Kontrollen in Kölner Silvesternacht: Geheim-Bericht mit neuer Brisanz

Köln/Berlin - Bislang hatte die Kölner Polizei stets bestritten, an Silvester Menschen nach Aussehen kontrolliert zu haben. Ein interner Bericht zeigt nun offenbar das Gegenteil.
Der Streit um die Polizeiarbeit in der Silvesternacht von Köln scheint kein Ende nehmen zu wollen. Nun ist es ein interner Bericht des Polizeipräsidiums, der für neuen Ärger sorgt.
Denn das Papier zeigt offenbar: Allem Anschein nach hatten die Polizisten Menschen doch anhand ihres Aussehens und nicht aufgrund ihres Verhaltens kontrolliert. Bisher hatte Polizeipräsident Jürgen Mathies stets erklärt, dies sei nicht der Fall gewesen - und damit einige Wogen geglättet.
„Alle Personen, die dem nordafrikanischen Spektrum zugeordnet werden konnten...“
Laut Recherchen der taz heißt es im Abschlussbericht des Polizeipräsidiums Köln zur Silvesternacht: „Ab 22.00 Uhr befanden sich in um den Kölner Hbf bis zu ca. 1.000 Personen mit nordafrikanischem Hintergrund. Alle Personen, die dem nordafrikanischem Spektrum zugeordnet werden konnten, wurden außerhalb des Hbf im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten einer Identitätsfeststellung unterzogen.“
Der Knackpunkt an dieser Darstellung wäre der Fakt, dass ohne Ausnahme „alle Personen“ mit augenscheinlich nordafrikanischer Herkunft kontrolliert wurden. Kontrollen allein aufgrund von Hautfarbe und Aussehen werden als „racial profiling“ bezeichnet. Liegen außer diesen äußerlichen Merkmalen „keine weiteren verdichtenden polizeilichen Erkenntnisse“ vor, ist diese Praxis rechtswidrig, wie das Innenministerium jüngst klarstellte.
Mathies hatte die Kontrollen anders begründet
Bereits unmittelbar nach der Silvesternacht hatte es massive Debatten um möglicherweise fragwürdige Kontrollen der Polizei gegeben. Im Mittelpunkt des Streits stand unter anderem Grünen-Chefin Simoen Peter. Es stelle sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, „wenn insgesamt knapp 1.000 Personen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden“, hatte sie gerügt.
Peter geriet in der Folge allerdings stark in die Defensive - auch weil Kölns Polizeipräsident Mathies den Vorwurf des „racial profiling“ zurückgewiesen hatte. Es sei bei dem Polizeieinsatz um das Verhalten der Männer gegangen, hatte er betont. „Der ganz überwiegende Teil war so, dass mit drohenden Straftaten zu rechnen war.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte die Äußerungen über ein mögliches „racial profiling“ als „eine absurde und geradezu verrückte Debatte“ bezeichnet. „Die Polizei hat mit ihrem Profil ‚Nafris/Nordafrikaner‘ nichts anderes getan, als die Realität zu beschreiben“, sagte er Anfang Januar.
“Das hat mit ‚racial profiling‘ nichts zu tun, die Polizei stützt sich ausschließlich auf Erfahrungswerte, nicht allein auf die Hautfarbe“, hatte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, das Vorgehen der Einsatzkräfte in einem Interview mit der Huffington Post verteidigt.
Vom „racial profiling“ zum „Nafri“
Der Streit um das „racial profiling“ ist auch eng mit den Diskussionen um den von der Polizei verwendeten Begriff „Nafri“ für die kontrollierten Männer verwoben. Als „Nafri“ kürzt die Polizei intern „nordafrikanische Intensivtäter“ ab. In einem Tweet hatten die Einsatzkräfte an Silvester allerdings alle Kontrollierten öffentlich als „Nafris“ bezeichnet. Mathies hatte dies als Fehler eingeräumt.
Im Kern bleiben nun also zwei Fragen: Hatte die Polizei nicht nur in einem unglücklich verfassten Tweet, sondern auch in ihrer konkreten Arbeit alle Menschen nordafrikanischer Herkunft ungeachtet ihres Verhaltens pauschal wie „Intensivtäter“ behandelt? Und, eventuell ähnlich brisant: Wie kam es dazu, dass Mathies die Vorgänge öffentlich anders schilderte, als es nun offenbar der interne Bericht zeigt?
Bereits vor einigen Tagen hatte sich die Kölner Polizei korrigieren müssen: Nach neuesten Erkenntnissen seien nicht überwiegend „Nordafrikaner“, sondern vor allem Iraker und Syrer zu Silvester am Kölner Dom kontrolliert worden, teilten die Ordnunghüter mit.
Deutsche halten „racial profiling“ für notwendig
So oder so muss sich die Öffentlichkeit eventuell einer längeren Debatte über die Praxis des „racial profiling“ stellen. Schließlich hatten viele Politiker die Arbeit der Polizei an Silvester strikt verteidigt. Und laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sieht die Mehrheit der Deutschen „racial profiling“ als unproblematisch, zumindest aber als tendenziell notwendig an.
fn