Söder fordert von Betrieben mehr Homeoffice - Wirtschaftsboss warnt schon
Markus Söder fordert nach mehr Maske und mehr Abstand nun auch mehr Homeoffice in Bayern. Doch wie steht die Wirtschaft zu dieser Thematik?
München - Beim „Homeoffice-Gipfel“ an diesem Mittwoch will Ministerpräsident Markus Söder Bayerns Arbeitgeber dazu drängen, mehr Heimarbeit zu ermöglichen. Bertram Brossardt, Chef der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), warnt hingegen: In vielen Bereichen sei das gar nicht möglich.

Schöpfen bayerische Firmen das Homeoffice-Potenzial ausreichend aus?
Brossardt: Seit dem Sommer gelten in den bayerischen Betrieben hohe Standards zum Schutz vor Corona* - und das Homeoffice ist Teil dieser Strategie. Die Maßnahmen werden bislang sehr erfolgreich umgesetzt. Zahlen belegen, dass das nachweisliche Infektionsgeschehen am Arbeitsplatz auf einem niedrigen Niveau ist. Natürlich ist uns bewusst, dass die Infektionszahlen insgesamt zu hoch sind - Kontakte müssen deutlich reduziert werden. Wir haben deshalb erneut an bayerische Unternehmen appelliert: Homeoffice, wo immer es geht.
Reichen Appelle? Oder braucht man eher Zielmarken, wie sie der Ministerpräsident fordert?
Brossardt: Die Rückmeldung aus unseren Mitgliedsunternehmen lautete bislang: Ja, das ist richtig so. Die Homeoffice*-Bereitschaft der Betriebe ist schon aus purem Eigeninteresse da: Es will doch keiner ein Infektionsgeschehen im eigenen Unternehmen. Zu Zielmarken möchte ich mich nicht äußern.
Wo ist das Problem?
Brossardt: Es gibt keine generelle Antwort, wie man mit Homeoffice-Konzepten umgehen soll - denn das muss jedes Unternehmen für sich überprüfen. Ein Elektriker muss da sein, wenn etwas kaputtgeht. Und ein IT-Fachmann muss da sein, wenn etwas installiert werden muss. Homeoffice kann nur betriebsspezifisch geregelt werden.
Wie viel Spielraum gibt es denn für mehr Homeoffice in den Unternehmen?
Brossardt: Wir haben die Betriebe gebeten, zu prüfen, wie viel Luft nach oben beim Thema Homeoffice ist. Wir stehen hinter dem Konzept, aber wir sehen nun mal auch die Grenzen - vor allem in der Produktion, in der Erbringung von Dienstleistungen oder im Handwerk. Das Homeoffice sollte generell nur eine Notmaßnahme sein, bis die Pandemie durch weitere Maßnahmen wie Abstand, Maske*, Testen* und Impfen gebrochen ist.
Warum?
Brossardt: Durch ein Übermaß an Homeoffice entstehen mittelfristig Produktivitäts- und Kreativitätsverluste. Betriebe brauchen intern einen optimalen Austausch - und der ist durch digitale Tools nicht gegeben.
Die Grünen haben einen „Pakt für Heimarbeit“ gefordert. Ist das sinnvoll?
Brossardt: Wir haben nichts dagegen, hierbei eine gemeinschaftliche Linie zu finden - solange es darum geht, gemeinsam zu appellieren. Was Verpflichtungen von Arbeitgebern angeht - da werden wir Nein sagen.
Welches Potenzial sehen Sie generell im Homeoffice - bis auf den Infektionsschutz?
Brossardt: Das Homeoffice wird in der Zukunft einen größeren Platz in der Arbeitswelt finden. Diese Entwicklung haben wir schon vor der Pandemie gesehen. Und diese Entwicklung kann positiv sein - solange betriebsindividuelle Lösungen gefunden werden, denn nur die können die Realität abbilden. Wenn jemand vorschlägt, man sollte alle ins Homeoffice schicken - das würde uns allen schaden.
Interview: Kathrin Braun *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks