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„Historischer Schlag“: Russland-Flaggschiff „Moskwa“ sinkt - Regierungsvertreter vermutet „Inkompetenz“

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Die russische Marine verliert im Ukraine-Krieg mit der „Moskwa“ das Flaggschiff ihrer Schwarzmeerflotte. Warum der Untergang des Lenkwaffenkreuzers für Wladimir Putin so bitter ist.

München/Sewastopol - Er preise all jene, „die gezeigt haben, dass russische Schiffe nur auf den Grund gehen können“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj feierte im Russland-Ukraine-Krieg* in einer Videoansprache am Freitagmorgen (15. April) die angebliche Versenkung des russischen Lenkwaffenkreuzers „Moskwa“ (Russisch: Moskau)*. Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor den Verlust des Flaggschiffs der Schwarzmeerflotte bestätigt.

Russland-Ukraine-Krieg: Flaggschiff „Moskwa“ versenkt oder untergegangen

Die Versionen zum Hergang des Moskwa-Sinkens gingen im Ukraine-Konflikt* (einmal mehr) weit auseinander. Die ukrainische Seite erklärte, das Kriegsschiff mittels eines Seezielflugkörpers vom Typ „Neptun“, einer Anti-Schiffs-Rakete also, in Brand geschossen zu haben.

Moskau wiederum verbreitete eine These, wonach Munition unter Deck explodiert sei und die „Moskwa“ beim Abschlepp-Versuch bei schwerer See untergegangen sei. Unter anderem Wetter-Experte Jörg Kachelmann widersprach dieser These - einen Sturm habe es in der Nacht im Schwarzen Meer nicht gegeben, twitterte er.

Stützpunkt Sewastopol auf der Krim: Der schwere Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“, der im Russland-Ukraine-Krieg gesunken ist, liegt vor Anker. (Archivfoto)
Stützpunkt Sewastopol auf der Krim: Der schwere Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“, der im Russland-Ukraine-Krieg gesunken ist, liegt vor Anker. (Archivfoto) © dpa-Bildfunk

Moskau hatte erklärt, dass die etwa 500 Mann große Besatzung evakuiert worden sei. Auch das ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Die Versenkung des Raketenkreuzers ist in jedem Fall von hoher psychologischer Bedeutung. Für Russlands Machthaber Wladimir Putin dürfte der Verlust des Schiffs ein herber Rückschlag gewesen sein. Aus früheren Tagen gibt es Fotos, die Putin bei einem Besuch der Besatzung auf dem Lenkwaffenkreuzer im Hafen von Sewastopol auf der Krim zeigen.

„Moskwa“: Raketenkreuzer an fast allen militärischen Konflikten Wladimir Putins beteiligt

Die Fotos zeigen eine lächelnden russischen Präsidenten. Die „Moskwa“, die 1983 noch in der Sowjetunion in Dienst gestellt wurde, war an fast allen militärischen Konflikten Putins beteiligt - mit Ausnahme des zweiten Tschetschenienkrieges. Im neuntägigen Kaukasuskrieg kreuzte das Kriegsschiff zum Beispiel im August 2008 vor der Küste des angegriffenen Georgiens.

Zwischen September 2015 und Januar 2016 sicherte das Kriegsschiff nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums den Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Syrien ab, nachdem Moskau auf der Seite des syrischen Machthabers Baschar al-Assad in den Syrien-Krieg eingegriffen hatte.

Seit dem 24. Februar 2022 war das Kriegsschiff auch am russischen Überfall auf die Ukraine beteiligt. So beschoss die „Moskwa“ eine ukrainische Grenzwache auf der winzigen Schlangeninsel im Schwarzen Meer. Die Grenzschützer wurden getötet oder gefangen genommen. Ein Funkspruch der ungleichen Kampfhandlungen ging viral. So sollen die wenigen Ukrainer auf die Aufforderung zur Kapitulation per Funk geantwortet haben: „Russian warship, go f*ck yourself“. Zu Deutsch: „Russisches Kriegsschiff, f**k dich“.

Die ukrainische Post hat mittlerweile eine Briefmarke zu dem Vorfall herausgebracht. Zu sehen ist ein Soldat, der der „Moskwa“ den „Stinkefinger“ zeigt. Die Beharrlichkeit der Schlangeninsel-Grenzschützer wurde zum Symbol des ukrainischen Widerstandes gegen die numerische russische Übermacht.

„Moskwa“: Wladimir Putin hat besondere Verbindung zu Flaggschiff der Schwarzmeerflotte

Die „Moskwa“ hatte auch für den russischen Präsidenten einen hohen symbolischen Wert. So soll Putin früher den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sissi und den damaligen italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi auf dem Kriegsschiff empfangen haben.

Schon 1989 stand die „Moskwa“ am Ende des Kalten Krieges im Fokus: Beim „Gipfeltreffen von Malta“ kamen US-Präsident George Bush sowie der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, nach dem Fall der Berliner Mauer auf der Mittelmeerinsel zusammen. Gespräche sollten auch auf der noch „Slawa“ (Russisch: Ruhm) heißenden „Moskwa“ stattfinden, wurden wegen stürmischer See aber auf das Kreuzfahrtschiff „Maxim Gorki“ verlegt.

Raketenkreuzer/Lenkwaffenkreuzer Moskwa
Schiffsklasse:Projekt 1164
In Dienst gestellt:1983
Länge:187 Meter
Verdrängung:11.500 Tonnen
Besatzung:500 bis 610 Mann (unterschiedl. Angaben)
Hochstgewindigkeit:32,5 Knoten (60 km/h)
Bewaffnung:16 Seezielflugkörper vom Typ Basalt/Wulkan, Osa-Kurzstreckenraketen, Raketenwerfer, Torpedos, 130-mm-Marinegeschütz, Flugabwehrsystem, Wasserbombenwerfer

Jetzt, da die „Moskwa“ gesunken ist, wird diese als größter materieller Verlust Russlands im Ukraine-Konflikt bezeichnet. Pentagon-Pressesprecher John Kirby erklärte, dass der Untergang der „Moskwa“ „Konsequenzen“ für die Einsatzfähigkeit der russischen Marine haben werde. Der Kreuzer habe eine „Schlüsselrolle“ in den Bemühungen Russlands gespielt, eine „Dominanz seiner Marine im Schwarzen Meer“ herzustellen, sagte Kirby dem US-Sender CNN. 

„Entweder waren sie anfällig für einen ukrainischen Angriff, und das stellt ihre Kompetenz infrage. Oder ein Feuer an Bord eines wichtigen Schiffes hat zu einer Detonation im Munitionsraum geführt, und auch das wäre ein Zeichen von Inkompetenz“, erklärte ein westlicher Regierungsvertreter laut Nachrichtenagentur dpa. Es handele sich um einen „Schlag gegen den Stolz des Militärs“.

Versenkung/Untergang der „Moskwa“: Militärischer Erfolg für Ukraine, Rückschlag für Russland

Doch damit nicht genug. „Dieser Erfolg der Ukraine hat eine sehr hohe Symbolwirkung“, alleine schon wegen des „Namens“ des Schiffes, zitiert der österreichische Standard Oberst Markus Reisner, Leiter der Entwicklungsabteilung der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.

Alessio Patalano, Strategieexperte am King’s College in London, schrieb auf Twitter von einem „historischen Schlag in der Marinegeschichte“. Die New York Times zitierte wiederum Lieutenant General Ben Hodges, einen ehemaligen Kommandeur der US-Armee in Europa, der von einem „big deal“ sprach. Der Untergang der „Moskwa“ könne die russische Marine und das Verteidigungsministerium in Moskau* davon abhalten, Landungsoperationen an ukrainischen Stränden zu planen.

Schon am 24. März hatte das ukrainische Verteidigungsministerium die angebliche Versenkung eines riesigen russischen Landungsschiffs der Alligator-Klasse - das bis zu 20 Panzer transportieren kann - in der Hafenstadt Berdjansk vermeldet, was Fotos in den sozialen Medien bestätigen sollen. Jetzt sank die „Moskwa“ . Ein Untergang mit hohem Symbolcharakter. Für alle Beteiligten. (pm) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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