NSA-Ausschuss: Doppelagent war wohl Hilfskraft
Berlin - Ein Doppelagent sitzt in Haft, weil er jahrelang den BND und zuletzt auch den NSA-Untersuchungsausschuss ausspioniert haben soll. Doch nach ersten Ermittlungen ist die Affäre weniger dramatisch als angenommen.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) rechnet nach der Festnahme eines 31-jährigen Mitarbeiters wegen Spionageverdachts mit nur begrenztem Schaden. Nach einer ersten Bewertung gehe der deutsche Auslandsnachrichtendienst davon aus, dass der Mann keine besonders sensiblen Daten, sondern eher allgemein den BND betreffende Dokumente weitergegeben habe, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Samstag aus hochrangigen BND-Kreisen. Der am Mittwoch Festgenommene sei in Pullach bei München als Hilfskraft in der Abteilung „Einsatzgebiete Ausland“ („EA“) eingesetzt gewesen.
„Es ist nicht gut, dass er das weitergegeben hat. Aber es ist nach der ersten Bewertung nicht etwas, was der GAU (größte anzunehmende Unfall) wäre“, hieß es weiter. Der BND habe seine internen Abläufe auf Fehler hin überprüft, aber nichts feststellen können. „Bei uns ist nichts falsch gelaufen.“ Auch bei der schriftlichen oder elektronischen internen Nachverfolgung von Geheimdokumenten gebe es keine Lücken. Der 31-Jährige sei nicht von einem fremden Geheimdienst angeworben worden, sondern habe seine Dienste selbst angeboten, wurde betont. „Gegen einen solchen Selbstanbieter ist jeder Dienst der Welt machtlos“, hieß es.
Deutsche Geheimdienste überwachen zudem nach offiziellen Aussagen keine Amerikaner oder US-Stellen in Deutschland. Auch daher dürfte der Kontakt des Verdächtigen mit dem US-Dienst, für den er zwei Jahre tätig gewesen sein soll, kaum aufgefallen sein.
Nur 2 von 218 Dokumenten stammten aus dem NSA-Untersuchungsausschuss
Der Mann habe nach eigenen Aussagen 218 Dokumente an seine Auftraggeber geliefert. Darunter seien zwei gewesen, die den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages betroffen hätten. Ein Ausspionieren des Parlamentsgremiums habe es nicht gegeben. Insgesamt habe der Mann nach eigenen Angaben für die Weitergabe der Dokumente 25 000 Euro erhalten. Das hatte auch die „Bild“-Zeitung berichtet.
Im BND geht man davon aus, dass der Verdächtige die Dokumente an den US-Geheimdienst CIA geliefert hat. Allerdings lägen noch keine konkreten Beweise für die Aussagen des Mannes vor.
Die am BND-Stammsitz Pullach bei München ansässige Abteilung „Einsatzgebiete Ausland“ ist nach diesen Angaben etwa 200 Mitarbeiter stark, darunter sind zahlreiche Soldaten. Sie ist für die Unterstützung und den Schutz der Bundeswehreinsätze im Ausland zuständig, etwa in Afghanistan, Somalia und Mali. Spezielle BND-Verbindungsleute - oft Soldaten - halten Kontakt zu den Truppen im Einsatzgebiet und übermitteln ihnen die Geheimdiensterkenntnisse.
Der Spionageverdächtige arbeitet nach den Informationen aus den BND-Kreisen als Hilfskraft in der technischen Unterstützung und seit etwa zehn Jahren beim BND. Der schwer geh- und sprachbehinderte Mitarbeiter sei in der Stabsstelle der Abteilung unter anderem für das Entgegennehmen und Einscannen von Dokumenten sowie etwa die Ausgabe von Funkgeräten zuständig gewesen. Nach einer ersten Einschätzung des Dienstes habe der Mann außer aus finanziellem Interesse auch aus Geltungsdrang gehandelt.
Die beim Bundesamt für Verfassungsschutz angesiedelte Spionageabwehr kam dem 31-Jährigen demnach Ende Mai auf die Spur, nachdem er seine Dienste am 28. Mai dem russischen Geheimdienst in einer Mail an das russische Generalkonsulat in München angeboten hatte. Im Anhang schickte er als Beleg für seinen Wert drei als geheim eingestufte BND-Dokumente, von denen zwei den NSA-Untersuchungsausschuss betrafen. Diese Mail fing der Verfassungsschutz ab, sie war der entscheidende Hinweis auf den Maulwurf.
31-Jähriger bot auch russischem Geheimdienst Dokumente an
Anfang Juni sei der BND von dem Vorgang informiert worden, hieß es weiter. Die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz bei den Ermittlungen habe optimal funktioniert. Die von dem Mann gemailten Dokumente stammten demnach aus unterschiedlichen BND-Abteilungen. Bei der auch intern geheimen Suche nach ihm wurde die Abteilung „Einsatzgebiete Ausland“ als jene eingegrenzt, in der alle drei Dokumente zusammentrafen und wo der Maulwurf zu finden sein müsste.
Der Zusammenhang mit den Dokumenten für den NSA-Ausschuss wurde in den BND-Kreisen damit erklärt, dass sämtliche Abteilungen intern nach Vereinbarungen zwischen dem BND und der NSA befragt worden seien, um eine Frage des Untersuchungsgremiums beantworten zu können.
Da der Mann die Mail an das russische Generalkonsulat über seinen privaten E-Mail-Anbieter und nicht dienstlich verschickt habe, sei ermittelt worden, wer zum fraglichen Zeitpunkt nicht im Dienst war. Dies habe nur auf eine Person zugetroffen - den mutmaßlichen Täter. Die folgende Überwachungsaktion endete in der Festnahme am Mittwoch.
Hinsichtlich der Auswirkungen des neuerlichen US-Spionagefalls hält sich der BND zurück. Bislang habe man die von dem Mitarbeiter auf einem sichergestellten USB-Stick gespeicherten Dokumente nicht einsehen können, da der Stick beim Generalbundesanwalt liege. Zunächst müssten die Ermittlungen abgewartet und die Aussagen des Verdächtigen überprüft werden. Bei der Bewertung der Auswirkungen auf die künftige Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten solle es keine Schnellschüsse geben, hieß es weiter.
dpa