Update vom 3. Oktober, 11.05 Uhr: Nach der Eskalation bei den Protesten in Hongkong plant die Regierung ein Vermummungsverbot. Regierungschefin Carrie Lam wolle ein Verbot von Gesichtsmasken bei öffentliche Versammlungen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion durchsetzen, sagte der oppositionelle Abgeordnete Ted Hui am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Er bestätigte damit entsprechende Medienberichte.
Nach Einschätzung des Oppositionsabgeordneten wird Regierungschefin Lam ein entsprechendes Gesetz möglicherweise dem Legislativrat zur Annahme vorlegen. Da das peking-freundliche, nicht frei gewählte Parlament aber seit Wochen immer wieder belagert wird und das Vermummungsverbot bald in Kraft treten soll, könnte die Regierung auch ein fast ein Jahrhundert altes Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit bemühen.
Die Regierungschefin hat nach Medienberichten ihr Kabinett für Freitag zusammengerufen. Wie die Zeitung „South China Morning Post“ und der Fernsehsender TVB berichteten, könne dann schon die Notstandsermächtigung aktiviert werden. Ein solcher Schritt wäre eine höchst umstrittene Verschärfung des Vorgehens der Regierung in der seit Monaten anhaltenden Krise.
Das Gesetz wurde 1922 von den britischen Kolonialherren erlassen und erst zweimal in Kraft gesetzt: Um damals einen Streik von Seeleuten niederzuschlagen, der den Hafen lahmgelegt hatte, sowie 1967 bei Protesten gegen die britische Kolonialherrschaft.
Update 9.40 Uhr: Einen Tag nach den gewaltsamen Protesten in Hongkong mit einem durch einen Polizeischuss verletzten Demonstranten sind erneut tausende Menschen auf die Straße gegangen. Schüler, Studenten und Büroangestellte zogen am Mittwoch trotz eines Demonstrationsverbots durch das Zentrum der chinesischen Sonderverwaltungszone. Stunden zuvor hatten hunderte junge Menschen an einem Sitzstreik an der Schule des durch den Polizeischuss verletzten 18-Jährigen teilgenommen.
Die Protestaktion begann mit einer Kundgebung in einem Park, anschließend zogen die Demonstranten unter regierungs- und polizeikritischen Protestrufen durch das Geschäftsviertel der Finanzmetropole. Die Hongkonger seien es satt, sich "nur mit ächtenden Worten gegen tödliche Kugeln und Gewehre" zur Wehr setzen zu können, sagte ein maskierter Demonstrant vor Journalisten.
Am Dienstag waren die seit fast vier Monaten andauernden Proteste eskaliert. Bei einer Demonstration parallel zum 70. Jahrestag der Volksrepublik China wurde dem 18-jährigen Schüler von einem Polizisten in die Brust geschossen. Der Polizist, der den Schuss abfeuerte, gab an, in Notwehr gehandelt zu haben. Videoaufnahmen zeigen, dass Tsang den Polizisten zuvor mit einer Eisenstange angreifen wollte. Der Schüler wurde lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus gebracht, nach Behördenangaben soll sich sein Zustand inzwischen stabilisiert haben.
Die Polizei gab an, Beamte hätten insgesamt fünf Warnschüsse abgegeben. Laut Krankenhausangaben wurden mindestens 70 Menschen verletzt. Nach Polizeiangaben erlitten auch 25 Polizisten Verletzungen. Demonstranten waren mit Regenschirmen und Eisenstangen auf Polizisten losgegangen. Einige Polizisten und Journalisten wurden zudem durch Säure verletzt. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben rund 160 Menschen fest.
Update vom 2. Oktober, 6.48 Uhr: Der 18 Jahre alte Demonstrant, der bei den jüngsten Ausschreitungen in Hongkong angeschossen wurde, ist in einem „stabilen Zustand“. Das teilte die Krankenhaus-Behörde in Hongkong am Mittwoch auf Nachfrage mit. Wie die Hongkonger Zeitung South China Morning Post berichtete, wurde bei einer Operation ein Projektil aus seiner Brust entfernt.
Der junge Demonstrant war am Dienstag bei schweren Zusammenstößen von einem Polizisten angeschossen worden. Zwar gaben Beamte in den seit Monaten anhaltenden Protesten für Demokratie und Menschenrechte wiederholt Warnschüsse ab. Der Vorfall am Dienstag war aber der erste, bei dem ein Demonstrant von scharfer Munition verletzt wurde.
Update 12.55 Uhr: Überschattet von Ausschreitungen in Hongkong hat die Volksrepublik China ihren 70. Gründungstag mit der größten Waffenschau ihrer Geschichte gefeiert. An der riesigen Militärparade am Dienstag am Platz des Himmlischen Friedens in Peking nahmen 15 000 Soldaten, mehr als 160 Flugzeuge sowie 580 Panzer und Waffensysteme teil, darunter nuklear bestückbare Interkontinentalraketen. Mit der Truppenschau demonstrierte die chinesische Führung militärische Stärke, ihren Machtanspruch und internationalen Gestaltungswillen.
„Es gibt keine Macht, die die Grundlagen dieser großen Nation erschüttern kann“, sagte Staats- und Parteichef Xi Jinping in einer Rede. Es wurde auch als Hinweis auf den Rivalen USA und den Handelskrieg der beiden größten Volkswirtschaften verstanden. „Keine Macht kann den Fortschritt des chinesischen Volkes und der Nation aufhalten.“
Trotz eines Demonstrationsverbotes protestierten hingegen in Hongkong wieder Zehntausende gegen ihre Regierung und den Einfluss der kommunistischen Führung in Peking. Es kam zu schweren Zusammenstößen zwischen radikalen Demonstranten und Polizeikräften (siehe unten).
Mit Blick auf die seit fünf Monaten anhaltenden Proteste für Demokratie und Freiheitsrechte forderte Xi Jinping „langfristige Stabilität“ in Chinas Sonderverwaltungsregion. Er bekräftigte den Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“, nach dem die frühere britische Kronkolonie autonom regiert wird. Auch betonte er mit Blick auf Taiwan den Grundsatz der „friedlichen Wiedervereinigung“. Peking betrachtet die demokratische Insel als Teil der Volksrepublik. „Der Kampf für eine vollständige Wiedervereinigung des Vaterlandes muss fortgesetzt werden.“
Update 11.22 Uhr: In Hongkong ist laut einem Bericht ein Demonstrant von der Polizei mit scharfer Munition angeschossen worden. Wie die Hongkonger Zeitung South China Morning Post unter Berufung auf eine nicht näher genannte Quelle berichtet, wurde der Mann im Stadtteil Tsuen Wan an der Brust getroffen. Auf einem auf der Website der Zeitung veröffentlichten Foto war ein blutender Mann zu erkennen, der von Rettungskräften versorgt wird. Wie die Zeitung weiter berichtet, feuerte die Polizei am Dienstag mindestens fünf Pistolenschüsse ab. Zwei Warnschüsse wurden demnach abgegeben, nachdem Polizisten von einer Gruppe Demonstranten angegriffen worden waren.
Erstmeldung: Hongkong - Trotz eines Verbots sind in Hongkong am chinesischen Nationalfeiertag Zehntausende Menschen für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße gegangen. „Freiheit für Hongkong“ und „Hongkong gib Gas“ riefen zumeist schwarz gekleidete Demonstranten am Dienstag bei einem großen Protestmarsch im Zentrum der chinesischen Sonderverwaltungszone und stimmten die Hymne der Protestbewegung an. Auch an anderen Orten in der Millionenstadt kamen zeitgleich Demonstranten zu Protestaktionen zusammen.
Dabei kam es erneut zu Zusammenstößen radikaler Demonstranten mit der Polizei. Aktivisten blockierten Straßen, warfen Pflastersteine, legten Feuer und warfen Brandsätze. Die Beamten setzen Tränengas, Schlagstöcke und Wasserwerfer ein.
Wie die Hongkonger Zeitung South China Morning Post berichtete, gaben Polizisten zudem mindestens zwei scharfe Warnschüsse ab. Beobachter erwarteten, dass sich die Ausschreitungen bis zum Abend noch verschärfen.
Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hatten am Morgen in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag der Volksrepublik China begonnen. Bemerkenswert: Abgeriegelt von der Öffentlichkeit verfolgten geladene Gäste im Messezentrum eine Zeremonie, die in die geschlossenen Räume übertragen wurde.
Eine Ehrengarde hisste die Nationalflagge an der goldenen Bauhinien-Statue, einem Wahrzeichen der früheren britischen Kronkolonie. Zwei Helikopter mit einer großen chinesischen und einer kleineren Hongkonger Fahne flogen über den Hafen entlang der Hongkonger Skyline.
Die Demonstranten fordern eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt bei den seit fünf Monaten andauernden Protesten, eine Amnestierung der mehr als 1500 bisher Festgenommenen, eine Rücknahme der Einstufung ihrer Proteste als „Aufruhr“ sowie freie Wahlen.
„Wir kämpfen für Freiheit und Demokratie“, sagte ein Demonstrant namens Ramon, der sich an dem Marsch durch die Stadt beteiligte. Die Kommunistische Partei gewähre den Menschen keine freien Wahlen, zudem würden Versammlungsfreiheit und Redefreiheit immer weiter eingeschränkt.
In Erwartung der Ausschreitungen schlossen die Behörden bereits am Morgen einige Straßen und U-Bahn-Stationen in der Innenstadt. Mindestens 6000 Polizisten hielten sich bereit, wie South China Morning Post berichtete. Mehrere große Einkaufszentren und hunderte Geschäfte in der Stadt blieben geschlossen; einige Hotels empfahlen ihren Gästen, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten.
Hongkongs bei der Protestbewegung verhasste Regierungschefin Carrie Lam verbrachte den Feiertag nicht in der Stadt. Gemeinsam mit einer großen Delegation war sie zu der großen Militärparade nach Peking gereist.
Hongkongs Behörden hatten einen für Dienstag geplanten großen Protestmarsch im Vorfeld untersagt. Die Demokratiebewegung hatte dennoch für den Tag mehrere Protestaktionen angekündigt.
Bei Protesten am Wochenende war es in Hongkong wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Seit der Rückgabe 1997 an China wird Hongkong mit einem eigenen Grundgesetz autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger stehen unter Chinas Souveränität, genießen aber - anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik - mehr Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit, um die sie jetzt fürchten. Aktivisten hatten im September auch Bundeskanzlerin Angela Merkel um Hilfe gebeten.
dpa/fn