„Hunderttausendfach“ versagt: Asylpolitik in Deutschland bei „Lanz“ durch die Mangel gedreht

„Markus Lanz“ nimmt mit seinen Gästen Deutschlands Flüchtlingspolitik der jüngeren Vergangenheit unter die Lupe und legt dabei den Finger in die Wunde.
Hamburg – „Markus Lanz“ bezeichnet die Flüchtlingspolitik als das bestimmende Thema des vergangenen Jahrhunderts. Dennoch trat FDP-Politiker Joachim Stamp erst im Februar 2023 seinen Job als Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migrationsabkommen an. Zuvor gab es diesen Posten nicht. Der Moderator will wissen, warum die Politik dieser Aufgabe bis vor Kurzem so wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.
In Stamps Augen ist das Problem stets durch andere Krisen – wie jetzt dem Ukraine-Krieg – in den Hintergrund gedrängt worden. Gleichzeitig gibt er zu, dass die verfehlte Asylpolitik ein früheres Handeln erfordert hätte. „Wir haben die Dinge jahrzehntelang liegen lassen“, sagt der 52-Jährige.
Lanz wird deutlicher: „Haben wir versagt?“ Juristin Seyran Ateş sieht den Grund dafür im fehlenden Willen der Politik, etwas an der derzeitigen Lage zu ändern. Kristin Helberg stimmt ihren Vorrednern zu. Laut der Nahost-Expertin hat Deutschland „hunderttausendfach“ versagt, als es darum ging, den Migranten Arbeit zu vermitteln und ihnen unsere Sprache näherzubringen.
Debatte bei „Markus Lanz“: Politik sollte Probleme bei Abschiebungen klarer benennen
Stichwort Sprache: Der Moderator fragt, warum Politiker statt von Abschiebungen lieber Wörter wie Rückführungen verwenden würden. Damit würde das Thema wieder verharmlost werden. Ateş sieht darin auch ein Problem. Menschen wie sie, die die fehlende Integration einiger Ausländer anspräche, seien aus diesem Grund schon als „Rassistin“ diffamiert worden.
Journalist Martin Machowecz erkennt in der Rhetorik der Politiker den Versuch, die eigene Wählerschaft nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen. Er hält diese Vorgehensweise allerdings für nicht zielführend.
„Markus Lanz“: Sonderbevollmächtigter kennt Zahl der nötigen Abschiebungen nicht
Um dem Publikum einen Überblick zu verschaffen, will Lanz von Stamp wissen, wie viele Menschen momentan abgeschoben werden müssten. Der Angesprochene kann nach eigener Aussage keine Zahl nennen, weil die Datenlage zu unsicher sei. Der Gastgeber fragt dann, wie es zu einer Abschiebungsoffensive kommen solle, wenn nicht einmal bekannt sei, wer gehen müsse.
Machowecz ist der Meinung, der Debatte um die Ausweisungen werde sowieso zu viel Bedeutung beigemessen, weil die Abschiebungen nicht alle Probleme lösen würden. Die Verantwortlichen sollten die Neuankömmlinge hingegen schon an der EU-Grenze registrieren. Helberg setzt sogar noch eher an, um den Schleppern das Handwerk zu legen: Sie will Asylverfahren in den Herkunftsländern einleiten. Die Migranten könnten sich so zunächst mit der neuen Kultur und der neuen Sprache vertraut machen, bevor sie legal nach Deutschland kommen.
Markus Lanz hakt nach: Was solle mit straffälligen Ausländern geschehen, die ihre Strafe abgesessen hätten, jedoch nicht abgeschoben werden könnten. Der Sonderbeauftragte Stamp klärt auf: Diese Menschen stünden als Gefährder unter besonderer Beobachtung. Die Runde erinnert ihn daran, dass die Täter in der Vergangenheit trotzdem häufig rückfällig geworden seien.
„Markus Lanz“ - das waren seine Gäste am 07. März
- Joachim Stamp, Politiker (FDP)
- Martin Machowecz, Journalist (Die Zeit)
- Kristin Helberg, Nahost-Expertin
- Seyran Ateş, Juristin
Fachkräfte-Integration wegen Bürokratie erschwert – Diskussion bei „Markus Lanz“
Mit Blick auf die Zahlen aus den Jahren 2015 und 2016 erwähnt Lanz, dass nur ein Drittel der Menschen aus Syrien inzwischen einer Arbeit in Deutschland nachgingen. Der Großteil von ihnen ist laut Helberg aber auch lediglich vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflohen. Sie hätten nie vorgehabt, sesshaft zu werden. Darüber hinaus sei den Fachkräften die Integration durch die deutsche Bürokratie erschwert worden.
Ateş, die sich stark in der Ausländerpolitik engagiert, geht auf Helbergs Ausführung ein und räumt mit der Vorstellung auf, dass die Mehrheit der Flüchtlinge Fachkräfte seien. Zudem hätten viele Menschen nach ihrer Ankunft erst einmal psychologisch betreut werden müssen.
Markus Lanz versteht nicht, wie eine Rekordmigration einer hohen Arbeitslosenquote gegenüber stehen könne. Helberg veranschaulicht aber, wie wenig Anreize der Staat im Niedriglohnsektor setzt. Flüchtlinge mit mehreren Kindern würden daher mehr Geld durch die Sozialleistungen erhalten.
Die studierte Politikwissenschaftlerin kritisiert darüber hinaus, dass arbeitswillige Menschen durch bürokratische Hürden ausgebremst würden. Die Behörden verlangen beispielsweise Dokumente wie Führerscheine, die die Flüchtlinge nicht mehr aus ihrem Heimatland nachgeschickt bekommen.
„Markus Lanz“: Stamp will Migrationsdruck mithilfe der Herkunftsländer minimieren
Machowecz begrüßt es, dass die Migranten, die mehrere Jahre in Deutschland leben und nicht abgeschoben werden können, nun mehr Hilfe bei der Suche nach Arbeit erhalten. Gleichzeitig warnt der Journalist vor der Wirkung auf zukünftige Flüchtende, die nur lange genug in Deutschland leben müssten, um bleiben zu dürfen.
Stamp will weitere Flüchtlingswellen vermeiden, indem er Partnerbeziehungen mit afrikanischen Ländern aufbaut. Dieser Prozess, der den Migrationsdruck deutlich senken soll, wird allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen.
„Markus Lanz“ – Das Fazit der Sendung
Trotz der enormen Relevanz hat es die Bundesregierung über Jahre versäumt, angemessen auf die Flüchtlingszahlen zu reagieren. Der Staat möchte nun mehr Konsequenz bei den Abschiebungen an den Tag legen, zum anderen soll der Dialog mit den Herkunftsländern intensiviert werden. Viel Neues gab es bei Markus Lanz nicht zu hören: Alte Probleme prallen auf altbekannte Lösungsansätze. (Kevin Richau)