Kritik an den Neuregelungen kommt vom Deutschen Landkreistag. „Die Bundes-Notbremse ist nicht das segensreiche Instrument, für das sie gehalten wird“, sagte Landkreistags-Präsident Reinhard Sager der „Rheinischen Post“ (Freitag). Die Möglichkeiten der Länder würden eingeschränkt, flexibel und passgenau auf das Infektionsgeschehen vor Ort zu reagieren. Die Regelungslage werde „noch unübersichtlicher, da unterhalb von 100 nach wie vor Landes- und Kreisregelungen greifen können und außerdem oberhalb von 100 die Möglichkeit von strikteren Maßnahmen besteht“, kritisierte Sager.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig rügte, das Gesetz halte nicht, was Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versprochen habe. Die SPD-Politikerin kritisierte in der „Rheinischen Post“ (Freitag), dass sich schon, wenn der Inzidenzwert drei Tage über 100, und nach fünf Tagen unter dieser Grenze liege, die Regeln änderten. „Das kann zum Beispiel bei den Ausgangsbeschränkungen zu einem ständigen Hin und Her führen. Das wird die Menschen verunsichern“, warnte Schwesig. Ihr Land bleibe bei den Schutzmaßnahmen, die über jene des Bundes hinausgingen.
Update vom 22. April, 21.53 Uhr: Mit der Bundes-Notbremse muss das Saarland in weiten Teilen wieder in den Lockdown zurückkehren: Nach dem Inkrafttreten des geänderten Infektionsschutzgesetzes greift am Samstag die Bundes-Notbremse in Landkreisen oder Städten, in der die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt. Und das ist derzeit in drei von fünf Landkreisen im Saarland sowie im Regionalverband Saarbrücken (Stand Donnerstag) der Fall.
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) steht den Änderungen ziemlich kritisch gegenüber (siehe Update vom 22. April um 12.30 Uhr). Im Bundesrat meldete der Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer am Donnerstag erneut deutlich zu Wort. Man müsse die Frage stellen: „Wollen wir immer wieder stereotyp mit Lockdown antworten, mit Kontaktverboten oder Ausgangsbeschränkungen?“, fragte er. „Wir brauchen etwas, was nicht auf Dauer ewig Handel, Gewerbe, Kultur und Menschen insgesamt diesem Hin und Her aussetzt.“
Update vom 22. April, 17.58 Uhr: Das geänderte Infektionsschutzgesetz mit der Bundes-Notbremse tritt an diesem Freitag in Kraft. Nachdem es am Donnerstag den Bundesrat passiert hat und von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet worden ist, wurde es nun auch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Die gesetzliche Corona-Notbremse steht wegen der Ausgangssperre schwer in der Kritik. Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel* wirklich ausreichend Rückendeckung? Eine Spurensuche (siehe Link).
Update vom 22. April, 15.15 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich zu ihrem Notbremsen-Gesetz geäußert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Gesetz inzwischen unterschrieben. Zuvor war die Notbremse im Bundesrat regelrecht auseinandergenommen worden - auch von Ministerpräsidenten der CDU. Die notwendigen Maßnahmen, um das Gesetz zu verhindern hatte jedoch keiner der Kritiker ergriffen. „Mir ist bewusst, dass sich die Beliebtheit der Notbremse in Grenzen hält“, sagte Merkel am Donnerstag in einer vorab aufgezeichneten Rede bei den digitalen „Familienunternehmer-Tagen“.
„Aber wir brauchen sie als Wellenbrecher für die dritte Welle“, verteidigte die Kanzlerin ihr Gesetz. Die bundesweiten Einschränkungen über das geänderte Infektionsschutzgesetz würden einheitliche, klare Regeln geschaffen. „Denn das Problem war ja, dass die bisherige Notbremse zu zögerlich umgesetzt beziehungsweise in einzelnen Regionen unterschiedlich ausgelegt wurde“, sagte Merkel. „Das machte es Bürgerinnen und Bürgern unnötig schwer, nachzuvollziehen, wo wann welche Regelungen gelten.“
Update vom 22. April, 15.05 Uhr: Im Interview mit „Welt live“ hat sich Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger erneut zur Corona-Notbremse geäußert. Bei einer Pressekonferenz war zuvor die geplante Verfassungsbeschwerde der Freien Wähler zur Notbremse vorgestellt worden. „Die Ausgangssperre wird in dieser ausdifferenzierten Form der Lage nicht gerecht. Es ist ein enormer Eingriff in die Freiheitsrechte“, erklärte Aiwanger. Ausgangsbeschränkungen gemessen an einer Inzidenz unabhängig von möglichen Clustern vor Ort gingen „an der Sache vorbei. Das kann nicht richtig sein“.
Der Bund habe in vielen Punkten „grandios versagt,“ findet Aiwanger. Der Eindruck, „Berlin könne es besser“, wäre eine „Entmachtung der eigenen Seele“. Bayerns Wirtschaftsminister wirft dem Bund vor, „fachfremd“ und weit weg von den Bürgern „vor Ort“ zu entscheiden. Manche Regeln der Corona-Notbremse seien „schizophren“.
Update vom 22. April, 15 Uhr: Es ist vollbracht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das neue Infektionsschutzgesetz mit der Bundes-Notbremse unterzeichnet. Das teilte das Bundespräsidialamt am Donnerstag mit. Das Gesetz muss zum Inkrafttreten jetzt nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Der Ausfertigung sei die erforderliche Prüfung vorausgegangen, sagte eine Sprecherin des Bundespräsidialamts zu AFP.
Update vom 22. April, 13.17 Uhr: Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit der Bundes-Notbremse hat den Bundesrat passiert. In der Länderkammer wurde am Donnerstag kein Antrag zur Anrufung des Vermittlungsausschusses gestellt. Gleichwohl kritisierten mehrere Ministerpräsidenten von CDU und SPD die Ausgestaltung der Gesetzesinitiative der eigenen Bundesregierung.
Wie bei vielen anderen Punkten in der Corona-Krise bleibt auch hier mächtig Gesprächsstoff. So sprach etwa Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff von einem „schwer heilbaren Schaden für den Föderalismus“. Durch das geänderte und verschärfte Infektionsschutzgesetz werden maßgebliche Komptenzen der Länder an den Bund übertragen, zum Beispiel in der Schulpolitik.
Damit das geänderte Infektionsschutzgesetz samt verankerter Corona-Notbremse jetzt wirksam wird, muss es noch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterschrieben werden. Unter anderem ist in dem Gesetz eine nächtliche Ausgangssperre ab 22 Uhr bei hohen Inzidenzzahlen vorgesehen.
Update vom 22. April, 12.55 Uhr: „Ich gehe davon aus, dass wir ab Juni die Impf-Priorisierung aufheben können“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Bundesrat weiter.
Update vom 22. April, 12.47 Uhr: Vor der Abstimmung spricht noch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er verteidigt die Corona-Politik - von der deutschen Teststrategie bis hin zur Impfkampagne. So könne sich Deutschland bald den Titel „Weltmeister“ beim Testen zuschreiben, meint Spahn nicht ohne Stolz. Er wolle lieber die Erfolge Deutschlands in der Corona-Pandemie feiern, „weil wir uns zuletzt eher ins Scheitern verliebt haben.“
Auch weist er viele Kritikpunkte der Ministerpräsidenten zurück. „Niemand muss auf die Notbremse warten“, so Spahn. Jedes Bundesland könne durchaus vorher zu den Maßnahmen greifen.
Update vom 22. April, 12.45 Uhr: Bodo Ramelow aus Thüringen ist an der Reihe, der einzige Ministerpräsident der Linken, und der einzige Länderchef neben Winfried Kretschmann (Die Grünen) aus Baden-Württemberg, der nicht einer der Parteien aus der Großen Koalition (GroKo) im Bund angehört.
„Alle meine Vorredner haben mir aus dem Herzen gesprochen“, sagt Ramelow. Er bedauert, dass es bis heute keinen „einheitlichen Stufenplan“ gebe und nur auf die Inzidenz geschaut werde, statt auf die Belegung der Intensivbetten. Er hätte sich „gefreut, wenn die Osterruhe gekommen wäre“. Zur Erinnerung: Die „Osterruhe“ war als Komplett-Lockdown der Bundesregierung geplant, wurde von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) samt öffentlicher Entschuldigung aber umgehend wieder zurückgenommen. Ein Seitenhieb des Thüringers?
„Ich hab zu dem, was entschieden wurde, Fragen. Zum Beispiel, dass der ÖPNV auf 50 Prozent reduziert werden soll. Das steht so in dem Gesetz drin. Aber ich weiß nicht, wie ich das umsetzen soll“, meint Ramelow mit Blick auf die Corona-Regeln der gesetzlichen Bundes-Notbremse. Ramelow kritisiert auch, dass Gastronomie und Kultur durch die Inzidenz-Schwelle im Bundesgesetz wieder völlig außen vor seien. Auch er fordert neue Regeln (und damit Privilegien) für Geimpfte. In der Debatte spricht Ramelow direkt Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU an, der als Vertreter der Exekutive dabei ist.
Update vom 22. April, 12.30 Uhr: Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) war wegen seines Saarland-Modells mit Öffnungen und Lockerungen begleitet von einer engmaschigen Teststrategie von Seiten der Bundesregierung angegangen worden. Jetzt knöpft sich auch dieser Länderchef die gesetzliche Corona-Notbremse des Kabinetts Merkel vor.
Das Gesetz sei „eine markante Zäsur“. Das sollte nicht unkommentiert bleiben, meint der 43-Jährige. Dass zentral von oben herab getroffene Entscheidungen bessere Lösungen bringen, sei nicht nachgewiesen. „Dieser Beweis ist nicht erbracht, und ein Blick in zentralstaatliche Länder legt diesen Beweis nicht nahe“, meint Hans und verweist auf Frankreich, das seit Monaten noch stärker von der Corona-Pandemie betroffen ist als das föderalistische Deutschland. Und das direkt an sein Saarland grenzt. Man habe Infektionsketten gebrochen, „und zwar deutlich erfolgreicher als andere europäische Länder“, erklärt er zu den Entscheidungen der umstrittenen Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).
Das nun im Bundestag beschlossene Gesetz bedeute „nicht unerhebliche Eingriffe in die Freiheitsrechte. Das muss man nochmal betrachten, und meine Vermutung ist, dass das nochmal höchst richterlich betrachtet wird“, sagt er und vermutet damit, dass sich das Bundesverfassungsgericht schon bald mit dem verschärften Infektionsschutzgesetz beschäftigen wird. Dass der Inzidenzwert der zentrale Kern für die bundeseinheitlichen Corona-Regeln* ist, missfällt auch ihm. Dies sei „kein guter und zuverlässiger Referenzwert, der das Infektionsgeschehen abbildet“, meint Politiker Hans.
Update vom 22. April, 12.10 Uhr: Die Kritik und die Zweifel am Corona-Notbremsen-Gesetz im Bundesrat sind immens.
„Dieses Gesetz ist eine Ergänzung, ein Baustein mehr, nicht mehr und nicht weniger als ein Baustein“, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller von der SPD: „Und im Übrigen bleibt die Ministerpräsidentenkonferenz wichtig. Schon am nächsten Montag, wenn wir über das Impfen sprechen.“ Die MPK war in den vergangenen Monaten schwer in die Kritik geraten. Seine Sätze zielen wohl darauf ab, dass die Merkel-Regierung dieses Entscheidungsgremium durch das verschärfte Infektionsschutzgesetz umgehen wollte.
Und Müller kritisiert die Bundesregierung scharf dafür, dass die Impfkampagne gleichzeitig zu langsam vorankomme. „Darüber müssen wir mit der Bundesregierung reden: Wann und wie kommen wir endlich zu den Impfungen bei den Betriebsärzten?“, fragt der Landeschef aus der Hauptstadt: „Wie gehen wir um mit Getesteten und Geimpften?“ All diese Fragen habe das Merkel-Kabinett, in dem übrigens auch Parteifreunde von ihm sitzen, nicht beantwortet.
Update vom 22. April, 11.55 Uhr: Die Debatte im Bundesrat nimmt Fahrt auf. Reiner Haseloff, seines Zeichens CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, hat die bundeseinheitliche Corona-Notbremse und die Regeln des angespitzten Infektionsschutzgesetzes in der Sitzung aufs Schärfste kritisiert.
„Es kam zu einem Flickenteppich in Deutschland“, sagt Haseloff über den Verlauf der bisherigen Coronavirus-Pandemie* in der Bundesrepublik: „Dem sollte eine bundeseinheitliche Corona-Notbremse entgegenwirken.“ Doch seiner Meinung nach sei das vom Bundestag beschlossene „Maßnahmenpaket in sich nicht verständlich und wird den Flickenteppich in Deutschland sogar noch vergrößern“. Ein weiterer Vorwurf Haseloffs‘ an Merkels Gesetz: „Es hat viereinhalb Wochen gebraucht.“
Der Prozess zu einem Bundesgesetz sei „zeitraubend“. Der 67-Jährige spricht weiter von „einem schwer heilbaren Schaden für den Föderalismus“. Das Gesetz sei dagegen ein Argument für jene, „die einen Zentralstaat bevorzugen“. Zur Einordnung: Durch das Bundesgesetz müssen die Bundesländer erhebliche Kompetenzen, die ihnen teils seit Jahrzehnten zustehen, an den Bund abtreten.
Die „pandemische Lage in den Zentralstaaten Europas“ sei keineswegs besser, erzählt Haseloff in sehr ernster Tonlage weiter. Eine „intensivere Beteiligung der Länder“ sollte seiner Meinung nach auch in Deutschland nun „regelrecht vermieden werden“. Es sind harte Vorwürfe des CDU-Mannes gegen die eigene Bundesregierung. Haseloff, der vor einer kniffligen Landtagswahl in Sachsen-Anhalt (6. Juni) steht, wirft der Bundesregierung weiter vor, das Modell eines Einspruchsgesetzes und bewusst kein Zustimmungsgesetz gewählt zu haben.
Haseloff nehme „vielerorts Unmut“ und einen „enormen Vertrauensverlust“ wahr. Er ist kaum zu bremsen. „Die Grundrechtseinschränkungen, die der Gesetzentwurf vorsieht, sind trotz der Abmilderungen immens“, meint er mit Blick auf das Grundgesetz. Es stelle sich die Frage nach der „Verhältnismäßigkeit“. Dem Bürger bliebe nur noch „der erschwerte Rechtsweg“ zum Bundesverfassungsgericht, lautet ein weiterer Kritikpunkt. Sachsen-Anhalt werde trotzdem keinen Einspruch einlegen, „weil das das Gesetz nur verzögern, aber leider nicht verbessern“ würde, sagt Haseloff und schließt harsch: „Der heutige Tag ist für mich ein Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“.
Update vom 22. April, 11.30 Uhr: Der Bundesrat hat mit seinen Beratungen über die bundeseinheitliche Notbremse begonnen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte direkt zu Beginn, er habe „erhebliche Bedenken“. Ihm zufolge sei es dem Bund nicht gelungen, die Erfahrungen der Länder nach einem Jahr Pandemiebekämpfung aufzugreifen. Bouffier kritisierte insbesondere die im Gesetz geplante Ausgangssperre. In Hessen gebe es dies bereits auf Landesebene als „Ultima Ratio“. Wenn alle anderen Maßnahmen nicht ausreichten, komme eine solche Sperre in Frage. Nun werde sie aber bundesweit einheitlich vorgeschrieben. Eine Abwägung könne nicht mehr stattfinden.
Es wurde erwartet, dass die Neufassung des Infektionschutzgesetzes trotz der Bedenken die Länderkammer passieren wird. Denn es handelt sich um ein Einspruchsgesetz, zu dem die Länderkammer nicht aktiv zustimmen muss. Sie müsste mit Mehrheit den Vermittlungsausschuss anrufen, um das Gesetz aufzuhalten. Das war aber nicht zu erwarten.
Update vom 22. April, 10.10 Uhr: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagt einen „Ping-Pong-Effekt“ bei den Corona-Infektionszahlen voraus. „Der Konstruktionsfehler von diesem Bundesgesetz ist: Sie schließen bei 165, warten dann fünf Tage, dass sie unter 165 sind - zum Beispiel 160 - und dann öffnen sie wieder. Dann kann ich jetzt schon vorhersagen: Eine Woche später sind sie wieder über 165 und schließen“, so Schwesig im ZDF-„Morgenmagazin“ am Donnerstag.
„Frau Merkel hat angekündigt, dass es eine Notbremse sein soll, um das Infektionsgeschehen zu stoppen, und diese Notbremse bleibt weit hinter den Regeln zurück, die wir verabredet haben“, kritisiert Schwesig. „Dieses Gesetz wird uns nicht in den Infektionszahlen runterbringen, sondern es wird auf einem hohen Niveau einpendeln.“
Update vom 22. April, 10.05 Uhr: Gerne hätte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Ausgangssperre bereits ab 21 Uhr für sein Bundesland gehabt. Doch jetzt teilte der Grünen-Politiker mit, Baden-Württemberg werde die Bundes-Corona-Notbremse wie geplant in Landesrecht umsetzten. Das bedeutet: Ausgangssperre ab 22 Uhr. Kretschmann gab am Donnerstag an, das Gesetz werde eins zu eins umgesetzt. Das berichten die Stuttgarter Nachrichten.
Update vom 22. April, 9.25 Uhr: Kritik an der bundesweiten Notbremse kommt von Seiten deutscher Landkreise - die neue Regelung wird als Diskreditierung der Arbeit von Gesundheitsämtern gesehen. Als geradezu „unverschämt“ bezeichnete Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistags am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“, dass „namhafte Redner“ im Bundestag laut ihm so tun würden, als ginge es um den Schutz des Lebens. Denn: „Wir machen seit 13 Monaten nichts anderes, als Menschenleben zu retten und zu schützen, das ist unser ureigenstes Interesse.“
„Uns stört unter anderem, dass der Bundesgesetzgeber sich jetzt an die Stelle der Länder und der Landkreise setzen will“, sagte Sager. Nun würden Regeln ausgebracht, die „Einheitlichkeit suggerieren“, obwohl keine klare Linie erkennbar sei. Die Bundesnotbremse sei darüber hinaus „viel zu pauschal“ und wirke „holzschnittartig“. Der Inzidenzwert lasse Faktoren wie die Belegung von Krankenhausbetten oder die Reproduktionszahl unberücksichtigt. Über das vom Bundestag beschlossene Infektionsschutzgesetz berät am Donnerstag der Bundesrat (siehe Erstmeldung).
Update vom 22. April, 7.30 Uhr: Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat sich, vor der heutigen Entscheidung im Bundesrat, über die bundeseinheitliche Corona-Notbremse geäußert. „Das aktuelle Infektionsgeschehen ist in den meisten Regionen viel zu hoch und droht unser Gesundheitssystem zu überfordern“, erklärte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Maßnahmen der Bundesnotbremse sind dort deshalb dringend erforderlich. Sie haben in vielen Ländern bereits gezeigt, dass sie geeignet sind, das Infektionsgeschehen zu bremsen. Und sie sind angesichts der ernsten Lage auch verhältnismäßig“, so Braun weiter.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing betonte im ZDF-„heute journal“ am Mittwochabend hingegen erneut die ablehnende Haltung seiner Partei. „Der Staat muss in einem freiheitlichen Rechtsstaat sehr gut begründen, warum er derart massiv in Grundrechte eingreift. Diese Begründung ist der Bundesrepublik nicht gelungen“, kritisierte Wissing. Damit sei die Maßnahme eindeutig unverhältnismäßig und verstoße gegen das Grundgesetz.
Ab 11 Uhr will der Bundesrat heute debattieren. Er könnte Einspruch gegen die bundesweite Corona-Notbremse einlegen und damit Nachverhandlungen notwendig machen. Mehrere Bundesländer kündigten allerdings bereits zuvor an, keinen Einspruch einlegen zu wollen. Zuletzt muss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterzeichnen. Das könnte ebenfalls noch am heutigen Donnerstag geschehen.
Erstmeldung vom 21. April: Berlin - Es soll schnell gehen. Das wurde jedenfalls von vielen Seiten gefordert, als klar war, dass der Bund eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes plant. Doch Gesetzesverfahren bestehen in Deutschland aus mehreren Schritten. So auch bei der Umsetzung der Bundes-Corona-Notbremse. Wichtige Eckpunkte dabei: Erst kam ein Beschluss des Kabinetts, dann verhandelten Koalitionsfraktionen und am Mittwoch beschloss der Bundestag mit der Regierungsmehrheit das Gesetz.
Nun steht die nächste Hürde an: der Bundesrat. Am Donnerstag 11 Uhr befasst sich das Verfassungsorgan mit der Anpassung des Infektionsschutzgesetzes. Welche Regeln am Ende gelten sollen, können Sie hier bei Merkur.de* nachlesen. Das Besondere an der Sondersitzung des Bundesrates: Die Länder diskutieren sozusagen über ihre eigene Entmachtung. Denn bisher waren die teils bis in die Nacht reichenden Sitzungen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel* bekannt, um eine einheitliche Corona-Linie zu finden. Die dann am Ende aber oftmals doch nicht so einheitlich ausfiel,. Jedes Bundesland pochte auf seine eigene Entscheidungshoheit. Das soll sich in dem Ausmaße dringend ändern, so Merkels Plan, den sie vor einigen Wochen bei „Anne Will“ präsentierte.
Tritt das Gesetz in Kraft, hätten die Länder jedoch eingeschränkten Spielraum. Denn sobald eine Region die Inzidenz von 100 überschreitet, soll die Bundes-Notbremse greifen. Lediglich noch strenger können die Länder dann die Regeln auslegen, wie es etwa Bayern bei den Schulen zu tun gedenkt. Somit gab es schon im Vorfeld einige Einwürfe zum Bundesplan von Seiten der Länder.
Eine weitere Besonderheit, die im Bundesrat dazukommt: Deutschland wird derzeit auf Landesebene von sehr vielen unterschiedlichen Koalitionen regiert. Während die Nein-Stimmen der Linken im Bundestag nicht ausschlaggebend waren, vertritt der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow im Bundesrat* das Land Thüringen. Und die Koalitionen bestehen oftmals nicht nur aus zwei Parteien, sodass es innerhalb einer Landesregierung ganz unterschiedliche Einschätzungen zum Thema geben kann. Kann sich eine Regierung nicht einigen, steht häufig im Koalitionsvertrag, dass sie sich bei der Abstimmung enthält. Es wird also besonders interessant, welches Bundesratsmitglied wie entscheidet.
Wichtig bei der Einordnung der Diskussionen: Aktiv zustimmen muss die Länderkammer dem Gesetz nicht, sondern sie müsste einen Einspruch beschließen, um das Gesetz aufzuhalten. Bremen und Niedersachsen werden die geplante Bundes-Notbremse jedenfalls schon mal nicht blockieren. „Wir werden nicht den Vermittlungsausschuss anrufen“, sagte Bremens Senatssprecher Christian Dohle am Mittwochabend laut dpa. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte am Mittwoch im Landtag angekündigt, die Bundes-Notbremse nicht zu blockieren.
Hat das Gesetz den Bundesrat passiert, wird es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zugeleitet, der es ausfertigen muss. Damit wäre der Weg frei für das Inkrafttreten der Neuregelung spätestens in der kommenden Woche. (cibo) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.