Neutral ans Ziel

Reisen ist mit CO2-Ausstoß verbunden. Um diesen auszugleichen, bietet Studiosus ab sofort nur noch klimaneutrale Bus-, Bahn und Schiffsreisen an. Die Kunden müssen nicht extra dafür zahlen.
München 27. Oktober 2011
Der Begriff Nachhaltigkeit ist in letzter Zeit stark strapaziert worden, gedehnt und so lange gedreht, bis er passt, und das bisweilen so lange, dass man die ursprüngliche Bedeutung nicht mehr erkennen konnte. Peter-Mario Kubsch, Geschäftsführer von Studiosus und Marco Polo, ist darum sehr zurückhaltend, wenn es um die Verwendung dieses Wortes geht. Doch was er zu sagen hat, ist Nachhaltigkeit pur: Der Münchner Studienreiseveranstalter ist ab 2012 mit seinen Gästen auf allen Auto-, Bus-, Bahn- und Schiffsfahrten klimaneutral unterwegs und kompensiert den CO2-Ausstoß durch eine Spende an ein Klimaschutzprojekt.
„Wir sind der einzige Veranstalter, der das macht“, sagt Kubsch. Es ist aufwendig und kostet Geld, aber „der Schutz des Klimas ist und bleibt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit, insbesondere auch im Tourismus“. Also hat Studiosus den durchschnittlichen CO2-Ausstoß pro Personenkilometer für die benutzten Verkehrsmittel errechnet. Beispielsweise sind dies bei der Bahn 38 Gramm CO2 pro Personenkilometer. Mit diesen Zahlen wurden die entsprechenden Kompensationskosten pro Person und Reise ermittelt. Gestützt hat sich der Veranstalter dabei auf Quellen wie das Umweltbundesamt und der Schweizer Stiftung Myclimate, einem der weltweit führenden Anbieter von freiwilligen Kompensationsmaßnahmen.
Mit diesen Zahlen wurden dann die Emissionen der Reisen und deren Kompensationskosten errechnet. Die betragen dann beispielsweise für die achttägige Studienreise „Toskana – malerisches San Gimignano“ 1,41 Euro pro Person, entsprechend den 1310 Bahn- und 785 Buskilometern, die die Gruppe unterwegs ist. Bei einer 23-tägigen Chinareise sind es für Bahn, Bus und Schiff insgesamt 5,91 Euro pro Person, eine Kreuzfahrt-Studienreise durch Norwegen schlägt mit 44,62 Euro pro Person zu Buche. Diese Summen sind bereits in die neuen Katalogpreise für 2012 einkalkuliert.
Bei den rund 100 000 Gästen, die voraussichtlich im kommenden Jahr mit Studiosus und Marco Polo verreisen, errechnete das Unternehmen 14 737 Tonnen Kohlendioxid- Emission, für die Studiosus CO2-Zertifikate im Wert von rund 280 000 Euro erworben hat. Dieses Geld wird in Kooperation mit Myclimate in ein Klimaschutzprojekt in Südindien investiert: Dort werden in den nächsten Monaten rund 600 neue Biogasanlagen für Kleinfamilien gebaut, die – erfreulicher Nebeneffekt – dadurch Arbeit vor Ort finden und weniger Brennholz verfeuern müssen.
Das Reisen mit dem Flugzeug hat Studiosus erst einmal aus dem Nachhaltigkeitsprogramm herausgelassen. Würde die CO2-Kompensation ebenfalls bereits im Reisepreis enthalten sein, so Peter-Mario Kubsch, fehle zum einen der Anreiz, umweltfreundliche Verkehrsmittel (zum Beispiel Zug zum Flug statt innerdeutscher Zubringerflug) zu benutzen. Außerdem wären die Endpreise zu teuer. „Wir alleine können das in dieser Größenordnung nicht“, sagt der Geschäftsführer, die Konkurrenz würde sich vermutlich über den ruinösen Alleingang des größten Studienreiseanbieters in Europa freuen.
So bleibt es bislang den Reisenden selbst überlassen, bei Flugreisen freiwillig für die CO2-Kompensation zu spenden. Ein Faltblatt mit Berechnungshilfe und vorbereiteter Banküberweisung liegt den Reiseunterlagen bei. Da erfährt beispielsweise der Island-Reisende, dass mit 29 Euro ein Klimaschutzprogramm seinen CO2-Ausstoß von 1300 Kilogramm wieder aufwiegen kann. Nach New York sind es 88 Euro, nach Kapstadt 148 Euro und für Sydney werden 264 Euro fällig. Wie gesagt: freiwillig. Bis jetzt zahlen knapp ein Prozent der Reisenden diese Abgabe, aber Peter-Mario Kubsch ist überzeugt, dass sich auch im Luftverkehr etwas ändern muss: „Das Fliegen ist die Achillesferse des Tourismus.“
Volker Pfau