habe Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bisher nur Aktionspläne „angekündigt“, kritisierte CDU-Innenexperte Michael Breilmann und forderte einen „360-Grad-Blick“ auf das Gewaltphänomen. Derweil rüstet die Szene zum „Tag X“ - einer bundesweiten Protestaktion gegen die Verurteilung von Lina E.
Urteil gegen Lina E.: Linksextreme Neonazijägerin zu Gefängnis verdonnert
Seit Tagen sorgt der Prozess um Lina E. für Aufregung. Am Mittwoch (31. Mai) hatte das Oberlandesgericht in Dresden die 28 Jahre alte Studentin wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Trotzdem kommt sie nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft vorerst frei: Der Haftbefehl wurde unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, falls das Urteil rechtskräftig wird.

Drei mitangeklagte Männer erhielten Strafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten. Der Generalbundesanwalt warf der Gruppe vor, zwischen 2018 und 2020 tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben. E. gilt bei der Anklagevertretung als Kopf der Gruppe.
Nach dem Urteil waren Ausschreitungen befürchtet worden. Laut der Bremer Polizei hatten linksextremistische Gruppierungen bei einer Verurteilung Straftaten und Proteste in mehreren Städten angekündigt, auch in Bremen. Die Polizei hatte zuvor bereits mitgeteilt, daher mit mehr Kräften verstärkt Präsenz zeigen zu wollen. Auch in Hamburg, Dresden und in Berlin gab es Demonstrationen.
Wer ist Lina E.?
Lina E. verbarg bei der Urteilsverkündung ihr Gesicht hinter einem Aktendeckel. Auch sonst gibt es wenig Bilder von der jungen Frau, die jetzt als Kopf der kriminellen Vereinigung gilt. Doch wer ist Lina E? Bekannt ist: Sie wurde am 20. Februar 1995 in Hessen geboren. Sie wuchs in Kassel auf, ging dort zur Schule, legte das Abitur ab. Als Berufswunsch gab sie Förderschullehrerin an, nachdem sie zwei Schulpraktika in Einrichtungen für behinderte Kinder absolviert hatte. Später studierte sie in Halle (Saale) Sozialpädagogik.
„Tag X“: Trotz Freilassung von Lina E. - Antifa rüstet zu Protest in Leipzig, Hamburg und Dresden
Bislang verliefen die Proteste weitgehend friedlich. Doch das könnte sich am Wochenende ändern. Denn zu Samstag (3. Juni) haben die linksradikale Szene und die Antifa am sogenannten „Tag X“ zu weiteren Demontrationen aufgerufen. Seit Monaten werden europaweit Unterstützer mobilisiert. Vor allem in Leipzig werden gewalttätige Ausschreitungen erwartet. Die Behörden verhängten bereits einen 48-stündigen Kontrollkreis um die Innenstadt, wie die Bild-Zeitung am Donnerstag berichtete.
Sorge vor „Tag X“: Prozess gegen Lina E. hat Linksextremismus noch radikaler gemacht
In Bund und Ländern ist man sich der Gefahr bewusst. „Die Strafverfolgung von Lina E. und ihren drei Mitangeklagten hat in der gewaltorientierten linksextremen Szene seit der Verhaftung der Hauptangeklagten im Jahr 2020 bereits viel Aufmerksamkeit erregt“, erklärte Innenministerin Faeser bereits vor der Urteilsverkündung im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Behörden hätten ein besonderes Augenmerk auf die gewaltbereite Bedrohungen gelegt und würden bei Straftaten hart durchgreifen. Deshalb werde die Bundespolizei die örtliche Polizei unterstützen, kündigte Faeser an. Die Koordination liegt ihren Angaben zufolge im Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) warnte jedenfalls vor einer Verharmlosung der Szene um Lina E. „Man muss annehmen, dass es sich um ein Netzwerk handelt“, sagte der Politiker. Denn es gebe eine erkennbare Struktur. Zwei oder drei Personen allein reichten nicht aus, um gegen politische Gegner vorzugehen. Die Taten seien professionell vorbereitet gewesen.
Linksextremismus ignoriert: Union wirft Faeser Versagen vor
Bei der Union übt man aber trotzdem Kritik. Nach Erkenntnissen des Bundesverfassungsschutzes habe sich die linke Szene in den vergangenen zwei Jahren radikalisiert, sagte Unionspolitiker Breilmann. Doch statt den Linksextremismus verstärkt ins Auge zu fassen, habe sich Faeser vor allem einseitig nur dem Kampf gegen Rechtsextremismus verschrieben. Doch es brauche einen umfassenderen Blick auf Extremismus, sagte der CDU-Politiker und fordert zur Bekämpfung des Islamismus eine stärkere Telefon- und Datenüberwachung. Und innerhalb der linksextremistischen Szene müsste die Finanzierung unter die Lupe genommen werden. (jkf)