Wurde Spion beim BND von der CIA gesteuert?

Berlin - Die NSA-Späh-Affäre hat das deutsch-amerikanische Verhältnis stark belastet. Bundespräsident ist besorgt über den Maulwurf beim BND. Nun soll auch die CIA die Finger im Spiel gehabt haben.
Bundespräsident Joachim Gauck hat sich besorgt über den Spionagefall

beim Bundesnachrichtendienst (BND) gezeigt und vor einer Belastung der deutsch-amerikanischen Beziehungen gewarnt. "Wir hatten wirklich eine lange und intensive Debatte darüber, mit welchen Rechten die NSA ausgestattet ist gegenüber anderen Ländern und den Bürgern aus unserer Nation", sagte Gauck. Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass ein BND-Mitarbeiter für einen US-Geheimdienst spioniert hat, „dann ist das wirklich ein Spiel auch mit Freundschaft, mit enger Verbundenheit“, sagte Gauck im ZDF-Sommerinterview. „Dann ist ja nun wirklich zu sagen: Jetzt reicht's auch einmal.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich bislang hingegen nicht zu dem Spionagefall geäußert. Ihr Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Freitag jedoch von einem "sehr ernsten Fall" gesprochen. Da Merkel auf Auslandsreisen das Geschehen im Inland grundsätzlich nicht kommentiert, ist bis zu ihrer Rückkehr von ihrer bis Dienstag dauernden Chinareise keine Meldung von ihr zu erwarten.
BND: "Späh-Affäre ist kein GAU"
Die Affäre um den US-Spion beim Bundesnachrichtendienst scheint allerdings nicht ganz so weite Kreise zu ziehen wie zunächst befürchtet. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags ist nach Angaben seines Vorsitzenden Patrick Sensburg entgegen ersten Berichten doch nicht ausspioniert worden. Zudem war der Spion laut BND nur eine Hilfskraft in der Abteilung „Einsatzgebiete Ausland“ und kein Agent des Auslandsgeheimdienstes. „Es ist nach der ersten Bewertung nicht etwas, was der GAU (größte anzunehmende Unfall) wäre“, hieß es in ranghohen BND-Kreisen.
Die Bundesanwaltschaft hatte bereits am Mittwoch einen 31-jährigen BND-Mitarbeiter festnehmen lassen. Er hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur über einen Zeitraum von zwei Jahren 218 Dokumente an US-Geheimdienste weitergeleitet und dafür 25.000 Euro kassiert. Die Dokumente enthielten laut BND keine besonders sensiblen Informationen. Der BND geht davon aus, dass der Spion aus finanziellem Interesse und Geltungsdrang gehandelt hat.
Verhafteter BND-Mann spionierte offenbar für die CIA
Nach Informationen der "Bild am Sonntag" hat der 31-Jährige für den US-Geheimdienst CIA gearbeitet. Noch vor fünf Tagen, am 1. Juli, habe er geheime Dokumente zum NSA-Untersuchungsausschuss an die Amerikaner geliefert, berichtet die Zeitung in einer Vorabmeldung. Die deutschen Dienste seien sich sicher, dass die CIA in die Angelegenheit involviert sei. Der mutmaßliche Doppelagent habe angegeben, einmal pro Woche geheime Dokumente an die USA geschickt zu haben.
Die US-Behörden hätten den BND-Mitarbeiter offenbar genau gesteuert, hieß es in dem Bericht weiter. Sein letzter Auftrag habe darin bestanden, Informationen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages zu besorgen. Von den insgesamt 218 gelieferten Dokumenten hätten die letzten beiden Sendungen den NSA-Ausschuss betroffen. Dabei handelte es sich dem Bericht zufolge um interne Zusammenstellungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) für den Untersuchungsausschuss.
Die Bundesregierung fordert nach Informationen der "Bild am Sonntag" nun, die Agenten des "Joint Intelligence Staff" (Integrierter Geheimdienst-Stab) in der Berliner US-Botschaft auszuwechseln. Auch ein Austausch des US-Botschafters gelte nicht mehr als ausgeschlossen.
USA sollten helfen, den Maulwurf zu finden
Die beim Bundesamt für Verfassungsschutz angesiedelte Spionageabwehr kam dem Maulwurf Ende Mai auf die Spur, nachdem er dem russischen Geheimdienst seine Dienste in einer E-Mail an das russische Generalkonsulat in München angeboten hatte. Als Beleg für seinen Wert schickte der Mann drei als geheim eingestufte BND-Dokumente mit, von denen zwei den NSA-Untersuchungsausschuss betrafen. Diese E-Mail wurde vom Verfassungsschutz abgefangen.
Um den Maulwurf zu überführen soll sich die deutsche Seite sogar an US-Behörden gewandt haben. Sie wollte so herausfinden, ob die Google-Mail-Adresse, von der aus das russische Generalkonsulat angeschrieben worden war, dort möglicherweise bekannt ist, berichten der „Spiegel“ und die „Welt am Sonntag“. Laut „Spiegel“ reagierte die US-Seite aber nicht.
Konsequenzen aus Späh-Affäre gefordert
Der CSU-Außenpolitiker Hans-Peter Uhl forderte Konsequenzen: „Die Amerikaner halten sich ganz offenkundig nicht daran, dass man Verbündete nicht ausspäht. Sie führen sich in Deutschland auf wie eine digitale Besatzungsmacht“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Es sei deshalb an der Zeit, „sich unabhängiger von den amerikanischen Geheimdiensten zu machen“. Auch müsse die technische Ausstattung der deutschen Dienste verbessert werden.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat von den USA Aufklärung über die Spionagevorwürfe gegen einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts (BND) verlangt. „Wenn die Berichte zutreffen, dann reden wir hier nicht über Kleinigkeiten“, sagte Steinmeier am Sonntag bei einem Besuch in der Mongolei. Deshalb müssten die USA „mit ihren Möglichkeiten an einer schnellstmöglichen Aufklärung mitwirken“, sagte Steinmeier. „Aus Eigeninteresse sollten die USA dieser Mitwirkungspflicht auch Folge leisten.“ Nichts dürfe unter den Teppich gekehrt werden.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière verlangte "schnelle und eindeutige Äußerungen" der USA zu dem Spionagevorwurf. Es handle sich um einen "sehr schwerwiegenden" Vorfall, sagte de Maizière der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe). "Die vom Generalbundesanwalt erhobenen Vorwürfe wiegen sehr schwer und müssen jetzt zügig aufgeklärt werden." Die Ermittlungen müssten zeigen, was konkret dem Beschuldigten vorgeworfen werde. "Erst dann können wir das Ausmaß der mutmaßlichen Spionage beurteilen, insbesondere auch die Frage beantworten, wer daran beteiligt war", warnte der Innenminister vor voreiligen Schlüssen.
Martina Renner, Linken-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, verlangte in der Zeitung, der Generalbundesanwalt müsse endlich „ein Ermittlungsverfahren wegen der massenhaften Ausspähung deutscher Bürger durch die NSA und anderer Machenschaften dieses Dienstes einleiten“.
Prism, XKeyscore & Co. - Chronologie der NSA-Spähaffäre
Die Bundesregierung fordert nach Informationen der "Bild am Sonntag" nun, die Agenten des "Joint Intelligence Staff" (Integrierter Geheimdienst-Stab) in der Berliner US-Botschaft auszuwechseln. Auch ein Austausch des US-Botschafters gelte nicht mehr als ausgeschlossen.
USA: Reparaturarbeiten in Gefahr
Der Fall scheint auch in der US-Regierung für Beunruhigung zu sorgen. Die „New York Times“ zitierte einen Regierungsvertreter mit der Einschätzung, die Berichte über eine mindestens zweijährige Spionagetätigkeit des BND-Mitarbeiters drohten alle Reparaturarbeiten im deutsch-amerikanischen Verhältnis wieder zu zerstören.
Die frühere US-Außenministerin und mögliche Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit beider Länder Länder. Der „Bild am Sonntag“ sagte sie: „Ich weiß, dass Präsident Obama sich sehr stark engagiert, um sämtliche Tatsachen in Erfahrung zu bringen und die Zusammenarbeit mit Deutschland fortzusetzen.“
dpa/afp