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Nato-Ringen mit Erdogan: Schweden dreht den Spieß um – Kristersson fordert Auslieferungen

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Von: Florian Naumann, Moritz Serif, Erkan Pehlivan

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Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson zu Gast bei Recep Tayyip Erdogan in der Türkei.
Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson zu Gast bei Recep Tayyip Erdogan in der Türkei. © IMAGO/Henrik Montgomery/TT

Schweden und Finnland wollen der Nato beitreten. Noch stellt sich die Türkei quer. Schweden besteht auf einen bedingungslosen Beitritt.

Update von Donnerstag, 1. Dezember, 9 Uhr: Die Türkei hält im Ringen um den Nato-Beitritt weiter den Druck auf Schweden aufrecht: Recep Tayyip Erdogan fordert unter anderem die Auslieferung mehrerer „Terrorverdächtiger“ – darunter etwa ein Exil-Journalist. Nun will Stockholm offenbar kontern. „Dutzende“ von Schweden gesuchte mutmaßliche Kriminelle versteckten sich in der Türkei, sagte Landes-Polizeichef Anders Thornberg laut dem Sender SVT am Mittwoch (30. November). Ministerpräsident Ulf Kristersson sprach dem Bericht zufolge von einem „ernsten Problem“.

Die „Verbrecher“ sollten in Schweden vor Gericht gestellt werden, erklärte Kristersson. Angesichts der Übereinkunft über den Nato-Beitritt zwischen Türkei, Finnland und Schweden spreche man nun auch über diese Frage – zuletzt bei seinem Besuch in der Türkei, erklärte der konservative Regierungschef. Diese Gespräche liefen weiter.

Atomwaffen in Schweden? Regierung sendet „sehr klare Botschaft“

+++ 15.30 Uhr: In einem Interview mit dem litauischen Fernsehsender LRT TV hat Schwedens Außenminister Tobias Billström erklärt, selbst im Falle eines Nato-Beitritts weiterhin keine Atomwaffen beherbergen zu wollen. „Der schwedische Antrag wurde bedingungslos eingereicht, und er wird auch bedingungslos durchgezogen werden“, sagte Billström. Ein klares Nein? Laut Billström zumindest eine „sehr klare Botschaft der schwedischen Regierung“. Ist man erst einmal Mitglied, könne man noch immer über Dinge diskutieren, „aber so weit sind wir noch nicht“, sagte der Außenminister.

Möglicher Nato-Beitritt: „Die Türkei hat Schweden gedemütigt“

Update von Dienstag, 29. November, 09.05 Uhr: Noch immer gibt es bei den Verhandlungen um einen Nato-Beitritt von Schweden und Finnland keinen Durchbruch. Aus Schweden kommen nun Stimmen, die das Verhalten des Königreichs in den Gesprächen kritisieren. Dieses Bild zeichnet ein Journalist. „Kristersson (schwedischer Ministerpräsident) muss aufhören, sich von der Türkei demütigen zu lassen“, schrieb der Kolumnist Alex Schulman in einem Meinungsartikel, der in der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter veröffentlicht wurde. Die Türkei habe Schweden erniedrigt, so der Kolumnist.

Türkei soll versucht haben, in kurdische Städte einzumarschieren

+++ 17.30 Uhr: Laut Angaben kurdischer Kräfte in Nordostsyrien soll die Türkei in den vergangenen Tagen mehrfach versucht haben, mit Bodentruppen in kurdische Städte und Dörfer einmarschiert zu sein. Bei den Kämpfen seien mindestens 12 türkische Soldaten und 8 Söldner ums Leben gekommen, teilten die Syrisch Demokratischen Kräfte (SDF) in Syrien mit. Die Kurden erwarten weitere Versuche der türkischen Armee, Städte wie Manbidsch und Kobane zu besetzen.

Eine Kommandeurin der kurdischen Frauenselbstverteidigungseinheiten YPJ in Syrien erhofft sich angesichts der Angriffe durch die Türkei Hilfe von den USA. „Wenn die USA will, kann sie die Türkei schnell stoppen, aber Washington verfolgt ihre eigenen Vorteile. Es ist keine große Überraschung für uns,“ sagte Generalin Nesrin Abdolah im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA.

Nato glaubt nicht an schnellen Beitritt von Schweden und Finnland

+++ 13.00 Uhr: Trotz positiver Signale aus der Türkei: Die Nato glaubt offenbar nicht an eine schnelle Ratifizierung des Beitritts von Schweden und Finnland. Vor Weihnachten sei keine Lösung zu erwarten, berichtet die norwegische Nachrichtenagentur NTB unter Berufung auf eine „zentrale“ Quelle in der Nato.

Den Informationen zufolge gibt es vor allem Streit um Auslieferungsforderungen aus der Türkei. Dabei gehe es eher um Verfahrensfragen als um die Zahl der Auslieferungen. Die Türkei hatte vor allem Schweden eine Liste mit konkreten Personen präsentiert. Öffentlich diskutiert wurde zuletzt der Fall des Exil-Journalisten Bülent Kenes. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach einem Treffen mit Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson Kenes namentlich erwähnt und als „Terrorist“ gebrandmarkt.

Es gebe Zeichen, die eher auf eine Einigung „im Laufe des nächsten halben Jahres hindeuten“, berichtete NTB weiter. In der Nato gebe es die Hoffnung, die Türkei könne Schwedens und Finnlands Nato-Beitritt noch vor der türkischen Präsidentenwahl im Juni ratifizieren. Es werde allerdings auch nicht als Krise wahrgenommen werden, sollte es noch etwas länger dauern. Neben der Türkei hat auch Ungarn dem Nato-Beitritt der beiden Länder noch nicht zugestimmt – möglicherweise aus taktischen Erwägungen in einem schwelenden Streit mit der EU.

Nato-Beitritt: Türkei bescheinigt Schweden große „Fortschritte“

Erstmeldung: Stockholm – Die Türkei meldet Fortschritte bei dem Beitrittsprozess von Schweden und Finnland in die Nato. Das gaben Regierungsvertreter der Türkei nach einem gemeinsamen Treffen bekannt. „Schweden hat das trilaterale Memorandum umfassend respektiert und kommt der Nato näher“, teilte der schwedische Unterhändler Oscar Stenström nach dem Termin in Stockholm mit.

„Wir haben eine Reihe von Ideen mit der Polizei und ihren Kollegen in der Türkei ausgetauscht, um den Kampf gegen die terroristische Bedrohung der Türkei durch die PKK zu beschleunigen“, sagte Stenström einem lokalen Radiosender nach dem Treffen am 25. November.

Ankara verlangt weiterhin Zugeständnisse

Ankara blockiert den Beitritt beider Staaten in das westliche Verteidigungsbündnis und verlangt Zugeständnisse. So wirft es beiden Ländern unter anderem vor, Terrororganisationen zu unterstützen. Auch fordert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Auslieferung von mehreren „Terroristen“ aus der Türkei, die in den Ländern als politische Flüchtlinge Zuflucht gefunden haben, unter ihnen mehrere Journalisten, kurdische Aktivisten und Lehrer.

Erst kürzlich hat Schweden sein Anti-Terror-Gesetz mit dem Versprechen geändert, dass es die Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Terrororganisationen stärken wird. Das Gesetz wird am 1. Januar in Kraft treten. Eine entsprechende Verfassungsänderung dazu wurde Mitte November stimmte durch das schwedische Parlament verabschiedet. Zwar räumt die AKP-Regierung ein, dass Schweden und Finnland einige positive Schritte unternommen haben, rechnet aber mit der Umsetzung des neuen Gesetzes in Schweden im ersten Quartal 2023.

Schweden stellt humanitäre Hilfsprojekte in Nordsyrien ein

Schon jetzt habe Schweden etwa ihre Hilfsprojekte in Nordsyrien eingestellt, sagt der Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Kamal Sido, im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA. „Schweden hat humanitäre Projekte in Nordsyrien eingestellt. Dazu zählen etwa Wasseraufbereitungsanlagen“. Diese Projekte seien auf Druck der Türkei eingestellt worden. Die Türkei wirft der Selbstverwaltung in Nordostsyrien vor, terroristisch zu sein. Auch fürchtet Sido, dass der Druck auf geflüchtete Oppositionelle im Land erhöht werden könnte, in dem etwa ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. (Erkan Pehlivan)

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