Nato hat Kommando offiziell übernommen
Brüssel - Die Nato hat am Donnerstag offiziell das Kommando über den internationalen Militäreinsatz in Libyen übernommen. Aber bei der Bewaffnung der libyschen Rebellen hält sich das Bündnis raus. Vorerst jedenfalls.
Mit mehr als 90 Einsätzen von Kampfjets über Libyen hat die Nato am Donnerstag das Kommando des internationalen Militäreinsatzes über dem nordafrikanischen Land übernommen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen lehnte Waffenlieferungen an die Rebellen gegen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi strikt ab. “Wir sind dort, um das libysche Volk zu schützen, nicht um Leute zu bewaffnen“, sagte er bei einem Besuch in Schwedens Hauptstadt Stockholm.
Dagegen sagte der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, der italienische Admiral Giampaolo di Paola, in Brüssel zur UN-Resolution 1973 in Sachen Libyen, es sei offensichtlich “nicht klar“, ob die Lieferung von Waffen an die Anti-Gaddafi-Rebellen erlaubt sei. “Wenn heute ein Schiff Waffen oder Söldner nach Libyen brächte, dann würden wir es stoppen“, sagte er. Derzeit sei die Nato einig, dass Waffenlieferungen verhindert werden müssten. Es gebe keine unterschiedliche Interpretation der UN-Resolution. Er sei auch zuversichtlich, dass kein Nato-Land solche Lieferungen plane. Aber: “Wenn es morgen eine andere Lage gäbe, dann würde das Bündnis sich eine neue Meinung bilden.“
Die USA hatten, unterstützt von Großbritannien und Frankreich, am Dienstag mögliche Waffenhilfe für die libyschen Rebellen ins Gespräch gebracht und diese als vereinbar mit der UN-Resolution bezeichnet. “Ich habe die laufende Diskussion in einer Reihe von Ländern zur Kenntnis genommen“, sagte Rasmussen in Stockholm. “Aber als Nato werden wir uns auf die Durchsetzung des Waffenembargos konzentrieren. Der Zweck eines Waffenembargos ist es, Lieferungen von Waffen in ein Land zu stoppen. Die ganze Breite der UN-Resolution gilt durch die Bank für alle Parteien des Konflikts.“
Bundesaußenminister Guido Westerwelle lehnt Waffenlieferungen ab. Die UN-Resolutionen erlaubten zwar notwendige Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und enthielten auch “ein umfassendes Waffenembargo“ gegen das Gaddafi-Regime. Aber: “Die Völkergemeinschaft ist sich einig, dass eine dauerhafte Lösung nur politisch, nicht militärisch erfolgen kann“, sagte Westerwelle am Donnerstag am Rande seines China-Besuchs in Peking. Der Kommandeur des Nato-Einsatzes, der kanadische General Charles Bouchard, sagte am Donnerstag in Neapel, seit der Übernahme des Kommandos um 0800 Uhr verfüge die Nato über “mehr als 100 Kampf- und Unterstützungsflugzeuge sowie mehr als ein Dutzend Marineeinheiten“.
Die Flugzeuge hätten in den ersten Stunden mehr als 90 Einsätze geflogen. Rasmussen betonte, gemäß der vor rund zwei Wochen verabschiedeten UN-Resolution liege der Schwerpunkt der Operation “Vereinigter Beschützer“ (Unified Protector) auf dem Schutz von Zivilisten und Orten. An dem Nato-Einsatz über Libyen nehmen nach Angaben von Di Paola “etwa 20“ der 28 Nato-Mitglieder sowie “mehrere“ nicht dem Bündnis angehörende Staaten teil. Einzelheiten wollte er nicht mitteilen. In der Nato haben Litauen, Lettland und Estland keine Luftwaffe, Island hat überhaupt keine Streitkräfte. Deutschland und Polen haben bereits erklärt, dass sie an dem Einsatz nicht teilnehmen. Nato-Sprecherin Oana Lungescu sagte, das Bündnis habe am Mittwoch seinen Partnern bei einer erweiterten Sitzung des Nato-Rates den Einsatz in Libyen geschildert und diese zum Mitmachen eingeladen.
Militärschlag gegen Libyen: Die Bilder
Dabei handelte es sich um die Maghreb-Staaten, mehrere Golf-Staaten und andere Staaten vor allem im Osten Europas. “Es war ein großer Raum und der Raum war voll“, sagte sie lediglich über den Teilnehmerkreis. “Es gab breite Unterstützung für die Übernahme des Kommandos durch die Nato. Diese Staaten wissen, dass die Nato den richtigen Rahmen für eine solche Operation bietet.“ Bouchard sagte, die Nato untersuche libysche Vorwürfe, wonach am Donnerstag bei Angriffen auf militärische Ziele unweit Tripolis etwa 40 Zivilpersonen getötet worden seien: “Wir sind sehr vorsichtig beim Angriff möglicher Ziele. Und wir sind bei der Anwendung unserer Einsatzregeln sehr strikt.“ Di Paola sagte, die Nato wolle alle Zivilisten in Libyen schützen, nicht nur jene in den östlichen Rebellengebieten: “Wir schauen nicht auf die Ausweise von Zivilisten. Aber es ist eine Tatsache, dass die Drohung mit Angriffen von Gaddafis Seite kommt.“
dpa