Marine Le Pen: So könnte sie heute die Wahl in Frankreich gewinnen

Paris - Kann Marine Le Pen heute die Wahl in Frankreich gewinnen? Ja, sagt ein Experte, der schon Donald Trumps Sieg vorhersagte. So könnte Le Pen gewinnen.
Update vom 7. Mai 2017: Emmanuel Macron und Marine Le Pen gehen am heutigen Sonntag in die Stichwahl um das Präsidentenamt. Alle Informationen finden Sie im Live-Ticker zur Wahl 2017 in Frankreich.
Bei der Wahl 2017 in Frankreich gibt es einen klaren Favoriten: Emmanuel Macron. In allen Umfragen kommt er auf Werte um die 60 Prozent. Die absolute Mehrheit scheint ihm eigentlich sicher. Eigentlich. Seit dem Brexit und der Wahl Donalds Trumps zum US-Präsidenten - die laut Umfragen auch unwahrscheinlich waren - ist das Vertrauen in die Demoskopie allenthalben stark gesunken. Aber trotzdem: Stehen die Chancen für Marine Le Pen, als nächste Präsidentin Frankreichs ins Elysée einzuziehen, nicht noch schlechter als bei den Abstimmungen in Großbritannien und den USA? Immerhin hat Emmanuel Macron Unterstützer von Links bis Konservativ hinter sich versammelt. Oder einfacher ausgedrückt: Alle Parteien bis auf den Front National von Marine Le Pen. Dass Marine le Pen die heutige Wahl doch noch gewinnen kann, scheint also ein Ding der Unmöglichkeit.
Mitnichten, meint der Soziophysiker Serge Galam, der bereits den Wahlsieg von Donald Trump voraussagte. Der Experte am Politischen Forschungszentrum CEVIPOF betont im Hinblick auf die Wahl 2017 in Frankreich: „Die Nichtwähler könnten Marine Le Pen den Sieg bringen.“ Er weist daraufhin, dass viele wahlberechtigte Franzosen zwar einen Sieg von Marine le Pen verhindern wollen. Allerdings sei Macron für viele absolut kein idealer Kandidat. „Macron wird von vielen mit der Regierung Hollandes und dem Kapitalismus in Verbindung gebracht und stößt deshalb auf Ablehnung“, sagt Galam im Interview mit der Wiener Zeitung. Die möglich Folge: Aus Frust geben viele Wähler keinem der beiden Kandidaten die Stimme, indem sie sich enthalten oder ihren Stimmzettel ungültig machen. Und diese Nichtwähler könnten Marine le Pen heute zur Präsidentin machen, meint Galam. „Ja, sie könnten Le Pen den Sieg bringen, wenn sich vor allem jene Wähler enthalten, die angegeben haben, für Le Pens Gegner zu stimmen. Die Wählerschaft von Marine Le Pen ist entschlossen und sehr motiviert. Jene, die angeben, für sie zu stimmen, werden das auch tun. Dieses Ungleichgewicht in der Wahlenthaltung kann Le Pens Sieg möglich machen.“
Und Galam rechnet vor. wie Le Pen den Umfragen zum Trotz heute gewinnen könnte: „Wenn die Wahlabsicht für Le Pen etwa bei 42 Prozent liegt und 90 Prozent diese Absicht wahr machen, dann müssten mehr als 65,17 Prozent jener Wähler, die angeben, für den Gegenkandidaten zu stimmen, das auch wirklich machen, damit dieser gewinnt. Und das ist nicht sicher. Ich sage also nicht, dass Le Pen gewinnen wird. Aber ich sage, die Möglichkeit ist gegeben.“
Damit Marine Le Pen heute die Wahl gewinnt, müssten viele Wähler der im ersten Wahlgang unterlegenen Kandidaten heute für sie stimmen. Die meisten dieser Kandidaten - etwa Francois Fillon und Benoit Hmaon - haben Wahlempfehlungen für Macron abgegeben. Der Konservative Nicolas Dupont-Aignan hingegen hat zur Wahl von Marine Le Pen aufgerufen. Linskaußen-Kandidat Jean-Luc Mélenchon bat seine Wähler lediglich, nicht für Le Pen zu stimmen. Und so sagt auch der französische Journalist und Autor Gérard Foussier im Interview mit der Deutschen Welle: „Bei allen Erfahrungen der vergangenen Monate mit den Prognosen der Umfrageinstituten bleibt Vorsicht geboten. Zwar behält Macron die besten Chancen, die Stichwahl zu gewinnen. Dennoch sind bei den unberechenbaren, französischen Wählern immer Überraschungen möglich. “
Eine Alternative: Marine Le Pen kann die Wahl in Frankreich gewinnen - aber erst 2022
Und dann gibt es noch eine weitere Möglichkeit: Marine Le Pen verliert die heutige Stichwahl - geht aber gestärkt in die nächste Präsidentschaftswahl, wenn Emmanuel Macron keinen Erfolg hat. Das betont etwa der Politologe Hans Stark
im Interview mit der Süddeutschen Zeitung
. „Wenn die Wahl Macrons zu einer Lähmung führt in der Innenpolitik, wenn es ihm nicht gelingt, eine agierende Mehrheit hinter sich zu versammeln, die Reformen durchsetzt, wären das weitere fünf verlorene Jahre - und dann muss man davon ausgehen, dass die Populisten als Nächstes die Macht übernehmen.“
Und dann gäbe es noch eine weitere Le Pen, die dann als Präsidentin kandidieren könnte: Marion Maréchal Le Pen, die Nichte von Marine Le Pen. Sie wäre 2022 möglicherweise das neue Gesicht des Front National.
Rechtsradikal? Rechtspopulistisch? Nationalkonservativ? Wofür stehen Marine Le Pen und der Front National?
Seit die 47-jährige Marine Le Pen den Front National Anfang 2011 übernahm, verzeichnet die Partei ein starkes Wahlergebnis nach dem anderen. Ihre Strategie: Um bürgerliche und konservative Wähler zu erreichen, führte sie die Rechtsaußen-Partei Front National in Richtung Mitte: Hin zu Demokratie und Laizismus und weg von Rassismus und Antisemitismus. Sie selbst nannte den Kurs "Entteufelung" (dédiabolisation). Der FN sollte nach ihren Worten "weder links noch rechts" sein, sondern eine Alternative für enttäuschte Wähler aller Parteien. Seit sie Vorsitzende ist, verzeichnet die Partei fast viermal so viele Mitglieder wie unter ihrem Vater.
(Die aktuellen Entwicklungen finden Sie im Live-Ticker zur Wahl 2017 in Frankreich.)
À propos Vater: Höhepunkt der "Entteufelung" war im Sommer 2015 der Rauswurf ihres Vaters Jean Marie Le Pen, der schon mal die Gaskammern der Nazis verharmlost hatte und den Holocaust als „Detail der Geschichte“ kleinredete. Le Pen Senior erklärte daraufhin in französischen Medien, dass er „verstoßen“ worden sei und er es für einen Skandal halte, wenn seine Tochter jemals Präsidentin werden solle. Marine Le Pen solle sich stattdessen lieber wieder verheiraten, damit sie nicht mehr seinen Familiennamen trage. Ein Familienzoff, den keine Daily Soap besser inszenieren könnte. Immerhin bewies Marine Le Pen mehr Konsequenz als ein Alexander Gauland, der in der AfD den braunen Rand (Stichwort: Björn Höcke) duldet.
„Rassisten, die in den Front National kommen, haben sich in der Partei geirrt“, betonte sie 2013 im Interview mit dem deutschen Politik-Magazin Cicero. „Wir definieren uns nicht über die Rasse oder die Hautfarbe, sondern nach der Nationalität.“ Sie selbst positionierte sich deutlich gegen Antisemitismus und verurteilte den Holocaust klar. Dieser Kurs zahlte sich aus. „Paradoxerweise wählen immer mehr Juden die Partei“, stellte die Jüdische Allgemeine vor zwei Jahren fest. Der Grund: „Sie sehen in ihr einen Schutz gegen radikale Islamisten.“ In einigen französischen Städten gebe es Juden, die bei den Wahlen nicht nur für den Front National stimmen, sondern sogar für die Partei kandidieren, stellt die Zeitung fest. „Sie sehen im Front National diejenige Kraft im Land, die den radikalen Islamismus am wirksamsten bekämpft.“
Und der österreichische Standard erklärte Le Pens Erfolg vor dem ersten Wahlgang so: „Die Gründe für ihren Aufstieg haben viel mit ihrer Neuerfindung des Front National zu tun. Sie hat es geschafft, dem rechtsextremen Ghetto zu entkommen – mit einer großen Strategie, geformt von ihrem Verbündeten Florian Philippot. Diese zielt darauf ab, die Anziehungskraft auf Gruppen auszuweiten, die es bisher vermieden hatten, Le Pen zu wählen (insbesondere Beamte, Frauen und Katholiken).“
Allerdings bleibt der Front National auch unter Marine Le Pen ein Familienunternehmen: So besetzen ihr Lebensgefährte und ihre Nichte besetzen wichtige Parteiämter.
Manche Politikwissenschaftler mutmaßten in der Vergangenheit sogar, dass Marine le Pens Fernziel die Vereinigung des Front National mit dem rechten, gaullistischen Flügel der „Republikaner“ von Francois Fillon sei. So wie es schon die Alleanza Nazionale in Italien vormachte, die sich von einer neofaschistischen hin zu einer konservativen Partei wandelte.
Der zweite Wahlgang in Frankreich wird zeigen, ob Marine Le Pens Liberalisierung des Front National ihre Chancen auf das Präsidentenamt vergrößert. Konkret: Indem bürgerliche Wähler ihr Kreuz beim Front National machen. Als ihr Vater Jean Marie Le Pen 2002 völlig überraschend gegen Jacques Chirac in die Stichwahl kam, verlor er diese krachend mit nur 17 gegenüber 83 Prozent der Stimmen. Damals stimmten so ziemlich alle Wähler von Linksaußen bis Konservativ für Chirac, um den faschistoiden Schmutzfinken Le Pen Senior im Elysée zu verhindern. Fünfzehn Jahre später könnte die weit seriöser auftretende Marine Le Pen in der Stichwahl etliche bürgerliche Wähler hinter sich bringen.
Allerdings: In der Mitte des politischen Spektrums ist der Front National auch unter Marine Le Pen nicht angekommen. Die Parteichefin vertritt mit ihrer markanten Reibeisen-Stimme viele Positionen, die gemeinhin als populistisch bezeichnet werden (hierzu gleich mehr). Was sie selbst aber kein bisschen stört. Im Interview mit Cicero erklärte sie: „Was heißt schon Populisten? Der Begriff soll uns als unseriös, verrückt abtun. Aber ich bin damit einverstanden, wenn Populismus ‚Regierung durch das Volk und für das Volk‘ meint.“ In diesem Interview verortete sie den Standpunkt des Front National folgendermaßen: „Der Front National steht für die Nation und gegen die Globalisierung ein. Das ist weder rechts noch links.“
Ross Douthat, konservativer Kolumnist der New York Times, sieht Marine Le Pen als Populistin im Stile von US-Präsident Donald Trump. Allerdings macht er einen „interessanten“ Unterschied in Sachen Populismus aus: „Ihr Populismus ist durchdachter, disziplinierter und häufiger auch zutreffend.“ Douthat konkretisiert das auch gleich: „Le Pens Pessimismus im Hinblick auf die Massenimmigration mag zu düster sein, aber er ist ein bitter nötiges Korrektiv für den Merkelismus und im europäischen Kontext viel vernünftiger als Trumps übertriebene Warnungen vor Flüchtlingen. Ihre Kritik an den Torheiten des Euro ist fast unwiderlegbar wahr. Ihre Partei zeigt, wie der Trumpismus aussehen könnte, wäre er etwas kohärenter. Und damit verantwortungsvoller, weil sie aktiv versucht hat, ihre Bewegung von jener giftigen Bigotterie zu distanzieren, die Trumps Wahlkampf ausgenutzt hat.“
Wie mächtig wäre eine Präsidentin Marine Le Pen?
Um diese Frage zu klären, muss man einen Blick auf die französische Verfassung werfen. Diese sieht nämlich nicht nur einen mächtigen Präsidenten (bzw. Präsidentin) vor, sondern auch einen vom Parlament gewählten Premierminister. Sollte Marine le Pen Präsidentin werden, dann müsste sie wohl mit einem aus dem anderen politischen Lager zusammenarbeiten. Diese Konstellation nennt man „Cohabitation“, was auf Deutsch „Zusammenleben“ bedeutet. Sollte Marine Le Pen im Elysée aufs Gas treten, könnte daraus ganz schnell ein Institutionen-Konflikt werden.
So einen Krach, der das Land lähmen kann, erwartet etwa der österreichische Standard: „Mit Parlament und Regierung gegen sie könnte die Rechtspopulistin nicht viel bewegen, weder den Euro verlassen noch Muslime des Landes verweisen. Das französische Präsidentenamt ist zwar mächtig, aber die Exekutivgewalt liegt doch zumeist bei der Regierung. Frankreich würde ungemütlicher werden, aber doch noch ein demokratischer Rechtsstaat und ein verlässlicher Partner bleiben. Allerdings könnte Le Pen die Regierung auf Schritt und Tritt behindern, Gesetze und Reformen blockieren, und den Premierminister dann für den daraus resultierenden Stillstand verantwortlich machen. Sie könnte aus dem Präsidentenpalast heraus effektive Oppositionspolitik betreiben.“ Somit wäre Marine Le Pen so etwas wie eine „Oppositionsführerin im Präsidentenpalast“.
Die nächsten Parlamentswahlen stehen im Juni an. Allerdings könnte Marine Le Pen auch zu einem für sie günstigen Zeitpunkt das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen. Etwa nach einem Terroranschlag. Dann ist es nicht ausgeschlossen, dass der Front National eine Mehrheit im Parlament bekommen könnte. So schreibt der Standard: „Wenn das innerhalb der nächsten fünf Jahre gelingt, wäre der Weg frei für eine Putinisierung oder Erdoganisierung Frankreichs – und die Zerstörung der EU. Möglich wäre allerdings auch, dass eine starke Anti-Le-Pen-Parlamentsmehrheit schon bald die Verfassung ändert und die Kompetenzen der Präsidentin zurechtstutzt.“
Präsidentin Marine Le Pen? Das sind ihre Ziele und ihr Wahlprogramm
Man kann Marine Le Pens politische Ziele recht einfach zusammenfassen: Protektionismus, Kritik an Kapitalismus und Globalisierung, EU-Kritik, Ablehnung einer multikulturellen Gesellschaft, Anti-Islamismus und Laizismus.
- Frexit und Austritt aus dem Euro: Marine Le Pen hält wenig bis nichts von der EU und vom Euro. Im Cicero-Interview sprach sie sich zwar für internationale Kooperationen aus. Die Europäische Union sieht sie aber als Diktatur: „Als Französin verteidige ich die Freiheit und die Souveränität Frankreichs. Aber ich habe keine Angst vor den anderen, ich bin für transnationale Kooperationen, wie Airbus oder die Ariane-Trägerrakete. Das funktioniert, im Unterschied zur Europäischen Sowjetunion. Im EU-Gefängnis dürfen wir gerade noch die Farbe des Fußabtreters bestimmen. Das will ich nicht.“
Die Konsequenz dieser Kritik ist natürlich die Forderung nach dem Austritt Frankreichs aus der EU und dem Euro. Der Direktor von Le Pens Wahlkampf-Hauptquartier, David Rachline, verkündete im Gespräch mit der regierungsnahen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, dass die Franzosen im Falle ihrer Präsidentschaft recht bald über einen „Frexit“ abstimmen sollen. „Marine Le Pen will, dass der Ausstieg aus der Europäischen Union mit unseren europäischen Partnern organisiert und durch ein Referendum sanktioniert wird, das zweifellos in der ersten Hälfte des Jahres 2018 stattfinden wird.“
Außerdem erläuterte Marine Le Pen im Cicero, warum vom Euro vor allem Deutschland profitiere - und Frankreich das Nachsehen habe: „Deutschlands Exporte profitierten von der Abwertung des Euro gegenüber der Mark, während der Euro für Frankreich zu stark war. Zudem kann Deutschland viele Produkte im osteuropäischen ‚Hinterland‘ billig herstellen lassen. Frankreich setzte dagegen, um sich günstig zu industrialisieren, fälschlicherweise auf eine massive Einwanderung.“
Wer sich ein Bild von Marine Le Pens EU- und Euro-Kritik machen will: Im Januar sprach sie in Koblenz bei einer Veranstaltung europäischer Rechtspopulisten mit dem Titel "Freiheit für Europa" (unter anderem mit Vertretern der AfD und FPÖ) ausführlich über die Thematik;
Nur: Die Chancen stehen derzeit eher so, dass die Franzosen in Sachen EU und Euro ein klares „Oui“ aussprechen: Kürzlich hatte das Meinungsforschungsinstitut Elabe im Auftrag der Zeitung „Echos“, des Radiosenders Radio Classique und des Montaigne-Instituts eine Umfrage durchgeführt. Ihr zufolge tritt die Mehrheit der befragten Franzosen (72 Prozent) gegen einen möglichen Austritt Frankreichs aus der Eurozone auf. Was die EU-Mitgliedschaft Frankreichs angeht, sehen 37 Prozent der Befragten darin mehr Negatives als Positives. Weitere 31 Prozent sind EU-Befürworter. 32 Prozent vertreten die Auffassung, dass die EU-Mitgliedschaft Frankreichs sowohl Vor- als auch Nachteile habe. Aber: Marine Le Pen hat auch bereits angekündigt, dass sie als Präsidentin in Brüssel eine Rückübertragung von "vier Souveränitätsrechten" an Frankreich aushandeln will: Geldpolitik, Gesetzgebung, Haushalts- und Wirtschaftspolitik sowie Grenzen.
- Partnerschaft mit Donald Trump und Wladimir Putin - Ärger für Angela Merkel: Zwischen Washington und Paris gab es hin und wieder Eiszeiten. So zum Beispiel unter den Präsidenten Chirac und Bush. Auch Francois Hollande ist alles andere als ein Fan von Donald Trump. Unter einer Präsidentin Marine Le Pen dürften sich die Bezieungen zwischen dem Elysée und dem Weißen Haus stark verbessern. Auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin hat sie sich bereits getroffen. Auch wenn es unter einer Präsidentin Marine Le Pen keinen EU-Austritt gibt, dürfen sich die EU-Partner auf eine Außenpolitik einstellen, bei der in erster Linie die Interessen Frankreichs vertreten werden. Und für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könnte es sehr unangenehm werden. Sie könnte sich mit einer starken Allianz Paris-Washington-Russland konfrontiert sehen.
- Einwanderung drastisch beschränken: Marine Le Pen positioniert sich klar gegen eine multikulturelle Gesellschaft. Sie fordert eine klare Anpassung aller Immigranten an die französische Kultur. Wie sie laufend betont, schade die Einwanderung gleichermaßen der Gesellschaft und der Wirtschaft. Im Cicero-Interview antwortet sie auf den Einwand, dass Frankreich auch von Immigranten wie Fußballstar Zinedine Zidane profitiere, so: „Bloß kommen auf einen Zidane hunderttausend andere, die ohne Arbeit in Frankreich leben und für die wir aufkommen müssen. Gehen Sie mal nach Barbes (ein Pariser Einwandererviertel, die Red.)! Wenn Sie lebend zurückkommen, werden Sie eingesehen haben, dass dort Leute leben, die nicht einmal Französisch sprechen, die ihren Platz nicht finden und arbeitslos sind.“ Der Front National wirbt schon seit langem für einen Zuwanderungsstopp. Konkret soll das Migrationssaldo - also Einwanderung minus Auswanderung - von derzeit rund 40.000 pro Jahr auf 10.000 gesenkt werden. Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung sollen leichter abgeschoben werden, das französische Staatsbürgerrecht soll restriktiver werden.
- Scharfer Kurs bei Sicherheit und Anti-Terror-Kampf: Der Front National fährt traditionell einen scharfen sicherheitspolitischen Kurs. Le Pen will 15.000 neue Polizisten einstellen, Problemvorstädte "entwaffnen" und die Kontrolle über "rechtsfreie Zonen" wiedererlangen. Das Strafrecht soll nach dem Motto "Null Toleranz" verschärft werden, außerdem will Le Pen 40.000 neue Plätze in Gefängnissen schaffen. Im Kampf gegen den Islamismus sollen Moscheen mit radikalen Predigern geschlossen und mutmaßliche ausländische Gefährder abgeschoben werden.
- Todesstrafe via Volksentscheid? Marine Le Pen befürwortet die Todesstrafe. Die Wiedereinführung der 1981 in Frankreich abgeschafften Kapitalstrafe hat sie zwar als Forderung aus ihrem Wahlprogramm gestrichen; stattdessen will sie als Präsidentin bei besonders schweren Straftaten lebenslange Gefängnisstrafen ohne Aussicht auf Haftentlassung. Eine Hintertür lässt die Front-National-Chefin aber offen: Sie will Volksinitiativen in Frankreich einführen - und regt an, dass die Franzosen auf diesem Weg eine Rückkehr zur Todesstrafe beschließen könnten.
- Franzosen zuerst und Wirtschaftsprotektionismus: Marine Le Pen will in der Verfassung das Prinzip der "nationalen Priorität" verankern - Franzosen sollen den Vorzug beispielsweise bei Arbeitsplätzen und Sozialwohnungen erhalten. Die kriselnde Wirtschaft soll mit "intelligentem Protektionismus" und "Wirtschaftspatriotismus" aufgerichtet werden. So sollen französische Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz geschützt und bei öffentlichen Aufträgen bevorzugt werden. Freihandelsabkommen lehnt die Front National ab. Importierte Waren und Dienstleistung sollen mit einer Sondersteuer von drei Prozent belegt werden. Mit dem Geld soll eine Prämie für Geringverdiener und Rentner finanziert werden - zwei wichtige Zielgruppen der Front National.
fro (mit Material von AFP)