Opposition: Regierung ein “Trümmerhaufen“

Berlin - Nach dem ergebnislosen schwarz-gelben Spitzentreffen sieht die Opposition die Koalition am Ende ihrer Gestaltungsmöglichkeiten. SPD-Fraktionschef Steinmeier nannte das Bündnis sogar einen “Trümmerhaufen“.
SPD und Grüne warfen der Bundesregierung am Freitag vor, wegen der bevorstehenden Landtagswahlen das Regieren eingestellt zu haben. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nannte das Bündnis einen “Trümmerhaufen“. Die Mehrheit der Bürger glaubt aber, dass Schwarz-Gelb bis zur nächsten Bundestagswahl 2013 durchhält.
Der Koalitionsausschuss bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Donnerstagabend die wichtigsten Streitthemen - von der Vorratsdatenspeicherung über die Euro-Rettung bis hin zur Zuwanderung - ausgeklammert, weil keine Lösungen in Sicht waren. Nach Regierungsangaben hatten sich die Koalitionsspitzen aber in sehr guter Atmosphäre über den politischen Fahrplan für die nächsten Wochen abgestimmt. Unter anderem wurde festgelegt, wann die verabredeten Steuererleichterungen, die Kürzung der Solarförderung und die Eckpunkte für den Bundeshaushalt im Kabinett beschlossen werden sollen.
“Das wäre mir peinlich“
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, kritisierte, die “Verlautbarung, dass man 'in sehr guter Atmosphäre' miteinander geredet hätte, erinnert an Kommuniqués von Verhandlungen im Kalten Krieg“. Tatsächlich habe die Regierung das Regieren eingestellt. “Da mittlerweile jede Initiative im Streit endet, wollen Union und FDP nur noch Ruhe bewahren“, meinte Oppermann. Wie im vergangenen Jahr vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen halte sich die Koalition auch jetzt zurück.
Die Bundesregierung: Merkel und ihre Minister
SPD-Fraktionschef Steinmeier meinte in der “Berliner Zeitung“, die Koalition sei nach 15 Monaten im Amt zermürbt. “Sie ist ein Trümmerhaufen, der mich an die Kohl-Regierung in ihrer Endphase 1996 bis 1998 erinnert: Damals wie heute ist Schwarz-Gelb nur noch mit sich selbst beschäftigt und bewegt nichts nach vorn.“ Den Kompromiss der Koalition zu den angekündigten Steuervereinfachungen kritisierte Steinmeier. “Es wäre mir anstelle der FDP peinlich, dies als Erfolg zu verkaufen, wenn ich vorher den Mund so voll genommen hätte.“
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte: “Von dieser Regierung wird uns einiges zugemutet: Erst ein Herbst falscher Entscheidungen und jetzt auch noch ein Winter der Kältestarre.“ Wie vor der NRW-Wahl vergangenes Jahr wollten Union und FDP nun auch vor der Wahl in Baden-Württemberg Ende März nichts mehr entscheiden. “Die Quittung dafür werden sie erneut in den Wahlurnen finden“, meinte Künast.
Bessere Umfragewerte
Die Bürger sehen allerdings längst nicht mehr so schwarz für die Koalition wie noch vor einigen Monaten. Laut ARD-Deutschlandtrend traut die große Mehrheit der Bundesbürger (61 Prozent) Merkel (CDU) zu, die Regierungskoalition bis zum Ende der Legislaturperiode zusammenzuhalten. Noch vor einem halben Jahr hatten nur 52 Prozent dieses Vertrauen in die Kanzlerin. Ein Drittel der Bürger (33 Prozent) glaubt zur Zeit nicht, dass die Koalition bis 2013 Bestand hat. Vor sechs Monaten waren es noch 42 Prozent.
Allerdings kämpfen einige Minister mit sinkenden Zustimmungswerten. Mit der Arbeit von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) im Zusammenhang mit dem Lebensmittelskandal sind nur ein Drittel (34 Prozent) der Bürger zufrieden, im Winter 2009 hatten noch 44 Prozent einen guten Eindruck von ihr. Nur jeder fünfte der rund 1.000 Befragten (19 Prozent) ist mit Guido Westerwelle als Außenminister zufrieden. Das sind 23 Prozent weniger, als noch im November 2009 (damals 42 Prozent).
FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach im ARD-Morgenmagazin erneut von einer Bewährungsprobe für seine Partei und warb für solide Sacharbeit, um Vertrauen zurückzugewinnen. Gleichzeitig betonte er die Handlungsfähigkeit der Koalition und spielte die Streitigkeiten herunter. “Natürlich wollen wir uns einigen“, sagte der FDP-Politiker zum Konflikt über Anti-Terror-Gesetze. “Da muss man jetzt einen fachlichen Austausch erreichen, und darum bemühen wir uns.“
Zuletzt hatten Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) offen über die Vorratsdatenspeicherung gestritten.
dapd