Auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, äußerte sich besorgt. „Die Krisenzeiten, das wissen wir, waren immer Zeiten von Judenhass. Man sieht die Anzeichen auch dieses Mal, es gibt Kommentare im Internet oder Schuldzuweisungen wie im Mittelalter. Wenn große Gefahr ist, wird den jüdischen Menschen die Schuld zugeschoben“, sagte Knobloch. „Die Juden sind an allem schuld. Das ist ein Credo, das viele weitergeben.“ In Bayern ist die Zahl der gemeldeten antisemitisch motivierten Straftaten bereits 2019 deutlich gestiegen.
Knobloch kritisierte auch scharf den AfD-Fraktionschef im Bundestag, Alexander Gauland, der den Tag, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa endete, als „Tag der absoluten Niederlage“ bezeichnet hatte. „Auch die unerträglichen Vergleiche von Gauland passen ins Bild der vielen historischen Verdrehungen seitens der AfD. Sie ändern aber nichts daran, dass wir den 8. Mai in diesem Jahr erneut in Freiheit und Demokratie begehen, die ohne den 8. Mai 1945 undenkbar wären.“
Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte diese Äußerung. Er habe eine „völlig andere Position“, betonte er in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Der Abgrund der deutschen Geschichte und der europäischen Zivilisation ging zu Ende. Endlich.“
Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der von Hitler-Deutschland entfesselte Zweite Weltkrieg in Europa. Er kostete hier und in Asien, je nach Schätzung, zwischen 55 und mehr als 60 Millionen Menschen das Leben. Darunter waren auch etwa 6 Millionen europäische Juden, die die Nationalsozialisten in ihrem Rassenwahn ermordeten.
Zum Gedenken an den 8. Mai 1945 versammelten sich mit Steinmeier auch die Spitzen der vier anderen Verfassungsorgane - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Präsidenten des Bundestags, Bundesrats und Bundesverfassungsgerichts, Schäuble, Dietmar Woidke (SPD) und Andreas Voßkuhle - an der Neuen Wache in Berlin. Sie ist die zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Im Land Berlin war der Freitag einmalig ein Feiertag.
Kremlchef Wladimir Putin wies in einem Fernsehinterview einmal mehr eine Schuld der Sowjetunion am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zurück. Deutschland habe die Sowjetunion angegriffen und nicht umgekehrt. Alles andere sei „Blödsinn“, sagte er. Putin verschickte nach Kremlangaben auch mehrere Glückwunschschreiben an Staats- und Regierungschefs zur Erinnerung an die Opfer. Der Sieg sei damals gemeinsam errungen worden, hieß es mit Blick auf die früheren Sowjetrepubliken.
Vor 75 Jahren wurde auch das Konzentrationslager Dachau befreit. Der Münchner Merkur* berichtet von einer besonderen Begebenheit in Zusammenhang mit diesem Ereignis.
dpa/fn
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