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Wie grün wird das Ländle?

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Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann © dpa

Stuttgart - Die tz erklärt, welche Baustellen auf Winfried Kretschmann, den neuen Landesvater von Baden-Württemberg, warten, und wie sehr die Grünen das Ländle verändern können.

Wie grün wird die grüne Revolution in Baden- Württemberg? Erstmals steht bald ein grüner Ministerpräsident an der Spitze eines deutschen Bundeslandes. Doch Baden-Württemberg ist nicht irgendein Bundesland: schwarze Bastion, wirtschaftliches Musterländle und in hohem Maße von der Atomkraft abhängig. Noch dazu hält das Land fast die Hälfte der Anteile am Atom-Konzern EnBW. Und dann ist da ja noch der Dauerkonflikt um das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21. Die tz erklärt, welche Baustellen auf Winfried Kretschmann, den neuen Landesvater von Baden-Württemberg, warten, und wie sehr die Grünen das Ländle verändern können:

Atompolitik: Die Grünen wollen so schnell wie möglich raus aus der Atomkraft. Das Aus für den Atom­meiler Neckarwestheim I ist bereits besiegelt, nun soll auch Philippsburg I folgen. Ob und wie die Reaktoren Neckarwestheim II und Philippsburg II folgen, ist unklar und rechtlich schwierig.

EnBW: Segen und Fluch zugleich: Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus hatte dafür gesorgt, dass das Land sein 45-Prozent-Aktienpaket am zweitgrößten deutschen Stromversorger vom französischen Energiekonzern EdF für 4,67 Milliarden Euro zurückkauft. Bezahlt wird der Aktiendeal auf Pump, aber die erwartete Rendite soll höher liegen als die günstigen Zinsen, die das Land bezahlen muss. Das Land hat also Einfluss auf den Stromkonzern, der allerdings wie kaum ein zweiter von seinen Atomkraftwerken abhängig ist. Es ist also fraglich, ob Mappus Rechnung nach der Stilllegung der EnBW-Reaktoren noch aufgeht. SPD und Grüne wollen das Unternehmen nun wesentlich stärker auf erneuerbare Energien trimmen. Das wird teuer, denn der Konzern hat bisher kaum in Ökostrom investiert und sich eher beim Bau von Steinkohlekraftwerken hervorgetan. Nehmen die Grünen die Atomkraftwerke vom Netz, werden die CO2-Verschmutzungszertifikate teurer – ein Nachteil für die EnBW-Kohlekraftwerke.

Stuttgart 21: Die Bahn geht schon mal auf Grün-Rot zu. Sie hat einen Bau- und Vergabestopp für das umstrittene Projekt erlassen. Trotzdem droht ein Koalitionskrach. Die Grünen wollen das Milliarden-Projekt noch verhindern. Die SPD hält dagegen am Bau des unterirdischen Durchgangsbahnhofs fest. Beide Parteien sind sich einig, dass die Baden-Württemberger in einem Volksentscheid das letzte Wort haben sollen. Es ist allerdings höchst umstritten, ob dieser Volksentscheid überhaupt zulässig wäre, da er bereits rechtswirksam geschlossenen Verträgen nachträglich die Basis entziehen würde.

Industriepolitik: Die Wirtschaft im Ländle schaut neugierig und zugleich skeptisch auf die neue Regierung. Der Autobauer Daimler betonte, wie wichtig die Förderung von Forschung und Entwicklung für den Standort seien. „Wir werden auch mit der neuen Landesregierung konstruktiv zusammenarbeiten.“ Der Stuttgarter IHK-Chef Herbert Müller sagte der FTD: „Die werden alles tun, damit es dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg gut geht.“ Der Umbau des Musterländles zum ökologischen Industriestandort biete nicht nur Risiken. „Für die Wirtschaft liegt hierin auch eine Chance.“

Finanzpolitik: Schuldenbremse in der Verfassung und Tilgungsregelungen in der Landeshaushaltsordnung schränken den Spielraum bei den Finanzen ein. Trotzdem unkt die Junge Union Bayern: „Bye, bye Geberland!“ Denn die neue Regierung will die Studiengebühren streichen. Kostenpunkt: 135 Millionen Euro. Im Vergleich mit den rund 45 Milliarden Euro Altschulden, die Grün-Rot von Schwarz-Gelb übernimmt, sollte dieser Posten aber nicht unbedingt entscheidend sein.

Marc Kniepkamp

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