Türkische Polizei kassiert Gladbach-Fahnen aus religiösen Gründen - Özdemir fordert Konsequenzen

Fußball ist (meist) unpolitisch - aber in Erdogans Türkei taugt der Sport für einen Eklat. Die Polizei kassierte Fan-Fahnen wegen christlicher Symbole. Der Grüne Cem Özdemir fordert nun Konsequenzen.
Istanbul/Berlin - Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist seit einiger Zeit - gelinde gesagt - von Ambivalenzen geprägt. Recep Tayyip Erdogan stichelt gerne in Richtung Bundesrepublik - nicht erst seit dem Sommer 2017, als ihm Wahlkampfauftritte in mehreren deutschen Städten untersagt wurden.
Auch Festnahmen deutscher Staatsbürger, sein Umgang mit der Opposition und fragwürdige Vorgänge rund um Bürgermeisterwahlen bringen Erdogan Kritik ein. Nun gibt es den nächsten Eklat zu vermelden.
Stein des Anstoßes ist dabei ein an sich unpolitisches Ereignis: Am Donnerstagabend trat der deutsche Bundesligist Borussia Mönchengladbach in Istanbul zu einem Spiel der Europa League an. Das allerdings bei Basaksehir FK - dem Lieblingsverein Erdogans. Vorgänge rund um Basaksehir boten schon häufiger Anlass für politischen Streit. Am Donnerstag fühlten sich nun Gladbachs Fans von der türkischen Polizei gegängelt. Sportdirektor Max Eberl sprach gar von einer „Polizeidiktatur“. Der Fall könnte zu einem kleinen Politikum werden.
Erdogan/Türkei: Polizei kassiert Gladbacher Fan-Fahnen - wegen des Kreuzes
Denn Anlass des Unmuts waren nicht etwa - wie es auch in Deutschland vorkommt - kontroverse sicherheitstechnische Entscheidungen der Beamten. Sondern ein offenbar religiös motiviertes Eingreifen: Berichten zufolge beschlagnahmte die Polizei Fahnen der deutschen Fans aus einem pikanten Grund.
Auf den fraglichen Flaggen war, so heißt es, das Wappen der Stadt Mönchengladbach zu sehen. Dieses zeigt mehrere Kreuze. Christliche Symbole sollten offenbar im Stadion nicht zu sehen sein. An diesem Vorgehen regt sich deutliche Kritik - auch in der deutschen Politik.
Erdogan/Türkei: Özdemir kritisiert Gladbach-Vorfall - „zeigt die ganze Intoleranz des Erdogan-Regimes“
Eberl habe recht, wenn er die Türkei unter Erdogan mit einer Polizeidiktatur vergleiche, sagte Grünen-Politiker Cem Özdemir der Ippen-Digital-Zentralredaktion auf Anfrage: „Wenn in der einstigen Wiege des Christentums heute Fans Fahnen weggenommen werden, weil sich darin ein Kreuz befindet, dann zeigt dies die ganze Intoleranz des Erdogan-Regimes“, betonte Özdemir.

Konsequenzen forderte der frühere Grünen-Chef und bekennende VfB-Stuttgart-Fan auch für Basaksehir FK: Die Vorfälle gegenüber den Gladbacher Fans müssten ein „Nachspiel haben für den AKP-Retortenverein“, sagte er.
Erdogan/Türkei: Seehofer will Annäherung - Özdemir rügt „Schönredner Ankaras“
Brisant ist der Vorfall auch aufgrund der aktuellen politischen Lage: Dieser Tage bemüht sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) um Annäherung mit Ankara. Denn Erdogan und seine Regierung haben mit dem wankenden EU-Türkei-Deal ein mächtiges Druckmittel gegen die GroKo und die gesamte EU in der Hand: Öffnet die Türkei die Schleusen Richtung Griechenland, könnte das Thema Migration nochmals ein völlig neues Ausmaß erreichen. Seehofer lobte die Türkei ausdrücklich für ihre migrationspolitische Rolle.
Özdemir kritisierte gegenüber der Ippen-Digital-Zentralredaktion nun auch „Schönredner Ankaras“ in Berlin. „Erdogan steht auch im eigenen Land zunehmend mit dem Rücken zur Wand, wie die Wahlergebnisse in den Großstädten der Türkei gezeigt haben“, sagte Özdemir. Die Macht des türkischen Präsidenten wanke. Die deutsche Politik solle sich „nicht wieder als Stabilisator Erdogans betätigen“, fordert er.
Erdogan/Türkei: AKP auf Kriegsfuß mit Laizismus - Nicht der erste Streit um Kreuze im Stadion
Der Streit rührt ungeachtet der sportlichen Konsequenzen an brisante Streitpunkte. Denn eigentlich ist der Laizismus, die Trennung zwischen Staat und Religion, in der türkischen Verfassung verankert. Erdogans AKP gilt aber als Gegner dieses Prinzips. 2008 hatte das Verfassungsgericht aus diesem Grund gar über ein Verbot der Partei zu entscheiden. Der damalige Parlamentspräsident und AKP-Politiker Ismail Kahraman forderte 2016 wiederum eine islamische Verfassung für das Land.
Zoff um Kreuz-Symbole im Fußball gab es in der Türkei ebenfalls bereits. Im Jahr 2007 trat Inter Mailand mit einem roten Kreuz auf weißem Grund auf dem Trikot in der Champions League bei Fenerbahce Istanbul an. Ein türkischer Rechtsanwalt beklagte daraufhin die Verletzung der Gefühle der Muslime. Das Design erinnere an die Tage der Kreuzzüge.
Eintracht Frankfurt verzichtete auch deswegen einige Monate später auf ein ähnliches Design für sein Auswärtstrikot, wie die FAZ berichtete. „Religiöse Symbole haben im Fußballsport nichts zu suchen“, sagte ein Vereinssprecher damals. Unterdessen hat sich Özdemir auch zu einem möglichen Tempolimit geäußert. Die Grünen wollen darüber im Bundestag abstimmen lassen. Kommt die Begrenzung auf 130 Kilometer pro Stunde?
fn