Österreich verschärft Abschieberegelung

Wien - Schluss mit „Willkommenskultur“: Die Wiener Regierung will die Gangart gegen abgelehnte Asylbewerber verschärfen. Wer nicht kooperiert, kann auf keine Hilfe mehr hoffen.
Österreich will weiter den Druck auf illegale Migranten erhöhen. Der Entwurf eines neuen Gesetzespakets sieht deutlich schärfere Strafen bei Nichtausreise abgelehnter Asylbewerber vor. „Das ist ein wichtiges Signal an die Schlepper“, sagte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Dienstag nach einem Beschluss des Ministerrats in Wien. Das Paket soll noch vor dem Sommer vom Parlament beschlossen werden.
Asylbewerbern, deren Bescheid abgelehnt wurde und für die eine gesicherte Rückkehrmöglichkeit in ihre Heimat besteht, drohen bei Nichtausreise Geldstrafen von 5.000 bis 15.000 Euro oder ersatzweise wochenlange Haft. Die mögliche Dauer der Abschiebehaft wird für illegale Migranten von zehn auf bis zu 18 Monate ausgeweitet. Außerdem soll es Rückkehrzentren geben, etwa in Transitbereichen von Flughäfen, in denen Menschen bei Fehlen der zur Heimreise nötigen Dokumente festgehalten werden können.
Finanzielle Hilfe zum Neustart in der Heimat
Migranten, die trotz Aufforderung und einer Rückkehrberatung das Land nicht verlassen, soll die Grundversorgung entzogen werden. Davon wären aktuell etwa 2.000 Menschen betroffen. Die Rückkehr soll attraktiver gemacht werden. „Die Personen sollen Geld bekommen, um sich in ihrer Heimat wieder Strukturen aufzubauen“, sagte Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Haftstrafe zu über einem Jahr kann innerhalb kurzer Zeit ein Asyl-Aberkennungsverfahren eingeleitet werden.
„Es gibt ein klares strafbares Verhalten, vor allem bei dem Versuch der Wiedereinreise“, sagte Doskozil. Abgelehnte Asylbewerber würden immer wieder versuchen, erneut nach Österreich einzureisen. Nur mit klaren Regeln könne das Asylsystem in Europa auch funktionieren, sagte der Minister.
Flüchtlinge drohen in Obdachlosigkeit und Kriminalität abzurutschen
Der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker warnt vor den Folgen der Gesetzesverschärfungen. Zahlreiche Menschen würde es in die Obdachlosigkeit und Kriminalität treiben, sagte er dem ORF-Radio. Die hohen Strafen für abgelehnte Asylbewerber seien kontraproduktiv für das Ziel der Regierung. Es sei skurril, „wenn man auf der einen Seite will, dass Flüchtlinge außer Landes gehen, dass man sie wegen extra geschaffener Geldstrafen wieder einsperrt und sie erst recht im Land bleiben können“.
Folgen des Zuwanderungs-Rekords
Österreich hat in Folge des Zuwanderungs-Rekordjahrs 2015 viele Beschlüsse gefasst, die Migranten möglichst abschrecken sollen. Das neue Ausländerrechtspaket, das abgelehnte Asylbewerber im Blick hat, ist nur ein Teil der getroffenen und erwogenen Maßnahmen. Diese gelten teils auch für EU-Ausländer. Ziel der Koalition aus sozialdemokratischer SPÖ und konservativer ÖVP ist der Schutz von Sozialkassen und Arbeitsmarkt. Eine Liste:
Kindergeld: Die Kürzung der sogenannten Familienbeihilfe in bestimmten Fällen ist ein ganz dringendes Anliegen der konservativen ÖVP. Der inzwischen auch in Deutschland diskutierte Schritt soll für alle Ausländer gelten, die einen entsprechenden staatlichen Zuschuss beziehen, deren Kinder aber in der eigentlichen Heimat leben. Betroffen wären vor allem Ungarn, Slowaken und Polen.
Ausländer-Bremse: Die Regierung hat ein Arbeitsplatz-Paket beschlossen, bei dem für neue, zusätzliche Stellen ein Beschäftigungs-Bonus gezahlt wird. Die Hälfte der Lohnnebenkosten wird drei Jahre lang erlassen. Das soll laut Regierung bis zu 160.000 neue Jobs schaffen. Das Besondere: Der Bonus gilt für alle, die in Österreich arbeitslos gemeldet sind, die in Österreich ausgebildet wurden oder Jobwechsler. Wer eine Stelle mit Arbeitnehmern besetzt, die neu ins Land kommen, muss auf den Bonus verzichten.
Mindestsicherung: Die bisher im internationalen Vergleich eher üppige Mindestsicherung, auf die auch Asylberechtigte Anspruch haben, wird für diese Gruppe in einigen Bundesländern nun an die Unterzeichnung einer Integrationsvereinbarung geknüpft. Wer keine Deutschkurse besucht, dem droht ein Abzug von den 837 Euro, die für eine Einzelperson zum Leben und Wohnen vorgesehen sind. Bundesländer wie Ober- und Niederösterreich zahlen an Asylberechtigte inzwischen sowieso weniger. Eine bundeseinheitliche Regelung ist gescheitert.
Arbeitsmarkt: Im neuen Regierungspakt vom Januar bekennt sich Österreich zwar zur EU, macht aber deutlich, dass es ein großes Problem mit dem Zuzug ausländischer Arbeitnehmer hat. Seit 2010 seien 150.000 Migranten aus dem EU-Ausland gekommen, die den Druck auf den von Rekordarbeitslosigkeit geprägten Arbeitsmarkt erhöhten. Österreicher sollen bei der Besetzung von Stellen Vorrang haben.
Obergrenze: Nach wie vor ein politisch heißes Eisen ist die seit 2016 geltende Obergrenze für Asylverfahren. Sie liegt 2017 bei 35.000 Fällen. Allerdings müssen rund 14.000 Altfälle aus dem vergangenen Jahr demnächst in dieser Statistik berücksichtigt werden. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Limit 2017 erreicht wird (2016 wurde es knapp unterschritten). Spätestens dann würden grundsätzliche rechtliche, aber auch praktische Fragen relevant. Österreich will den 35.001. Asylbewerber nicht ins Land lassen.
dpa