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Streit um Speicherung der Vorratsdaten neu entfacht

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Union und FDP streiten um die Datenspeicherung
Union und FDP streiten um die Datenspeicherung © dapd

Berlin - Nach den Anschlägen in Norwegen schlägt die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung hohe Wellen. Die EU-Kommission will eine europaweite Neuregelung, doch es gibt auch Kritik.

Das Massaker in der norwegischen Hauptstadt Oslo facht die Debatte in Deutschland um die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zur Terrorismusbekämpfung an. Wie Politiker der Union befürwortet auch EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung. Die Brüsseler Kommission überarbeitet derzeit die geltende EU-Richtlinie für die Datenspeicherung. Politiker von SPD, Grünen und FDP warnen vor einer hektischen Verschärfung von Sicherheitsgesetzen.

“Auf Vorrat gespeicherte Daten werden zunehmend wichtiger bei der Bekämpfung von Cyber- und Internetkriminalität“, heißt es in einem Schreiben der EU-Kommissarin an die FDP-Bundestagsfraktion, aus dem die Neue Osnabrücker Zeitung (Dienstagausgabe) zitiert. Auch zur Verfolgung “besonders schwerer Verbrechen“ würden die Daten eingesetzt, schrieb Malmström. Den FDP-Ansatz eines Einfrierens von Telefon- und Internetverkehrsdate (Quick Freeze), in konkreten Verdachtsfällen hält sie für unzureichend.

FDP-Rechtsexperte Marco Buschmann, der zuvor in einem offenen Brief an Malmström für den Quick-Freeze-Ansatz geworben hatte, warf der Kommissarin Einseitigkeit vor. “Frau Malmström gehen die Argumente aus. Sie trägt nur noch vor, dass mehr Daten besser seien als weniger.“ Dabei sei der oberste Grundsatz der digitalen Privatsphäre doch die Datensparsamkeit, betonte Buschmann.

Die kuriose Beziehung der Deutschen zum Computer

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hat zu einer Beendigung des Streits über eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung aufgerufen. Er sagte am Dienstag im Deutschlandfunk: “Wir sollten die Scharmützel lassen vor dem Hintergrund eines Jahrhundertverbrechens.“ Er glaube, es sei nicht hilfreich, nun mit Patentrezepten darauf zu reagieren. Erforderlich seien vielmehr Augenmaß und Verstand, sagte Wiefelspütz.

Wiefelspütz betonte, Deutschland sei europarechtlich verpflichtet, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen, und er stehe zu einer solchen Regelung. Das Thema habe jedoch mit dem Massenmord in Norwegen “nichts, aber auch gar nichts zu tun“.

Grünen-Parteivorsitzende Claudia Roth und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisierten die erneute Rechtfertigung der Vorratsdatenspeicherung insbesondere von CSU-Politikern. “Die Union sollte die Tragödie nicht ausnutzen, um Effekthascherei für eine alte Forderung zu betreiben“, sagte Roth der Frankfurter Rundschau (Dienstagausgabe). Solche Vorschläge “erwecken den falschen Eindruck, dass die Vorratsdatenspeicherung diese schreckliche Tat hätte verhindern können“. Roth forderte die Bundesregierung zugleich zu einem stärkeren Engagement gegen Rechtsextremismus auf.

Nahles forderte in der Rhein-Zeitung (Dienstagausgabe): “Wir müssten mehr Polizeibeamte einstellen, die die rechtsradikale Szene im Internet beobachten können.“ Sie forderte die Innenminister der Länder zugleich auf, “die Voraussetzungen für ein NPD-Verbot zu schaffen“. Das verhindere zwar keinen Anschlag, trockne aber die finanziellen Ressourcen der Rechten aus.

Sachsens Justizminister Jürgen Martens (FDP) nannte die Forderungen nach Vorratsdatenspeicherung und einer Datei für auffällige Internetnutzer “unverantwortlichen Populismus“. Die Anschläge in Norwegen seien die erschütternde Tat eines offenbar verwirrten Einzelgängers, sagte Martens der Leipziger Volkszeitung (Dienstagausgabe). Ob und wie man den mutmaßlichen Attentäter von seinen Schreckenstaten hätte abhalten können, ließe sich derzeit noch nicht einmal ansatzweise beantworten.

Der Vizechef der Europäischen Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber, fordert als Reaktion auf die Ereignisse in Norwegen eine europäische Offensive gegen politische Extremisten im Internet. “Extremistische Webseiten müssen europaweit gebannt werden“, sagte der CSU-Politiker der Rheinischen Post (Dienstagausgabe).

Bisher gebe es nur entsprechende Verabredungen zwischen den EU-Staaten in Bezug auf islamistische Internetseiten, um eine Anwerbung von Terroristen im Netz zu verhindern, sagte Weber. Die Attentate von Oslo zeigten jedoch, dass künftig auch gegen Terrorgefahren aus der eigenen Gesellschaft schärfer vorgegangen werden müsse.

dapd

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