„Selbstmörderisch“: Khasham dient als Warnung für Wagner-Söldner
Die Wagner-Gruppe könnte sich in Afrika neu positionieren. Doch auch eine Rückkehr in die Ukraine – sowie Unruhen in Europa – sind möglich.
Moskau/Minsk – Seit dem missglückten Wagner-Putsch in Russland ist es ruhig um die Söldner-Gruppe geworden. Während ein Teil der Kämpfer inzwischen in Belarus stationiert ist, ist völlig unklar, wo sich der in Ungnade gefallene Putschist und Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin aufhält – und auch, ob der 62-Jährige überhaupt noch das Sagen hat.
Fakt ist, dass Alexander Lukaschenko, der belarussische Machthaber, den Söldnern auf seinem Gebiet Unterschlupf geboten hat. Und während die Ukraine eine von Belarus unterstützte Wagner-Invasion befürchtet, sorgt sich Polen vor möglichen Provokationen der Söldner an der belarussisch-polnischen Grenze.
Doch dass sich die Privatmiliz tatsächlich mit einem Nato-Land anlegt, scheint mehr als unwahrscheinlich. Denn bereits ukrainische Truppen konnten den Söldnern monatelang die Grenzen aufzeigen – wenn auch dank britischer Intelligenz und Waffen aus dem Westen. Viel deutlicher wird die Annahme, wenn man ein paar Jahre zurückschaut.

Erinnerungen an Khasham: Nato-Truppen kämpften in Syrien einst gegen Wagner-Söldner
„Sie haben uns in Stücke gerissen, uns die Hölle heiß gemacht“, sagte ein Wagner-Kämpfer einst über die Schlacht von Khasham. In der gleichnamigen Stadt in Syrien bombardierten US-Kräfte Stellungen der Pro-Assad-Milizen im Februar 2018. Es war das erste Aufeinandertreffen zwischen den „Wagneristen“ und einer Nato-Truppe. Das Zitat des Söldners stammt aus einem angeblich abgehörten Telefonat, welches später von den USA veröffentlicht wurde.
Die Wagner-Gruppe, die sich im Osten Syriens für die Interessen des Regimes von Baschar al-Assad einsetzt, musste einen hohen Blutzoll leisten. Hunderte der Söldner starben Seite an Seite von syrischen Kämpfern in einem vierstündigen, heftigen Gefecht. Die US-amerikanischen Streitkräfte – unter denen es keine Opfer gab – wurden dabei von vernichtendem Artillerie- und Luftfeuer unterstützt.
„Ich glaube nicht, dass Wagner in irgendeinem sinnvollen Sinne auf konventionelle Weise gegen einen Nato-Staat eingesetzt werden sollte“, sagte Mark Voyger, ehemaliger Militärberater des damaligen Befehlshabers der US Army Europe, General Ben Hodges, gegenüber Newsweek. Dabei erinnerte Voyger auch an die Kämpfe in Syrien: „Das wäre selbstmörderisch“.
Experte sieht Wagner-Söldner als hybride Gruppe: Selbst Attentate seien möglich
Auch wenn sich die Wagner-Gruppe in der Zwischenzeit zur wohl wertvollsten Söldner-Einheit Russlands entwickelt hat, ist die Gruppe nach dem Putsch zweifelsohne leichter bewaffnet und geschwächt. Polen, Litauen und Lettland haben dennoch Alarm geschlagen, ihre Grenztruppen aufgestockt und davor gewarnt, dass Wagners Anwesenheit die seit langem bestehenden Spannungen an den Grenzen nur noch verschärfen wird.
„Es könnte auf jeden Fall zu Provokationen kommen“, sagte Voyger. „Vielleicht mischen sie sich unter Einwanderer, Journalisten und Zivilisten und geben vor, Kriegsflüchtlinge oder Wehrdienstverweigerer zu sein“, fügte er hinzu. Laut ihm ist es möglich, dass Russland einzelne Söldner für Attentate in Europa einsetzt. Eine offene Konfrontation sei aber äußerst fraglich: „Die Russen fallen ihren Feinden gerne in den Rücken, wenn sie entspannt sind, wenn sie abgelenkt sind, wenn sie schwächer sind“ – etwas, was man über die östlichen Nato-Länder nicht behaupten kann.
Mitte August wurden in Warschau und Krakau zwei russische Staatsbürger wegen der mutmaßlichen Verbreitung von Propagandamaterial der Wagner-Gruppe festgenommen. Sie sollen Flyer verteilt und Sticker angebracht haben, die zur Rekrutierung gedacht seien.
Rückkehr der Wagner-Gruppe: Geht es nach Afrika – oder doch wieder in die Ukraine?
Der Militärexperte rechnet eher mit einer Rückkehr der Wagner-Gruppe – sowohl zu den Wurzeln als auch in die Ukraine. Letzteres würde sich als Ablenkungsmanöver anbieten, um dem russischen Militär eine Verschnaufpause zu verschaffen. „Was mich wirklich beunruhigt, ist nicht ein Angriff auf die Nato, sondern eine mögliche Ablenkungsoperation gegen die Ukraine vom Norden aus“, sagte Voyger. An der Nordgrenze der Ukraine wurde die russische Invasion im vergangenen Jahr massiv zurückgedrängt, seitdem spielt sich der Krieg vorrangig im Osten des Landes ab.
Doch auch weitere Operationen in Afrika, wo Prigoschins Wagner-Gruppe jahrelang als russische Schattenarmee diente, wären möglich. „Vielleicht fangen sie in Libyen an, vielleicht werden diese Truppen versuchen, nach Niger zu gelangen“, sagte Voyger. So könne Russlands Präsenz in Afrika weiter gestärkt werden – etwa in dem man sich der neuen Junta in Niger annähert. (nak)