Haftverschonung fürs Kinderkriegen: Putin will mit drakonischen Maßnahmen den Geburtenknick regeln
Erschwerte Abtreibungen: Putins Machtapparat greift Frauenrechte an – um den Geburtenknick in den Griff zu kriegen. Straftäterinnen winkt zum Kinderkriegen die Freiheit.
Moskau – Während die Armee von Russlands Präsidenten Wladimir Putin bereits über 300.000 Soldaten im Krieg gegen die Ukraine verloren haben soll, gibt es immer weniger Menschen in Russland. Allein zwischen Januar und Mai 2023 soll die russische Bevölkerung um knapp 240.000 Menschen geschrumpft sein, meldete die russische Statistikbehörde Rossstat. Außerdem überaltert die russische Bevölkerung und die Lebenserwartung sinkt seit Jahren. Laut einer Rechnung der Vereinten Nationen könnte sich die Zahl der Russen bis Ende des Jahrhunderts halbieren. Deshalb fordern einige Putin-Getreue nun besonders frauenfeindliche Maßnahmen.
Unheilige Allianz aus Kirche und Putins Apparat gegen Abtreibungen
Es ist ein Bündnis vom durch Großbritannien sanktionierten Duma-Abgeordneten Valery Selezniow, über den Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche Kyrill II. bis hin zum Autokraten Putin selbst, das den Trend umkehren möchte. Ihr erstes Ziel dürfte das Abtreibungsrecht werden: Patriarch Kyrill forderte laut dem US-Portal Newsweek kürzlich, man solle die „Anstiftung zur Abtreibung“ in Russland verbieten. Laut der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) sind Schwangerschaftsabbrüche in Russland bis zur zwölften Woche legal. Es gebe aber bereits Einschränkungen: So sollen Kliniken in einigen Regionen Russlands keine Abbrüche mehr anbieten. Außerdem brauchen Frauen in einigen Gegenden das Einverständnis ihres Priesters.

Russlands Frauen wird der Zugang zu Verhütungsmitteln erschwert
Außerdem berichtet die AP von Einschränkungen beim Zugang zur medikamentösen Abtreibung. Es soll das russische Gesundheitsministerium im Oktober verordnet haben, dass Tabletten zum Schwangerschaftsabbruch, die üblicherweise vor der zwölften Schwangerschaftswoche genutzt werden, nur noch von Kliniken unter enormen bürokratischen Aufwand ausgegeben werden dürfen. Laut der Marktanalysefirma RNC Pharma sei der Verkauf dieser Medikamente nach dem erneuten russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 um über 60 Prozent angestiegen. Auch für die sogenannte „Pille-danach“, die den Eisprung nach ungeschützten Sex verzögern soll, gelten bereits ähnliche Einschränkungen.
Duma-Abgeordneter will Frauen Haftstrafen erlassen – wenn sie gebären
Laut Newsweek soll der Duma-Abgeordnete Selezniow gefordert haben, Frauen, die für „geringfügige Delikte“ einsitzen, zu entlassen, damit sie schwanger werden könnten. Sollten die Betroffenen dann ein Kind erwarten, so solle ihnen die restliche Strafe erlassen werden. Gleichzeitig forderte er Möglichkeiten für Inhaftierte zu gebären. Mit wem und wie die Frauen die Kinder zeugen sollten, sagte er nicht. Dabei gibt es in Russland deutlich mehr Frauen als Männer: Laut der letzten von Rossstat veröffentlichten Volkszählung lebten 2021 in Russland 15 Prozent mehr Frauen als Männer. Dieses Ungleichgewicht wird sich durch den Krieg nur noch weiter verschoben haben.
Es ist auch immer „die Faust des Staates“ – Patriachale Gewalt gegen Frauen in Russland
Russlands Präsident Putin gestand laut der US-Denkfabrik „Center for European Policy Analysis“ bereits 2019 ein, dass ihn die schrumpfende Bevölkerung Russlands „verfolge“. „Russlands Schicksal hängt davon ab, wie viele wir sind und wie viele wir sein werden“, zitiert die französische Zeitung Le Monde ihn aus einer Rede 2020. Frauenrechtsorganisationen kritisieren seine Politik seit Jahren, patriarchale Gewalt ist tief in den Alltag russischer Frauen eingeschrieben und staatlich toleriert. So sagte die russische Frauenrechtlerin Aljona Popowa der Frankfurter Allgemeinen: Dass eine „Faust in der Familie immer auch die Faust des Staates“ sei. (kb)