Trump ernennt Obersten Richter - und muss nun zittern
Washington - Es ist eine der potenziell folgenreichsten Entscheidungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump: Er hat mit Neil Gorsuch einen ausgewiesenen Konservativen für den seit einem Jahr vakanten Posten am Obersten Gericht des Landes ernannt.
Die Ernennung des 49-jährigen Bundesberufungsrichters ist geeignet, dem mächtigen Supreme Court eine auf lange Sicht konservative Grundausrichtung zu geben. Nach der "Verteidigung der Nation" sei die Nominierung der obersten Richter aus seiner Sicht die "wichtigste Entscheidung" eines US-Präsidenten, sagte Trump bei der Bekanntgabe seiner Entscheidung am Dienstagabend (Ortszeit) im Weißen Haus. Die Ernennung Gorsuchs bezeichnete er als Erfüllung eines Wahlkampfversprechens: "Ich bin ein Mann des Wortes", sagte Trump (lesen Sie hier alle News zu Donald Trump auf unserer Themenseite).
Tatsächlich war die Hoffnung auf eine dauerhafte konservative Ausrichtung des Supreme Court eines der zentralen Motive, die die Trump-Wählerschaft mobilisierte. Das Gericht hat bei vielen politischen und gesellschaftlichen Streitthemen wie dem Schwangerschaftsabbruch, der Todesstrafe oder dem Waffenbesitz das letzte Wort.
Gorsuch wird möglicherweise jahrzehntelang den Posten im Supreme Court haben - wenn Senat zustimmt
Zusätzliches Gewicht bekommen die Besetzungen des Supreme Court dadurch, dass die Richter auf Lebenszeit ernannt werden - Gorsuch, der jüngste Kandidat für das Gericht seit einem Vierteljahrhundert, wird den Posten möglicherweise jahrzehntelang innehaben.
Bush beschrieb Gorsuch, der seit mehr als zehn Jahren als Berufungsrichter im westlichen Bundesstaat Colorado tätig ist, als Kandidaten von "herausragenden juristischen Fähigkeiten" und "brillantem Geist", der parteiübergreifende Unterstützung genieße. Die Ernennung des 49-Jährigen kam nicht als Überraschung. Wegen seines Rufs als scharfsinniger Vertreter konservativer Rechtsauslegungen war er einer der Topfavoriten gewesen.
Seine Ernennung muss allerdings noch vom Senat genehmigt werden. Da die Republikanische Partei des Präsidenten dort über eine Mehrheit von 52 der 100 Sitze verfügt, hat er gute Aussichten, das grüne Licht der Kongresskammer zu erhalten. Allerdings könnte das Nominierungsverfahren durchaus kompliziert werden und sich monatelang hinziehen.
Trumps politische Gegner drohen damit, das Instrument „Filibuster“ anzuwenden
Normalerweise genügt für die Nominierung der Richter zwar die einfache Mehrheit im Senat. Allerdings kam aus Reihen der oppositionellen Demokraten die Drohung, auf das Instrument des sogenannten Filibuster zurückzugreifen. Dabei handelt es sich um Marathon-Reden, die das Verfahren lange hinauszögern können. Um den Filibuster zu brechen und die Nominierung Gorsuchs wieder auf die Schiene zu setzen, bräuchten die Republikaner 60 Stimmen, also acht Verbündete unter den Demokraten.
Der Anführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, bekundete "ernsthafte Zweifel", dass sich Gorsuch innerhalb des "juristischen Mainstreams" bewege. Der Richter habe in seinen Entscheidungen wiederholt Stellung für Konzerne gegen die Beschäftigten bezogen und eine "Feindseligkeit" gegenüber den Rechten der Frauen zum Ausdruck gebracht.
In einer seiner strittigsten Entscheidungen hatte Gorsuch sich hinter Arbeitgeber gestellt, die es aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen ablehnten, für Verhütungsmittel ihrer Beschäftigten aufzukommen - dies sieht die Gesundheitsreform von Trumps Vorgänger Barack Obama vor. Gorsuch sagte bei seinem Kurzauftritt im Weißen Haus, er freue sich darauf, mit Parlamentariern beider Parteien über ihre "Besorgnisse" zu sprechen.
Der Widerstand in den Reihen der Demokraten gegen Trumps Richterentscheidung rührt auch aus ihrer Empörung über die inzwischen fast einjährige Vakanz am Supreme Court. Seit dem überraschenden Tod des konservativen Richters Antonin Scalia im Februar 2016 blieb seine Stelle in dem neunköpfigen Richterkollegium unbesetzt. Die Folge war ein Patt zwischen vier konservativen und vier linksliberalen Richtern.
Obama hatte den als moderat geltenden Richter Merrick Garland vergeblich für den Supreme Court nominiert - die Republikaner im Senat blockten das Verfahren ab und schoben die Personalentscheidung so bis nach der Wahl hinaus.
Im Portrait: Das müssen Sie über Neil Gorsuch wissen
Neil Gorsuch (49) war schon einmal am Supreme Court: Am Obersten Gericht der USA arbeitete er Richter Anthony Kennedy zu. Anders als der eher liberale Kennedy wird Gorsuchs Haltung aber als durchgängig konservativ beschrieben. Darin ähnele er Antonin Scalia, dem Mann, dem er nachfolgen soll. Zwar entbehre Gorsuch dessen Feuer und Streitgewalt, habe aber Scalias glasklaren Schreibstil. Gorsuchs Lebenslauf weist mit Columbia und Harvard zwei US-Top-Universitäten auf, außerdem studierte er in Oxford. Sein Wirken als Partner in einer Washingtoner Großkanzlei wird als sehr erfolgreich beschrieben. Heute ist Gorsuch Bundesrichter an einem Berufungsgericht in Denver (Colorado).
Gerüchte, wonach sich der jugendlich wirkende Mann im Alter von 39 die Haare grau gefärbt habe, um älter auszusehen, quittierte ein früherer Kanzleipartner einmal so: „Er wurde mit silbernem Haar geboren, außerdem mit einem unerschöpflichen Schatz an Churchill-Zitaten.“
Gorsuch stammt aus Colorado, dort lebt er mit seiner Frau und zwei Töchtern. Er wird als ein Fan von Outdoor-Sport beschrieben, geht gerne Skifahren und Rudern und liebt das Fliegenfischen. Wie Scalia ist Gorsuch ein Vertreter des sogenannten Originalismus. Nach dieser juristischen Lehrmeinung sollen die Worte der Verfassung so ausgelegt werden wie zur Zeit ihrer Entstehung. Werden Gesetze überprüft, geht es nur um dessen Worte selbst, nicht um die Absicht oder Konsequenzen des Gesetzgebers. Gorsuchs Familie hat einige Querverbindungen zu den Republikanern. Seine Mutter war unter Präsident Ronald Reagan die erste Chefin der Umweltschutzbehörde EPA.
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AFP/dpa/snacktv