Von Energiepreisen „in Ruin getrieben“: Nicht nur die Ärmsten in Not – Verband schlägt zu Weihnachten Alarm

Der VdK sieht in der Energiekrise viele Deutsche in Not – auch abseits der Hilfe-Empfänger. Bei IPPEN.MEDIA fordert Präsidentin Bentele große Steuer- und auch Renten-Schritte.
Berlin/München – Viele Menschen in Deutschland stehen vor einem kühlen Weihnachtsfest – jedenfalls was die Temperaturen in den Wohnzimmern angeht. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, warnt im Gespräch mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA eindringlich: Gerade Menschen, die noch nie Sozialleistungen bezogen haben, würden von den hohen Heiz- und Energiekosten „in den Ruin getrieben“. Sie fordert dringend einen „echten Härtefallfonds“ von der Regierung Olaf Scholz‘.
Kritik übte Bentele auch an Ungerechtigkeiten bei der Auszahlung der Hilfen. Die VdK-Präsidentin forderte Justierungen an der Mehrwertsteuer, zugleich aber auch eine Vermögensabgabe um die Kosten für die Staatskasse abzufedern. Abseits der Härten in der Energiekrise sieht sie die Ampel-Koalition allerdings auf einem positiven Wege.
„Heizkosten für weite Teile der Bevölkerung verheerend“: Bentele berichtet von herben Problemen
„Die Folgen der Rekordinflation und der explodierenden Heizkosten sind für weite Teile der Bevölkerung verheerend“, mahnte Bentele. Trotz „hilfreicher Entlastungen“ müssten sich viele Menschen „das Geld für Gas und Strom vom Munde absparen“. Das gelte bei weitem nicht nur für Empfänger von Transferleistungen. „Uns schreiben Mitglieder, die eine Rente von 1500 Euro und mehr bekommen und damit immer gut ausgekommen sind. Jetzt müssen sie einen Großteil davon für Energie ausgeben und können sich kaum noch das Essen leisten“, berichtete die VdK-Präsidentin aus ihrem Verband. Betroffen seien gerade Menschen knapp oberhalb der Grenze für die staatliche Grundsicherung.

Bentele rügte gleich mehrere aus ihrer Sicht unverständliche Regelungen bei den Energiehilfen – etwa, dass Gutverdiener 300 Euro Energiepauschale erhalten haben, Menschen in einer Umschulung aber nicht. Stark betroffen sei aber auch die Pflege: „Besonders enttäuschend ist für den VdK, dass der versprochene Inflationsausgleich beim Pflegegeld nicht umgesetzt wurde.“ Um 80 Prozent der Pflegebedürftigen kümmerten sich nahestehende Menschen, sagte Bentele. Sie warteten weiter auf eine große Pflegereform und echte finanzielle Entlastung, Plänen im Koalitionsvertrag zum Trotz, sagte die Sozialverbandschefin.
Energiekrise in Deutschland: Mehrwertsteuer, Härtefallfonds, Vermögensabgabe – VdK fordert Reformen
Im Namen des VdK äußerte Bentele einige sehr konkrete Forderungen zum Umgang mit der Krise:
- Mehrwertsteuer-Abschaffung für gesunde Lebensmittel: „Das auch am Ende des Jahres hier noch nichts passiert ist, obwohl sich schon im Sommer namhafte Politiker wie Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dieser Forderung des VdK angeschlossen haben, ist nicht nachvollziehbar“, kritisierte Bentele. Gerade Menschen mit wenig Geld gäben im Verhältnis viel für Essen aus.
- Härtefallfonds für alle von hohen Energie- und Heizkosten Betroffenen: „Wir brauchen ganz dringend einen echten Härtefallfonds, aus dem Menschen mit kleinen Renten und Einkommen schnell Hilfe erhalten. Sie können sich nämlich nicht den doppelten Preis für Strom, Gas und Öl leisten“, so Bentele.
- Klarer Mechanismus für Energiehilfen: „Es gibt bisher keinen staatlichen Mechanismus, um automatisch Leistungen gestaffelt nach dem Einkommen auszuzahlen“, betonte Bentele. Es seien aber gezielte Hilfen nötig.
- Vermögensabgabe zur Finanzierung der Hilfspakete: Bentele sieht Probleme auf Deutschland zukommen: „Sehr bald werden wir uns dann über die Finanzierung dieser Milliarden-Pakete unterhalten müssen“, erklärte sie gegenüber Merkur.de. „Und dann kommt auch die Vermögensabgabe wieder auf den Tisch. Für den Sozialverband VdK steht fest, dass die Mehrkosten dieser Energiekrise und der Coronakrise sozial gerecht verteilt werden müssen.“
Merkel-Scholz-Vergleich „schwierig“: Sozialverband ist aber froh über Entlastungspakete
Einen direkten Vergleich zwischen den Regierungen Scholz und Merkel bezeichnete Bentele angesichts der Umstände als „schwierig“. „Das Ende der Ära Merkel war geprägt von der Corona-Pandemie, die Kanzlerschaft von Olaf Scholz ist nach wie vor überschattet von den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine.“ Die VdK-Präsidentin hatte aber auch Lob für die Ampel parat. „Es gibt aber dennoch auch wieder andere politische Themen, die angepackt werden, beispielsweise Vorhaben wie die Krankenhausreform oder die Kindergrundsicherung.“
Auch andere Ampel-Projekte bewertete Bentele positiv. Etwa Zuschläge bei Erwerbsminderungsrenten oder den Mindestlohn – wenngleich dieser nach Ansicht der Sozialverbands-Präsidentin bei 13 Euro besser angesetzt gewesen wäre. Auch mit Blick auf die Energiekrise gelte: „Auch wenn der Winter für viele Menschen hart wird, ohne diese Entlastungspakete stünden wir noch viel schlechter da.“
Renten-Problem in Deutschland? VdK-Präsidentin fordert großen Schritt
Dafür sieht die VdK-Chefin neben einer großen Pflegereform eine Großbaustelle auf Olaf Scholz und sein Kabinett zukommen: Die Finanzierung der Rente. „Bereits von vergangenen Regierungen wurde versäumt, sich in den Jahren mit guten Einnahmen in den Sozialversicherungen und bei den Steuern auf schwierige Zeiten einzustellen und grundlegende Reformen anzugehen“, rügte Bentele.
Unter Wissenschaftlern und in der Bevölkerung bestehe große Einigkeit, dass alle Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollten, erklärte sie. Das koste aber angesichts von Pensionen für ehemalige Beamte und Rentenbeiträgen für aktuelle Beamte Geld. „Da hat man sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht herangetraut. Der Politik fehlte der Mut für diese große Reform. Dadurch, dass die Baby-Boomer bald in Rente gehen, wird diese Aufgabe nicht einfacher.“ (fn)