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„Marionetten“: Hier finden Sie den umstrittenen Text des Songs von Xavier Naidoo

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Schon wieder wegen Rechtspopulismus in Kritik: Xavier Naidoo.
Schon wieder wegen Rechtspopulismus in Kritik: Xavier Naidoo. © picture alliance / dpa

Mannheim - Etliche Medien haben „Marionetten“, den neuen Song der Söhne Mannheims, verrissen. Hier finden Sie Text und Lyrics des umstrittenen Liedes von Xavier Naidoo.

Update vom 10. Oktober 2018: TV-Hammer: Neben Dieter Bohlen und Pietro Lombardi wird Xavier Naidoo in der neuen DSDS-Jury sitzen.

Die Popgruppe „Söhne Mannheims“ starten eine Tour, mit im Gepäck haben sie auch den Song „Marionetten“. Dieses Lied sorgt für heftige Kritik, da es mit radikaler Wortwahl massiv Politiker angreift. Manche werfen der Band darüber hinaus vor, sie würde zu Gewalt aufrufen.

Söhne Mannheims „Marionetten“: Der Text und die Interpretation

Xavier Naidoo äußert sich mit dem Songtext kritisch gegenüber der politischen Elite, das ist kaum zu überhören - und natürlich legitim. Liest man den Text genauer und beschäftigt sich mit dem darin verwendeten Vokabular, geben allerdings rechtspopulistische Tendenzen zu denken:

„Wie lange noch wollt ihr Marionetten sein; Seht ihr nicht, ihr seid nur Steigbügelhalter; Merkt ihr nicht, ihr steht bald ganz allein; Für eure Puppenspieler seid ihr nur Sachverwalter“, singt Xavier Naidoo in seinem neuen Song „Marionetten“. 

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Ohne Hintergrundinformationen wird aus der ersten Strophe von „Marionetten“ noch nicht deutlich, was mit dem Liedtext gemeint ist: Wer sind die Marionetten, wer die Steigbügelhalter? Indirekt könnte diese harmlos wirkenden Passage jedoch ein altes antijüdisches Vorurteil enthalten - darauf weist unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung hin. Das Bild des jüdischen „Puppenspielers“, der die Fäden im Hintergrund zieht, ist schließlich ein bekanntes Element des Antisemitismus. Die Bundeszentrale für politische Bildung warnt, dass „Verschwörungstheorien, die Juden Macht und Einfluss in der Finanz- oder Medienwelt“ zuschreiben, häufig nur unterschwellig und teilweise auch unbewusst transportiert würden. Möglicherweise ist dies auch hier der Fall.

„Und weil ihr die Tatsachen schon wieder verdreht; Werden wir einschreiten; Und weil ihr euch an Unschuldigen vergeht; Werden wir unsere Schutzschirme ausbreiten; Denn weil ihr die Tatsachen schon wieder verdreht; Müssen wir einschreiten; Und weil ihr euch an Unschuldigen vergeht; Müssen wir unsere Schutzschirme ausbreiten“, gehen die Lyrics von „Marionetten“ weiter. 

Verdrehte Tatsachen? Das klingt verdächtig nach einer Anspielung auf Worte wie „Lügenpresse“, also den Vorwurf gesteuerter Medien. In den vergangenen Monaten hat dieser Begriff zum Beispiel bei Pegida-Anhängern ein Revival erlebt. Ursprünglich stammt der Begriff „Lügenpresse“ aus dem ersten Weltkrieg - damals betitelte man die Medien der Feindstaaten mit dem Wort. In der NS-Zeit benutzte das Propagandaministerium „Lügenpresse“ allerdings für Hetze gegen Kommunisten und Juden.

„Aufgereiht und scheiternd wie Perlen an einer Perlenkette; Geht eine Matroschka weiter, ein Kampf um eure Ehrenrettung; Ihr seid blind für Nylon und Fäden an eueren Gliedern und; Hat man euch im Bundestag, ihr zittert wie eure Gliedmaßen; Alles nur peinlich und so was nennt sich dann Volksvertreter; Teile eures Volks - nennt man schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter; Alles wird vergeben, wenn ihr einsichtig seid; Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür, dass ihr einsichtig seid; Mit dem zweiten sieht man besser“, lautet eine weitere Strophe des umstrittenen Songs. 

Zu Beginn spielen die Musiker wohl wieder auf das Marionetten-Bild der ersten Strophe an, einige Teilsätze bleiben jedoch unklar und wirr. Dafür tritt der Rechtspopulismus im zweiten Teil des Textes immer deutliche zu Tage: „Volksverräter“ ist ein weiterer Slogan, der mit der rechten Szene in Verbindung gebracht wird. „Volksverräter“, riefen auch die Demonstranten in Dresden - und meinten damit die Merkel-Regierung. Diese Passage des Songs „Marionetten“ deutet dagegen an, dass die Regierung Teile der Bevölkerung als „Volksverräter“ bezeichnet. „Der Begriff 'Volksverräter' ist eine Ableitung von 'Volksverrat'", erklärt die Sprachwissenschaftlerin Dr. Andrea-Eva Ewels gegenüber Spiegel Online. "Ein Straftatbestand, der sich erstmals in den Gesetzen des Nazi-Systems findet." Historisch bedenklich. Doch das war noch nicht alles: In den Lyrics wird auch mit dem Bauern mit der Forke, also der Mistgabel, gedroht. Damit sollen die Volksvertreter zur Einsicht gebracht werden. Kritiker wollen darin einen Aufruf zur Gewalt gegen Politiker sehen - die in Deutschland immerhin demokratisch gewählt sind. „Das Lied ist kein Aufruf zur Gewalt, es ist ein Aufruf zum Dialog“, verteidigt Band-Mitglied Rolf Stahlhofen dagegen den eigenen Song.

„Wir steigen euch aus Dach und verändern Radiowellen; Wenn ihr die Tür nicht aufmacht, öffnet sich plötzlich ein Warnung; durchs Fenster; Vom Stadium zum Zentrum eine Wahrheitsbewegung; Im Name des Zetters erstrahlt die Neonreklame im Regen; Zusammen mit den Söhnen werde ich Farbe bekennen; Eure Parlamente erinnern mich stark an Puppentheater; Ihr wandelt an Fäden wie Marionetten; Bis wir euch mit scharfer Schere von der Nabelschnur Babylons trennen!; Ihr seid so langsam und träge; Es ist entsetzlich; Denkt, Ihr wisst alles besser; Und besser geht‘s nicht, schätz ich; Doch wir denken für euch mit und lieben euch als Menschen; Als Volks-in-die-Fresse-Treter, stößt Ihr an unsere Grenzen; Und etwas namens Pizzagate gibt‘s ja noch auf der Rechnung; Bei näherer Betrachtung steigert sich doch das Entsetzen; Und wenn ich nur einen in die Finger bekomme; Dann zerreiß ich ihn in Fetzen; Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragraphen und Gesetzen“, geht der Skandal-Text weiter - und wird immer kruder. 

Klar kommt aber heraus, dass unsere demokratischen Parlamente als „Puppentheater“ bezeichnet werden. Doch erneut stellt sich die Frage: Von wem werden sie gelenkt? Bei solchen Anspielungen fühlt man sich fast unvermeidlich an Xavier Naidoos Auftritt im Morgenmagazin 2011 erinnert. Da einer seiner Songs „Freiheit“ heißt, fragten die Moderatoren den Sänger, ob er sich in Deutschland frei fühle. „Aber nein, wir sind nicht frei, wir sind immer noch ein besetztes Land! Deutschland hat keinen Friedensvertrag und ist dementsprechend kein echtes Land und nicht frei“, antwortete er darauf. Seitdem wird er immer wieder mit den sogenannten Reichsbürgern in Verbindung gebracht. Am Tag der Deutschen Einheit wetterte er zum Beispiel im Berliner Regierungsviertel über die von den USA besetzte Bundesrepublik und rief zum Widerstand auf. Die Zuschauer beklatschten den Sänger dafür. Möglicherweise sind es also auch die Amerikaner, die Naidoo mit „Puppenspieler“ meint. 

Ein weiteres Stichwort in dem Liedtext, das für heftige Kritik sorgt, ist das „Pizzagate“. Dabei handelt es sich erwiesenermaßen um eine Falschmeldung, die Hillary Clinton im us-amerikanischen Wahlkampf mit einem Kinderpornoring in Verbindung brachte. Wie Buzzfeed nachzeichnet, gingen die Gerüchte von einem Neonazi-Twitter-Account aus. Die Verschwörungstheoretiker behaupteten, dass sich in den E-Mails Codewörter befänden. Es gab weder Beweise, noch Zeugen. Schließlich führte die Falschmeldung sogar zu einer Schießerei. Das berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Xavier Naidoo „Marionetten“: Das Lied im Video

„Marionetten“ von Xavier Naidoo: Das sagen Politik und Medien zu den Lyrics

Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche Medienvertreter den neuen Song der Söhne Mannheims heftig kritisiert. So kommentierte Nikolaus Blome, stellvertretender Chefredakteur der Bild: „Wenn das Kunst ist, dann ist es ziemlich braune Kunst. Hetzerisch, vergiftet, es ist ein fürchterlicher Text. Ein Text zum Fürchten.“ Der Westen titelte derweil: „Spinnt Xavier Naidoo jetzt völlig?“ Und auch Katharina Schneider, Autorin bei der Huffington Post, findet: „Was Naidoo da singt, zeigt, dass er jetzt wirklich zu einer untragbaren Gestalt im deutschen Musik-Geschäft geworden ist - und dabei ist, vollkommen durchzudrehen.“

Satiriker Jan Böhmermann hat sich ebenfalls in den Streit um den Song „Marionetten“ der Söhne Mannheims eingeschaltet. In einer

- nur mit anderem Text. Zum Beispiel veränderte den Hit „Und wenn ein Lied“ folgendermaßen: „Und wenn ein Lied meine Lippen verlässt, dann nur damit du Wahrheit erfährst - Der Jud ist schuld, es steht zu hundert Prozent fest - ich sag nur Rothschild, schaut mal im Netz.“ Aus dem Song-Titel „20.000 Meilen über dem Meer“ wird bei Jan Böhmermann „20.000 Chemtrails über dem Meer“. Chemtrails-Verschwörungstheoretiker behaupten, dass Regierungen Stoffe versprühen, um Menschen zu vergiften. Als Beleg werden die von Flugzeugen verursachten Kondensstreifen am Himmel angeführt.

Radio Bremen Vier hat die Zusammenarbeit mit den Söhnen Mannheims aufgekündigt. Auf der Homepage des Senders schreibt Helge Haas, Chef von Radio Vier, zu dem Songtext: „Das kann man alles so in Songs ausdrücken und veröffentlichen - das ist aber so weit von den Werten entfernt, die wir mit Bremen Vier vertreten, dass wir diese Künstler und ihre Konzerte nicht präsentieren wollen.“ Ursprünglich waren zwei Kooperationen mit Xavier Naidoo geplant. Auf eine Anfrage der Deutschen Presse Agentur erklärte der Bremen-Vier-Chef, dass die Berichterstattung über die Konzerte unabhängig von der Absage der Kooperation sei. Eine Präsentation ähnle jedoch einer Empfehlung. „Und die wollen wir angesichts der Aussagen in „Marionetten“ nicht mehr aussprechen.“ 

Der Radiosender NDR 2 zog wenige Tage später nach - und sagte die Präsentation eines Festivals am 26. Mai in Hannover ab. „Einige Textpassagen des Songs „Marionetten“ aus dem neuen Album der Söhne Mannheims passen einfach nicht zu NDR 2“, erklärte Programmchef Torsten Engel auf der Homepage des NDR.

In Rosenheim geht derweil der Streit um einen geplanten Auftritt von Naidoo weiter. Das Aktionsbündnis „Kein Hass auf Rosenheims Bühnen“ forderte Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer auf, den Sänger von einem städtischen Festival am 20. Juli auszuladen. Das berichtet zum Beispiel rosenheim24.de.

Sogar Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) äußerte sich zu dem umstrittenen Song. Am Rande einer Ausstellung in Mannheim sagte er laut der Deutschen Presse Agentur: „Von allen, die sich betätigen, ob in der Kunst oder in der Politik, wünsche ich mir, dass sie die Würde des anderen respektieren, dass man ordentlich miteinander umgeht. Alles andere führt ins Elend, und das zeigt auch die Debatte um dieses Lied.“ Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff kritisierte den „Marionetten“-Song in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen noch heftiger: „Er begibt sich in die Nähe von Totengräbern der Demokratie, in die Nähe des Hasses", sagte Wulff. Xavier Naidoo werde seiner Verantwortung als erfolgreicher Musiker nicht gerecht.

Die Stadt Mannheim ist von dem neuen Lied „Marionetten“ der Söhne Mannheims überhaupt nicht begeistert. Die Stadtführung warf der Pop-Band vor, „anti-staatliche Aussagen“ zu verbreiten. Bisher hat die Stadt Mannheim eng mit den beliebten Söhnen kooperiert. Wie die Deutsche Presse Agentur berichtet, arbeiten beide aktuell bei Kulturprojekten zur Erfindung des Fahrrads vor 200 Jahren in Mannheim zusammen. 

Söhne Mannheims und Xavier Naidoo verteidigen den Text ihres Songs „Marionetten“

Die Pop-Band hält der Kritik entgegen: „Ich verstehe das Lied als Appell zum Nachdenken darüber, dass Politik oft missbraucht wird. Und da wollen wir - mit zugegeben überzeichneten Worten - aufrufen, etwas dagegen zu tun“, sagte Sänger Henning Wehland der Deutschen Presse-Agentur. 

2015 stritt der Sänger Xavier Naidoo im Stern-Interview auch ab, Verschwörungstheorien anzuhängen: „Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, ich bin Wahrheitssuchender“, sagte er damals. Außerdem gab er an, keiner Partei nahe zu stehen, betonte allerdings: „Die NPD kann ich nicht ernst nehmen, und ihre Thesen lehne ich strikt ab.“

Der Sänger Heinz-Rudolf Kunze hat Xavier Naidoo in der Leipziger Volkszeitung ebenfalls in Schutz genommen: Naidoo sei kein besonders kompetenter politischer Sänger, sagte Kunze der Deutschen Presse Agentur zufolge. „Sobald er sich in politisches Fahrwasser begibt, halte ich ihn für einen ziemlichen Wirrkopf, aber nicht für einen Neonazi.“ 

Ein weiterer Unterstützer Naidoos ist der Kabarettist Michael Mittermeier. Er bezeichnete die Kritik auf Facebook als „Hexerjagd“ (sic!). Weiter schreibt er, der Song sei „schlimmstenfalls ein mittelmäßiger Kabarett-Text“. Zwar teile er nicht alle Ansichten Naidoos, habe ihn als Freund aber „als ewig Suchenden erlebt“.

So verlief das Treffen der Söhne Mannheims mit der Stadtspitze

Inzwischen haben sich die Söhne Mannheims mit der Stadtspitze von Mannheim zu einem Gespräch getroffen. Sie diskutierten drei Stunden lang in einem Büroturm am Neckar, berichtet die Deutsche Presse Agentur. Die Teilnehmer des Treffens sprachen danach von einem „intensiven Gespräch“. Sogar Tränen sollen geflossen sein, es habe tröstende Umarmungen gegeben. 

Die Stadt bezeichnete das Gespräch als offen und ernsthaft. Peter Kurz, Oberbürgermeister von Mannheim, sagt, dass wichtige Punkte geklärt seien worden: „Das rechtsextreme Spektrum feiert den Song - da hat die Gruppe im Gespräch glaubhaft gemacht, dass sie auf dem Boden von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht.“ Kurz fügte hinzu, er habe den Eindruck, dass sich die Band „so klar wie nie zuvor“ mit den gesellschaftspolitischen Wirkungen ihrer Musik auseinandersetzt. Über weitere Projekte mit den Söhnen Mannheims will er laut der Deutschen Presse Agentur vorerst keine Prognosen abgeben. Gemeinsame Aktionen seien derzeit ohnehin nicht geplant. In Mannheim hieß es, das Vertrauen sei zwar nicht zerstört, aber angeknackst, fasst die Deutsche Presse Agentur zusammen.

Xavier Naidoo selbst hat sich nach dem Treffen auf Facebook zu seinem Song „Marionetten“ geäußert. Er schrieb, es sei „schade, dass in der Diskussion über diesen Song teilweise Unterstellungen wiederholt werden, zu denen es meinerseits zahlreiche Klarstellungen und unmissverständliche Dementis gab.“ Naidoo bezeichnet das Lied als zugespitzt und spricht von möglichen Missverständnissen. Er betont: „Die Söhne Mannheims und ich stehen für eine offene, freiheitliche, liberale und demokratische Gesellschaft, in der viele Kulturen gemeinsam zusammenleben und in der es allen Menschen möglichst gut geht.“ Außerdem widerspricht Naidoo der Instrumentalisierung seiner Musik durch politische Gruppierungen.

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bau

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