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Diskussion um Schuldenbremse: CDU-Chef Laschet spricht Machtwort und kritisiert Merkel-Vertrauten für Alleingang

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Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender, nimmt am Online-Parteitag der CDU Baden-Württemberg teil.
Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender, wird deutlicht. © Marijan Murat/dpa-Pool/dpa

Kanzleramtsminister Helge Braun sorgt mit einem Vorstoß zum längeren Aussetzen der Schuldenbremse durch eine Änderung des Grundgesetzes für eine große Debatte.

Update vom 27. Januar, 13.25 Uhr: Die FDP-Bundestagsfraktion hat ihren Antrag auf eine Aktuelle Stunde zu einer Aussetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse in der Corona-Pandemie zurückgezogen. „Offenbar hat Armin Laschet aus dem Testballon der Kanzlerin rechtzeitig die Luft rausgelassen. Unsere Aktuelle Stunde hat ihr Ziel also schon erreicht, bevor sie stattgefunden hat“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, am Mittwoch in Berlin.

Er bekräftigte, dass die FDP einen solchen, von Kanzleramtschef Helge Braun ins Spiel gebrachten Schritt ablehne. „Wir werden die Kosten der Krise nicht mit schwarzen Schulden und nicht mit roten Steuern bezahlen können. Stattdessen brauchen wir Wachstum durch mehr Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Unternehmertum“, so Buschmann.

Diskussion um Schuldenbremse: Vorschlag von Helge Braun - Unterstützung seitens der Grünen

Update vom 26. Januar, 17.00 Uhr: In der Debatte um eine Reform der Schuldenbremse haben die Grünen* den Vorschlag von Kanzleramtschef Helge Braun zu einer entsprechenden Grundgesetzänderung begrüßt. „Eine Rückkehr zur rigiden Schuldenbremse 2022 würde die notwendigen Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung, Mobilität und Bildung unmöglich machen“, warnte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Schuldenbremse in den nächsten Jahren weiter auszusetzen, wie es für 2020 und 2021 geschehen war, wäre ihrer Meinung nach nur eine Notlösung. „Wir wollen die Schuldenbremse deshalb dauerhaft um eine Investitionsregel ergänzen.“

Unterstützung kam auch vom Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck. „Gut, dass das Kanzleramt und Helge Braun den Mut finden, die Wahrheit auszusprechen: Die Schuldenbremse ist so künftig nicht mehr einzuhalten“, sagte Habeck der Süddeutschen Zeitung. „Statt Kreditaufnahme einfach generell zu erlauben, sollten wir sie auf Nettoinvestitionen beschränken, die das öffentliche Vermögen und unseren Wohlstand erhöhen“, betonte Habeck zugleich.

Auch Politiker:innen der SPD hatten sich aufgeschlossen für eine Reform der Schuldenbremse gezeigt, darunter Finanzminister Olaf Scholz.

Schuldenbremse: Auch CDU-Chef Armin Laschet weist Brauns Voschlag zurück

Update vom 26. Januar, 16.20 Uhr: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat eine Einschätzung von ihm gefordert (siehe Update vom 26. Januar, 16.10 Uhr), nun kommt sie: Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat die Überlegungen von Kanzleramtsminister Helge Braun zu Änderungen bei der Schuldenbremse zurückgewiesen. In einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlangte Laschet, dass solche Vorstöße künftig mit Partei und Fraktion abgestimmt werden müssten, wie Teilnehmer der Sitzung am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP berichteten.

„Sollten Regierungsmitglieder es für erforderlich halten, die Verfassung ändern zu wollen, sollten sie dies in Zukunft mit Partei und Fraktion abstimmen“, wurde Laschet zitiert. „Das kann man nicht mal so eben machen.“ Auch in der Sache wandte sich Laschet gegen Brauns Überlegungen. „Die Schuldenbremse sollte erhalten bleiben, ebenso wie wir Steuererhöhungen ablehnen“, sagte er laut Teilnehmern.

Schuldenbremse: SPD hatte schon vorher Reformvorschläge gemacht - nun „gewisse Überraschung“

Update vom 26. Januar, 16.10 Uhr: Der Vorstoß von Kanzleramtschef Helge Braun zum Aussetzen der Schuldenbremse (siehe Erstmeldung) sorgt weiter für Diskussionen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, es handele sich dabei um eine „komplett neue Einschätzung“ für die Union. Daher solle nun der neue CDU-Chef Armin Laschet* klar machen, „wie er mit der Frage umgehen will“, forderte Mützenich. Er selbst habe Brauns Vorstoß „mit Interesse und auch mit einer gewissen Überraschung“ zur Kenntnis genommen. Die SPD habe bereits Vorschläge zur Reform der Schuldenbremse gemacht, betonte Mützenich.

Laut Parteitagsbeschluss wollen die Sozialdemokraten* die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form „perspektivisch überwinden“. Es wird also reichlich Gesprächsstoff geben in der Koalition. Die FDP-Fraktion beantragte zudem eine Aktuelle Stunde, um die Haltung der Bundesregierung zu einer Aufweichung der Schuldenbremse im Bundestag zu debattieren.

Schuldenbremse: Unverständnis für Brauns Vorschlag kommt von vielen Seiten

Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus äußerte vor der Fraktionssitzung Unverständnis über den Vorstoß aus dem Kanzleramt. „Es ist eine Sache, die uns auch irritiert hat“, sagte Brinkhaus - und stellte klar: „Es ist auch keine mehrheitsfähige Position in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die grundgesetzlichen Regelungen zur Schuldenbremse auszusetzen.“ Die Fraktion bleibe auf ihrer „ordnungspolitischen Linie“. Die derzeitige Regelung im Grundgesetz, wonach die Schuldenbremse im Fall großer Katastrophen wie einer Pandemie ausgesetzt werden kann, sei „absolut ausreichend“, sagte Brinkhaus.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sieht derweil kaum Chancen für eine Änderung der Grundgesetzvorschriften zur Schuldenbremse. Eine solche Neufassung „setzt einen breiten parteiübergreifenden Konsens voraus, den ich aktuell nicht sehe“, sagte sie der Saarbrücker Zeitung.

Helge Braun selbst sah sich offenbar genötigt, noch einmal selbst Stellung zu beziehen. Auf Twitter stellte er klar, dass er die Schuldenbremse nicht aus dem Grundgesetz streichen will. „Mein Vorschlag, wie man den Weg zur „schwarzen Null“ nach der Pandemie gesetzlich vorzeichnet, zielt darauf ab, verbindlicher als fortgesetzt mit der Notklausel zu handeln, und nicht die Schuldenregel in Frage zu stellen“, tweetete Braun. Danach versah er die Schuldenbremse mit einem Herzchen.

Kanzleramtschef Helge Braun bringt Grundgesetzänderung zum Aussetzen der Schuldenbremse ins Spiel

Erstmeldung vom 22. Januar, 15.11 Uhr: Berlin - Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat angesichts der Belastungen durch die Corona-Krise ein längeres Aussetzen der Schuldenbremse gefordert. Dazu brachte er eine Grundgesetzänderung ins Spiel. „Die Schuldenbremse ist in den kommenden Jahren auch bei ansonsten strenger Ausgabendisziplin nicht einzuhalten“, schrieb Braun in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt. Braun sprach sich dagegen aus, weiterhin wie bisher die Ausnahme für Naturkatastrophen zu nutzen.

Denn es ist laut Braun völlig unklar, wie lange die Pandemie eine Ausnahme von der Schuldenbremse begründe. „Deshalb ist es sinnvoll, eine Erholungsstrategie für die Wirtschaft in Deutschland mit einer Grundgesetzänderung zu verbinden“, schrieb der Kanzleramtsminister. Diese solle für die kommenden Jahre einen verlässlichen, enger werdenden Korridor für die Neuverschuldung vorsehen und ein klares Datum für die Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenregel vorschreiben.

Der Corona-Lockdown wurde in Deutschland gerade erst verlängert. Die Einschränkungen gelten vorerst bis Mitte Februar. Doch niemand weiß wirklich, wie lange es danach noch weitergeht.

Die im Grundgesetz* festgeschriebene Schuldenbremse bedeutet, dass die Ausgaben von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Kredite zu finanzieren sind. Diese Haushalte sollen also stets ausgeglichen sein. Der Bund darf sich demnach im Normalfall maximal in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden. Der Bundestag hatte bereits für die Haushalte 2020 und 2021 jeweils die Schuldenbremse aufgehoben, um eine höhere Neuverschuldung für die Milliardenlasten der Corona-Krise zu ermöglichen. Braun wandte sich aber nun gegen diese „jährlichen Einzelfallentscheidungen“.

Helge Braun: Kritik aus der eigenen Partei am Vorstoß zum Aussetzen der Schuldenbremse

Der Vorstoß stieß sofort auf zum Teil heftige Kritik aus Brauns eigener Partei. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion - der Helge Braun selbst angehört - lehnte ein längeres Aussetzen der Schuldenbremse entschieden ab. „Die Unionsfraktion im Bundestag hält an der Schuldenbremse im Grundgesetz fest“, erklärte der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion, Eckhardt Rehberg. „Solide Staatsfinanzen sind für die Unionsfraktion nicht verhandelbar.“ Die Schuldenbremse habe sich bewährt, denn sie stehe für Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Die aktuell niedrigen Zinsen seien trügerisch, warnte Rehberg.  „Hohe Schulden bedeuten bei wieder steigenden Zinsen hohe Risiken für zukünftige Haushalte.“ Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte die Schuldenbremse ein „Erfolgsmodell“. Er tat Brauns Vorschlag als „Debattenbeitrag“ ab.

CSU-Chef Markus Söder nannte Brauns Idee „ein falsches Signal“ und sagte: „Wir können die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie nicht auf Dauer mit höheren Schulden oder hohen Steuern lösen.“ Es brauche vielmehr ein schlüssiges wirtschaftspolitisches Konzept, so Söder. „Deutschland steht für finanzielle Seriosität, dabei sollten wir auch bleiben.“ Der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, bezeichnete die Schuldenbremse in der Welt als „eines der wichtigsten politischen Disziplinierungsinstrumente, das die Ausgabenlust des Staates zügelt“. Eine Grundgesetzänderung wäre „ein Dammbruch“.

Schuldenbremse: Finanzminister Scholz offen für Brauns Vorschlag

Mehr Offenheit zeigte der Koalitionspartner SPD*. Finanzminister Olaf Scholz zeigte sich aufgeschlossen dafür, die Schuldenbremse zur Bewältigung der Corona-Pandemie neu zu regeln. Scholz gab allerdings zu bedenken: „Neben vielen Vorzügen macht dieser Vorschlag hohe gesetzgeberische Eingriffe nötig, die einen breiten parteiübergreifenden Konsens voraussetzen.“ Angesichts des Widerstands in der CDU-Fraktion scheint dieser Konsens aktuell eher fraglich. Änderungen des Grungesetzes sind nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat möglich.

Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gestikuliert in einem dpa-Interview.
Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist aufgeschlossen für Reformen der Schuldenbremse. © Kay Nietfeld/dpa

Scholz erklärte, wenn die Weltwirtschaft wieder anziehe, werde Deutschland mittelfristig aus den Schulden herauswachsen können. Bis dahin aber gebe es Herausforderungen im Haushalt. Klar sei für ihn, dass trotzdem in den sozialstaatlichen Sicherungssystemen nicht gekürzt werden dürfe und dass weiter auf hohem Niveau investiert werden müsse, betonte Scholz.

Schuldenbremse: Kritik auch aus der FDP am Vorstoß Helge Brauns

FDP-Chef Christian Lindner wiederum hat für die Idee wenig übrig. Die von Braun dargelegte Position habe „den Charakter einer finanzpolitischen Kapitulation“, sagte er ebenfalls im Handelsblatt. Die CDU warte jetzt nicht einmal mehr konkrete Zahlen für den Haushalt 2022 ab. FDP-Fraktionsvize Christian Dürr betonte, die Schuldenbremse sorge für Generationengerechtigkeit und habe den Staat in der Krise handlungsfähig gemacht. „Dieses Instrument abzuschwächen, wäre unverantwortlich.“ Der Präsident des stets ausgabenkritischen Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, wer die Regeln der Schuldenbremse schleife, „schlägt den Rückweg in eine dauerhafte Verschuldungspolitik ein“.

Helge Braun hingegen sieht in einem längerfristigen Abweichen von der Schuldenbremse eine „strategische Entscheidung zur wirtschaftlichen Erholung“. Der durch eine Grundgesetzänderung gewonnene Verschuldungsspielraum solle ermöglichen, finanzielle Zusatzbelastungen für Bürger und Unternehmen zu verhindern. Braun sprach sich in dem Beitrag auch dafür aus, die Sozialabgaben „bis Ende 2023 zu stabilisieren und auch auf Steuererhöhungen zu verzichten“.

Schuldenbremse: Linke sieht Schuldenbremse dagegen vor allem als Hemmnis für Investitionen

Wenig überraschend hat die Linke* mehr Sympathie für den Vorschlag, denn sie mag die Schuldenbremse ohnehin nicht. Linken-Parteichefin Katja Kipping sagte der Welt, diese sei vor allem eins: „Eine Investitionsbremse und damit volkswirtschaftlich kontraproduktiv. Sie gehört entsorgt.“ Was Helge Braun vorschlage, sei zwar besser „als der bisherige Schuldenbremsen-Fetischismus der Union, aber noch lange nicht der nötige Abschied von der Investitionsbremse“. Der Ko-Vorsitzende Bernd Riexinger kritisierte wiederum, dass Braun bis Ende 2023 die Sozialausgaben stabilisieren und keine Steuern erhöhen zu wollen. „Damit würde sichergestellt, dass trotz Lockerung der Schuldenbremse nicht die Reichen und Konzerne, sondern die Lohnabhängigen und Leistungsberechtigten die Krise zahlen.“ Die Debatte hat begonnen. (AFP/dpa/ck) *Merkur.de gehört zum Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerk.

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