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Vater klagt an: So lügt die Bundeswehr

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Hannover - „Die Vertuschung hat bei der Bundeswehr Methode!“ Wolfgang Scheffelmeier kämpft seit neun Jahren darum, endlich die Wahrheit über den Tod seines Sohnes Sammy zu erfahren.

Angesichts der widersprüchlichen Informationen der Bundeswehr über die Todesfälle der Gorch-Fock-Kadettin Sarah Lena S. (25) und des Hauptgefreiten Oliver O. aus Waldhausen (Traunstein), der durch eine Kugel eines Kameraden in Afghanistan getötet wurde, sieht sich Scheffelmeier wieder an den eigenen Sohn erinnert: Der 21-jährige Sammy war 2002 bei einem NATO-Manöver in der eiskalten Ostsee ertrunken.

Sammy und der Marinesoldat Stefan Paul (22) sollten mit einem Beiboot von der britischen Fregatte Cumberland auf die Mecklenburg-Vorpommern übergesetzt werden. Das Beiboot kenterte, beide Soldaten kamen ums Leben.

Nach achtjährigen juristischen Auseinandersetzungen kam das Landgericht Hannover zwar zu dem Ergebnis, „eine Verkettung unglücklicher Umstände“ habe zum Tod der Soldaten geführt. Doch nie wurde die Frage geklärt, warum von der Fregatte Mecklenburg-Vorpommern kein Rettungsboot zu Wasser gelassen wurde, nie die Verantwortung für die unzureichende Sicherheitsausrüstung geklärt. Der Kommandant M. wurde noch nicht einmal ordentlich vernommen – obwohl mehrere Augenzeugen in ihren Aussagen seine Tatenlosigkeit kritisiert hatten. M. habe sich demnach wegen hoher Wellen geweigert, den um Hilfe rufenden Sammy zu retten.

„Sammy hat 20 Minuten lang gegen das Ertrinken angekämpft – da fühle ich mich verpflichtet, auch nach neun Jahren weiter für die Wahrheit zu kämpfen“, begründet der Vater seinen juristischen Feldzug gegen die Bundeswehr. Den Eltern von Sarah Lena und Oliver könne er schlecht etwas raten: „Jeder reagiert anders. Aber wenn Du dein Kind tot vors Haus gefahren bekommst, willst Du doch wenigstens erfahren, was ihm passiert ist“, so Scheffelmeier gegenüber der tz. „Damals hat mich Verteidigungsminister Scharping angelogen. Heute lügt Guttenberg.“ Besonders bitter findet Scheffelmeier, dass die Angehörigen verunglückter oder getöteter Bundeswehrsoldaten oft sogar zum Sozialhilfe­empfänger werden: „Die afghanischen Opfer des Bombardements bei Kundus wurden wenigstens noch finanziell entschädigt – die Ehepartner oder Eltern der toten Soldaten werden geprellt!“

Aber warum tut sich die Bundeswehr so schwer mit der Wahrheit? Scheffelmeier glaubt, dass der Drang zum Lügen beim Bund durch die Abschaffung der Wehrpflicht noch verschärft wird: „Die Bundeswehr soll ja attraktiv sein, damit sich genügend Freiwillige melden. Da darf es keine Flecken auf der reinen Weste geben!“

Der NDR-Journalist Michael Schmidt, der ein Buch über diese Vertuschungen bei der Bundeswehr geschrieben hat („Wie auf See so vor Gericht: Das zweifache Sterben des Marinesoldaten Scheffelmeier“) sieht hinter den Einzelfällen ein Prinzip: „Wenn es um Aufklärung solcher schwerwiegenden Unfälle geht, wird bei der Bundeswehr gemauert!“ Beim Prozess um den Tod Sammys habe Scheffelmeiers Anwalt unwidersprochen erklärt, dass es Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigungsministerium gegeben habe. Diese „Kungelei“ habe verhindert, dass wichtige interne Untersuchungsergebnisse der Marine beim Prozess eine Rolle spielten. „Wenn es um höhere Staats­interessen geht, gibt es hier eine unheilige Allianz von Justiz und Ministerium“, so der Bundeswehr-Experte.

Klaus Rimpel

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