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Dieser Mann soll im Auftrag Chinas den Ukraine-Krieg beenden – aber will Peking überhaupt Frieden?

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Von: Sven Hauberg

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Li Hui, damals noch Botschafter in Russland, mit Wladimir Putin 2019 im Kreml
China weist den Weg: Li Hui, damals noch Botschafter in Russland, mit Wladimir Putin 2019 im Kreml. © Mikhail Metzel/Imago

Chinas Sondergesandter für Eurasien reist am Dienstag in die Ukraine. Hat die Friedensmission des Putin-Freundes eine Chance? Eine Expertin äußert Zweifel.

München/Peking/Kiew – Ein Foto ist natürlich immer nur eine Momentaufnahme, entstanden im Bruchteil einer Sekunde. Dieses hier aber hat eine ganz besondere Symbolkraft, es wirkt fast schon prophetisch. Entstanden ist es im Mai 2019 im Kreml. Darauf zu sehen: Russlands Präsident Wladimir Putin, schüchtern lächelnd, wie ein Schuljunge, der etwas ausgefressen hat. Neben ihm ein Mann mit dichtem schwarzem Haar, der Putin den Weg weist – so zumindest wirkt es auf der Aufnahme. Der Mann ist Li Hui, damals Pekings Botschafter in Russland. Gast im Kreml also, nicht etwa Gastgeber, wie das Bild suggeriert. Schon damals aber war klar, dass es China ist, das im Verhältnis der beiden Supermächte die Richtung vorgibt. Jetzt, vier Jahre später, dürfte man das selbst in Russland erkannt haben.

Manch einer glaubt deshalb, dass China auf Putin einwirken könnte, den Krieg in der Ukraine endlich zu beenden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder sein brasilianischer Amtskollege Lula da Silva gehören zu denjenigen, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, dass Peking nach mehr als einem Jahr Ukraine-Krieg irgendwann doch vom Russland-Freund zum Friedensstifter mutiert.

Bislang allerdings stellt sich Peking bei jeder nur möglichen Gelegenheit stets demonstrativ an die Seite des Kreml. Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hatte Staatschef Xi Jinping bei einem ersten Telefonat unlängst nur ein paar Floskeln übrig. Immerhin: Bei dem Gespräch Ende April kündigte Xi an, seinen Sondergesandten für Eurasien-Angelegenheiten in die Ukraine zu schicken.

Expertin: Chinas Sondergesandter für die Ukraine „nicht die glücklichste Wahl“

Am Dienstag wird dieser Mann in Kiew zu einem zweitägigen Besuch erwartet und anschließend nach Polen, Frankreich, Deutschland und Russland weiterreisen, wie Pekings Außenamt am Freitag mitteilte. Der Mann, der im Auftrag Chinas das Morden in der Ukraine stoppen soll, ist: Li Hui, Chinas ehemaliger Botschafter in Moskau, Träger des russischen Freundschaftsordens. Für Saskia Hieber von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing ist Li wegen seiner Kreml-Nähe zwar „nicht die glücklichste Wahl“. Die Expertin für internationale Politik und Sicherheitspolitik mit Schwerpunkt Asien sagt im Gespräch mit unserer Redaktion aber auch: „Was zählt, ist Regionalkompetenz.“

Und über die verfügt Li, Jahrgang 1953, zweifelsohne. Der Diplomat war ab 2009 zehn Jahre lang in Moskau stationiert, spricht fließend Russisch und widmete seine gesamte Karriere den nicht immer leichten Beziehungen zur Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten. Mehrere Jahre war er zudem Chinas Vize-Außenminister – der Mann ist alles andere als ein diplomatisches Leichtgewicht.

Li Hui sei „jemand, der sich in den einschlägigen Angelegenheiten auskennt und eine positive Rolle bei der Erleichterung von Friedensgesprächen spielen kann“, erklärte Chinas Außenamt im April. Asien-Expertin Hieber sagt: „Aus Pekings Sicht muss ein potenzieller Vermittler zunächst in Moskau Zustimmung haben – Befindlichkeiten der Ukraine sind nachgeordnet.“ Man kann wohl davon ausgehen, dass die Personalie Li Hui mit dem Kreml abgestimmt ist – Gelegenheiten dazu gab es zumindest viele. Staatschef Xi war erst im März in Moskau, zuletzt trafen sich Anfang Mai die Außenminister beider Länder in Südindien. Peking wolle „die strategische Kommunikation stärken und die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen konsolidieren und vertiefen“, erklärte China Außenminister Qin Gang bei dem Treffen seinem russischen Amtskollegen.

Wie ernst meint es China mit Frieden in der Ukraine?

Es sind diese ständigen Liebesgrüße nach Moskau, die Zweifel säen, wie ernst es Peking mit Frieden in der Ukraine eigentlich meint. „China ist selbstverständlich an einem Ende des Kriegs interessiert“, sagt Hieber. Schließlich sei der Konflikt „eine ökonomische Katastrophe“ und bedrohe auch Pekings Interessen. Wie aus chinesischer Sicht ein Frieden aussehen könnte, ist allerdings offen. Ein Zwölf-Punkte-Plan, den Peking im Februar veröffentlicht hatte, enthielt wenig Konkretes. Zudem fordert China bislang keinen Abzug der russischen Truppen aus den besetzen ukrainischen Gebieten, zumindest nicht öffentlich. Stattdessen verweisen Pekings Spitzenpolitiker stets recht allgemein darauf, dass die Souveränität aller Staaten anerkannt werden müsse. „Das bedeutet für Peking aber nicht, dass Moskau alle Gebiete zurückgeben muss“, die es in der Ukraine besetzt hat, so Saskia Hieber.

Was China jedenfalls nicht wolle, sei eine „krachende Niederlage“ der Russen. „Ein politisch und wirtschaftlich geschwächter, destabilisierter und geächteter Nachbar ist kein guter Nachbar“, so Hieber. Zudem sei Russland „immer noch eine überregionale Großmacht, die eine Rolle in Europa und – wichtiger für China – im Pazifik spielt.“ Also in jener Region, in der Peking und Washington zunehmend um Einfluss ringen. Überhaupt will Peking nicht länger akzeptieren, dass die USA die Weltpolitik dominieren. Um Washington zu schwächen, ist Chinas Führung deshalb fast jedes Mittel recht, und ohne Putin, so Xi Jinpings Kalkül, geht das derzeit nicht. „Es steht ein Wandel bevor, wie er seit 100 Jahren nicht mehr stattgefunden hat“, raunte Chinas Staatschef Xi dem russischen Präsidenten im März bei seiner Abreise aus dem Kreml zu. „Und wir treiben diesen Wandel gemeinsam voran.“ Wo da Platz sein soll für die Interessen der Ukraine, ist fraglich.

Am Ende könnte China dennoch als Gewinner dastehen. Denn wenn Li keinen Erfolg hat mit seiner diplomatischen Mission in der Ukraine, kann Peking behaupten, man habe es immerhin versucht – und die Schuld für das andauernde Morden einfach weiterhin der Nato und den USA in die Schuhe schieben.

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