Mindestlohn? Streit ist vorprogrammiert

Berlin - Der Kurswechsel der CDU-Führung in der Mindestlohnfrage ist beim Wirtschaftsflügel der Union auf Unverständnis und Kritik gestoßen. Andere wollen den "Erfolg" bereits für sich beanspruchen.
Eine allgemein verbindliche Lohnuntergrenze sei “ordnungspolitisch nicht vertretbar, damit können wir nicht leben“, sagte der Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung, Hans Michelbach (CSU), dem Kölner Stadt-Anzeiger. Ein branchenübergreifender Mindestlohn widerspreche “den Prinzipien der Marktwirtschaft“, für die die Union stehe.
Auch die Arbeitgeber lehnen die von der CDU angedachte allgemeine Lohnuntergrenze strikt ab. Für ihn seien die Überlegungen nicht nachvollziehbar und “sehr unverständlich“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, am Montag im Deutschlandradio Kultur. Eine derartiger politischer Schwenk sei bedenklich und möglicherweise der Stimmung in der Bevölkerung geschuldet. Ein Mindestlohn gefährde in beträchtlichem Umfang Arbeitsplätze.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP werde ein gesetzlicher Mindestlohn ausdrücklich ausgeschlossen, sagte Hundt. Wenn jetzt auf Vorschlag einer Kommission eine allgemeine Lohnuntergrenze festgesetzt werden solle, sei dies aber ein politischer gesetzlicher Mindestlohn.
Dagegen begrüßte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in NRW, Karl-Josef Laumann, den Schwenk der CDU-Spitze zum Mindestlohn. “Ich bin froh, dass die CDU-Führung im Bund unser Anliegen unterstützt“, sagte Laumann der Zeitung. Dies sei für den Bundesparteitag im November “schon die halbe Miete: Ich bin sicher, dass wir die Mehrheit der Delegierten dafür gewinnen“.
Die CSU reagierte ebenfalls positiv auf den CDU-Vorschlag, einen Mindestlohn zukünftig von einer Kommission der Tarifpartner festlegen zu lassen. “Es ist gut, dass sich die CDU gegen einen bundesweiten, gesetzlich fixierten Mindestlohn ausspricht. Wir würden dies ebenfalls ablehnen“, sagte die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, dem Hamburger Abendblatt.
DGB: Stehen vor Durchbruch bei Mindestlöhnen
Das Eintreten der CDU für feste Lohnuntergrenzen weckt beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) die Hoffnung, dass noch in dieser Wahlperiode Mindestlöhne für alle Branchen gesetzlich geregelt werden können. “Ich habe das Gefühl, wir stehen kurz vor dem Durchbruch“, sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer dem Sender hr-iNFO. Er glaube, “dass sich nach dem CDU-Parteitag sehr viel tun wird“.
Beim CDU-Bundesparteitag im November soll über den Vorstoß abgestimmt werden, eine Lohnuntergrenze für alle Branchen einzuführen, die bislang keine Tarifverträge haben. Bestimmen soll diese Untergrenze jeweils eine Kommission der Tarifpartner. Die Höhe soll sich am Tarifniveau der Zeitarbeit orientieren. Der Mindestlohn dieser Branche liegt bei 6,89 Euro pro Stunde im Osten und bei 7,79 Euro im Westen.
Die CDU bleibt damit deutlich unter dem Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde, den der Deutsche Gewerkschaftsbund verlangt. Sie lehnt auch dessen Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn weiter ab. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe stellte in der ARD-Sendung “Bericht aus Berlin“ klar: “Es geht nicht um einen politischen Mindestlohn, es geht nicht um Lohnfindung im Parlament, sondern zwischen den Tarifparteien.“ Man müsse etwas für den Bereich der nicht tariflich gebundenen Arbeitsplätze tun. “Da greifen bisher die Regelungen nicht ausreichend.“
Gröhe ging davon aus, dass dies zusammen mit dem Koalitionspartner FDP machbar sei. Der Union und der FDP gehe es gemeinsam darum, “dass die Tarifparteien ihrer Aufgabe gerecht werden“, sagte er. FDP-Generalsekretär Christian Lindner zeigte sich gesprächsbereit. Das Modell der CDU sei eine Diskussion wert, sagte er der ARD. Zugleich betonte Lindner: “Für die FDP ist klar: Politiker dürfen nicht über Löhne entscheiden.“
CDA sieht keinen Unterschied zu Mindestlohn
Karl-Josef Laumann, der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft CDA, ging im Sender hr-iNFO davon aus, dass der Vorstoß beim CDU-Bundesparteitag große Unterstützung finden wird. “Hier findet eine programmatische Erweiterung der CDU statt“, sagte er. Inzwischen habe sich bei vielen in der Union die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nicht in Ordnung sei, “wenn Arbeitnehmer acht Stunden am Tag arbeiten und davon nicht leben können“. In der Zeitung Die Welt wertete Laumann die Entwicklung als Erfolg des Arbeitnehmerflügels der Union. “Die Antragskommission konnte gar nicht über uns hinweggehen.“ Er könne bei den Vorschlägen keinen großen Unterschied zwischen Lohnuntergrenze und Mindestlohn ausmachen.
Unionsfraktionsvize Michael Fuchs betonte in der Passauer Neuen Presse, er sei nur bereit, eine Mindestlohndiskussion mitzumachen, wenn sie unter dem Aspekt der Tarifautonomie geführt werde. “Die Verantwortung darf nicht bei der Politik liegen, sondern muss von Arbeitgebern und Arbeitnehmern wahrgenommen werden.“
dpa/dapd