Rösler: Kein deutsches Gift für US-Hinrichtungen
Washington - Gesundheitsminister Philipp Rösler hat deutsche Firmen nachdrücklich dazu aufgerufen, kein Natrium-Thiopental in die USA zu liefern, nachdem das Exekutionsgift dort knapp geworden ist.
Viele Todeskandidaten in den USA können mit einer unverhofften Galgenfrist rechnen. Mehrere US-Bundesstaaten müssten die Vollstreckung von Todesurteilen aufschieben, weil Natrium-Thiopental nicht mehr lieferbar ist, hieß es am Samstag in US-Medien. Diese hochtgiftige Substanz ist einer von drei Bestandteilen des Giftcocktails, der für Hinrichtungen in den USA verwendet wird.
Eigentlich wollte Hospira, der einzige in den USA zugelassene Hersteller, das Narkosemittel Natrium-Thiopental in Italien weiterproduzieren, nachdem die US-Produktion im August 2009 wegen eines Engpasses bei einem chemischen Bestandteil gestoppt wurde. Doch das EU-Land habe die Ausfuhr des Medikaments in die USA verboten, weil es dort zu Hinrichtungen verwendet werde.
Deutschland soll nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler dem Beispiel Italiens folgen. Rösler hält laut der SZ eine Lieferung des Wirkstoffes für „auf keinen Fall mit deutschen und europäischen Werten und Grundsätzen vereinbar“. Deshalb hat er in einem Brief an deutsche Pharmafirmen und an den Pharma-Großhandelsverband zu einem Liefer-Boykott aufgerufen, falls die USA vorhaben sollte, sich das Gift hierzulande zu beschaffen. In dem Schreiben heißt es: „Soweit Ihre Firma Thiopental-Natrium enthaltende Arzneimittel in Verkehr bringt, möchte ich Sie eindringlich bitten, solchen Lieferungsersuchen nicht zu entsprechen“.
Bereits im vergangenen Jahr hatten die Nachschubprobleme dazu geführt, dass etwa in Kentucky oder Kalifornien Exekutionen verschoben wurden. Vielerorts sind zwar noch Rationen vorhanden, allerdings läuft deren Haltbarkeitsdatum bald ab, wenn es nicht schon überschritten ist. Nur noch wenige Exekution können deshalb wie geplant durchgeführt werden. Arizona ließ sich das Natrium-Thiopental für eine Hinrichtung im Oktober wegen des Mangels sogar von einem britischen Hersteller liefern, der in den USA nicht zugelassen ist. Das Oberste Gericht hatte die Anwendung zwar dennoch erlaubt, aber auch die britische Firma will das Mittel wegen der EU-Vorschriften nicht mehr in die USA liefern.
In den USA hat der Hersteller nach eigenen Angaben keine Produktionsstätte mehr für den Wirkstoff und erklärte deshalb, den Stoff nicht weiter produzieren zu wollen. Die Suche nach Ersatzstoffen und deren Zulassung für Exekutionen könnten Monate oder gar länger dauern. Oklahoma hatte bereits mehrfach ein Medikament zum Einschläfern von Tieren benutzt. Das löste vor allem bei Gegnern der Todesstrafe massive Kritik aus. Sie argumentieren, die Substanz sei für den Zweck unerprobt und ihre Anwendung eine grausame Strafe, vor der Häftlinge laut Verfassung geschützt seien.
In 35 US-Bundesstaaten wird die Todesstrafe verhängt. Fast alle davon richten ihre Häftlinge mit der Giftspritze hin. Thiopental ist durch diverse Agenten-Thriller als Wahrheitsserum bekannt geworden.
dpa/tz