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First Lady Olena Selenska spricht über offene Wunden durch den Ukraine-Krieg

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Von: Sandra Kathe

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Seit fast einem Jahr sucht die ukrainische First Lady ihre neue Rolle im Land. Nun spricht sie über psychische Probleme, ihre Ehe und den Hass auf Russland.

Kiew – Die Frage nach dem Hass auf Russland, beantwortet Olena Selenska, die Frau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, im Interview mit dem Zeit-Magazin denkbar diplomatisch. Während die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht reihenweise am Stockholm-Syndrom leiden und mit ihren Angreifern sympathisieren würden, lese man in den sozialen Medien nach russischen Angriffen immer wieder dasselbe: „Lasst alle dort (Anm. in der Ukraine) endlich sterben“. Eine große Protestwelle in Russland gegen den Krieg bleibe ebenfalls aus. „Reicht das als Antwort?“

Die 45-Jährige wurde im Mai 2019, vor fast vier Jahren, First Lady der Ukraine – fast eines davon verteidigt sich ihr Land nun im Krieg gegen Russland. Für Selenska brachte das neben Sorge um die Menschen in der Ukraine, ihre Familie und ihren Mann vor allem das Gefühl in einem Hamsterrad zu leben. Das schlimmste sei „der Verlust der Leichtigkeit“, sagt sie im Zeit-Interview, als sie erzählt, dass sie und die zwei gemeinsamen Kinder aus Sicherheitsgründen seit Kriegsbeginn getrennt von Mann und Vater leben. Ihre Probleme von damals, als sie unverhofft in die Rolle der Präsidentengattin rutschte und Angst davor hatte, immerzu beobachtet zu werden, scheinen ihr heute „lächerlich“.

Im Interview mit der Zeit sprach die First Lady der Ukraine über Hoffnungen und Wünsche und wie sie versucht, den Menschen in der Ukraine zu helfen.
Im Interview mit der Zeit sprach die First Lady der Ukraine über Hoffnungen und Wünsche und wie sie versucht, den Menschen in der Ukraine zu helfen. (Archivfoto) © Julien de Rosa/AFP

First Lady über den Ukraine-Krieg: Selenska lehnt Opferrolle ab

Stattdessen beschäftigte sie heute vor allem die Frage, wie man die Menschen im Kriegsalltag in der Ukraine unterstützen könne. Sie selbst sei in psychologischer Behandlung und wolle das auch nicht verheimlichen. Zudem kümmere sie sich als Patin eines Therapie-Programms darum, dass vor allem traumatisierte Kinder Unterstützung erhalten. „Dieser andauernde Druck macht alle in unserem Land seelisch und körperlich krank“, betont Selenska im Interview.

Dennoch lehnt Selenska eine Opferrolle entschieden ab. So hätte sie in den vergangenen Monaten auch mehrere Angebote zu Filmen oder Biografien abgelehnt, weil sie „nicht der Mittelpunkt einer tragischen, dramatischen Geschichte sein“ wolle, eine Person, mit der die Menschen Mitleid empfinden.

Alltag im Ukraine-Krieg: Selenska wirbt für Friedensformel

Im Alltag versuche Selenska sich, genau wie ihr Mann, auch mal beim Sport auf andere Gedanken zu bringen. Im Gegensatz zu den seltenen Reisen Selenskyjs sei sie relativ regelmäßig im Ausland unterwegs, um bei Veranstaltungen zu sprechen oder die Ukraine nach außen zu vertreten, etwa bei der Vorstellung einer Friedensformel beim Weltwitschaftsforum in Davos. Doch das Unterwegssein in Ländern, in denen Menschen ein unbeschwertes Leben führen können, beschere ihr auch immer wieder ein „seltsames Gefühl“. „Ich kann auch woanders nicht zur Ruhe kommen. Außerdem will ich immer schnell zurück zu meinen Kindern“, so Selenska.

Zum Geburtstag ihres Mannes im Januar hatte Selenska bereits betont, dass sie ihm „mehr Gründe zum Lächeln“ wünsche. Selenskyj selbst hatte eine Form von Alltag, den er vermisst, kürzlich im Gespräch mit US-Talkmaster David Letterman mit einem „Bier am Strand“ umschrieben. Die Voraussetzung dafür sehen beide allerdings nur im Ende des Ukraine-Kriegs, das aktuell nicht in Sicht ist. 

Aus Selenskas Perspektive sei dafür vor allem die „humanitäre, menschliche Seite wichtig“, betont sie im Interview mit dem Zeit-Magazin, „damit unsere Leute, die jetzt über all die ganze Welt verstreut sind, nach Hause zurückkehren können“. Dennoch betont sie, dass der Angriff Russlands auch Wunden geöffnet an, die so schnell nicht mehr zu schließen seien. „Es ist unmöglich, denjenigen die Hand zu schütteln, die gerade unsere Lieben oder Nachbarn getötet haben.“ (saka)  

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