Norwegen steht still: Schweigeminute für Attentatsopfer
Oslo - Ein ganzes Land hält inne. Und trauert. Aber auch die Ermittlungen gegen den Attentäter von Norwegen gehen weiter. Der 32-Jährige tritt das erste Mal vor einen Richter - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Mit einer Schweigeminute hat Norwegen der fast hundert Toten der
beiden Terroranschläge gedacht. Überall im Land ließen am Montag die knapp fünf Millionen Bürger die Arbeit ruhen, Züge hielten an, in der Hauptstadt Oslo ruhte auch der Straßenverkehr. Seinen ersten Auftritt vor einem Richter konnte der 32 Jahre alte Attentäter Anders Behring Breivik nicht wie gewünscht für eine öffentliche Erklärung nutzen. Der Termin fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Eine Gerichtssprecherin begründete die Entscheidung mit Sicherheitsproblemen und Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen. Der 32-Jährige hatte die Anschläge zuvor gestanden und bei Polizeiverhören ausdrücklich Öffentlichkeit für den Termin bei Gericht gewünscht, um seine Motive zu erklären. Die Polizei will acht Wochen Untersuchungshaft beantrage.
Norwegen trauert um die Opfer des Attentats
Nach norwegischem Recht kann der Attentäter bei einem
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Mordprozess zu maximal 21 Jahren Haft verurteilt werden. Sollte er wegen psychischer Störungen für unzurechnungsfähig erklärt werden, käme er auf Dauer in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung. Der Attentäter hatte am Freitag nach eigenem Geständnis erst eine 500-Kilo-Bombe im Osloer Regierungsviertel zur Explosion gebracht und anschließend auf der nahe gelegenen Insel Utøya ein Massaker unter jugendlichen Teilnehmern eines sozialdemokratischen Ferienlagers angerichtet.
Die Zahl der Opfer beider Anschläge könnte niedriger als bisher angenommen sein. Bisher hatten die Behörden von mindestens 86 Toten beim Massaker in dem Sommerlager und mindestens sieben Toten durch die Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel gesprochen. Landespolizeichef Øystein Mæland kündigte im TV-Sender NRK an, dass im Tagesverlauf möglicherweise eine nach unten korrigierte Zahl der Toten veröffentlicht werde.
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Konkrete Angaben zu den neuen Zahlen machte er nicht. Er verwies auf eine komplizierte Aufklärungsarbeit bei der Identifizierung von Toten und bei den Angaben über Vermisste. Dabei habe man die Zahlen möglicherweise zunächst zu hoch angesetzt.
Zu den Opfern des Massakers auf der Insel Utøya gehört auch ein Stiefbruder der norwegischen Prinzessin Mette-Marit. Wie die Zeitung “Dagbladet“ berichtete, wurde der 51-jährige Polizist Trond Berntsen erschossen, als er seinen zehnjährigen Sohn schützen wollte. Berntsens Vater war mit der Mutter Mette-Marits, Marit Tjessem, verheiratet. “Die Gedanken der Prinzessin sind bei den nächsten Angehörigen“, sagte eine Hofsprecherin.
Die nationale Schweigeminute hatte Ministerpräsident Stoltenberg eingeläutet: “Zum Gedenken an die Opfer aus den Osloer Regierungsgebäuden und von Utøya erkläre ich eine Minute nationale Stille“, sagte er vor der Aula der Osloer Universität. Nach der Schweigeminute trugen sich die Mitglieder der Königsfamilie als erste in ein ausgelegtes Kondolenzbuch ein. Bei regnerischem Wetter versammelten sich auf dem Vorplatz tausende Menschen. Auch vor dem von einem Blumenmeer gesäumten Dom standen Tausende während der Schweigeminute. In den skandinavischen Nachbarländern Norwegens wurde ebenfalls landesweit eine Schweigeminute ausgerufen.
Der Vater des Attentäters Breivik steht im südfranzösischen Cournanel vorsorglich unter Polizeischutz. Das Anwesen des Mannes werde von der Gendarmerie bewacht, sagte Staatsanwalt Antoine Leroy am Montag. Ziel sei es, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. “Es gab keinerlei Hausdurchsuchung“, betonte Leroy. Entsprechende Gerüchte seien falsch.
Nach britischen Medienberichten soll der Attentäter mit einer ultra-rechten Gruppierung in Großbritannien kooperiert haben. Laut “Daily Telegraph“ nennt der 32-Jährige in seiner im Internet verbreiteten Hassschrift Verbindungen nach England. Breivik will sich demnach bereits im Jahr 2002 einer Gruppe britischer Rechtsextremisten angeschlossen haben, die sich dem Kampf gegen “Multikulturismus“ verschrieben haben. Den Namen der Gruppe, deren Mitglied er sein wollte, nannte er nicht.
dpa