Ex-Löwe Stahl über den Hachinger Höhenflug

Ex-Löwe Dominik Stahl über den Hachinger Höhenflug und das gute Klima bei Schwabls Börsenverein.
Erfolgreicher Börsengang, Tabellenplatz eins nach einem Viertel der Drittligasaison – es läuft bei der SpVgg Unterhaching. Dass die Hachinger es geschafft haben, nach einer Horrorrückrunde so schnell in die Erfolgsspur zurückzukehren, ist auch ein Verdienst von charakterstarken Spielern wie Dominik Stahl, 31. Wir sprachen mit dem Kapitän und früheren 1860-Profi über die erfreuliche sportliche Momentaufnahme.
Herr Stahl, wie war das erste Wochenende als Tabellenführer?
Natürlich schaut die Tabelle gerade schön aus, aber sie ist noch nicht aussagekräftig – das können wir alle sehr gut einordnen. Wir sind froh, dass wir bei den Punkten schon jetzt eine Zwei vorne haben – vor allem, wenn man weiß, wie eng es letztes Jahr noch mal geworden ist.
Vorige Saison war Haching auch schon mal Tabellenführer, damals nach sieben Spieltagen . . .
. . . diesmal ist es nach neun Spieltagen. Wir schieben uns nach vorne, dass wir irgendwann vielleicht auch mal am Ende oben stehen (lacht).
Welche Rolle spielt es in den Köpfen, dass Haching ein Jahr der Extreme hinter sich hat? Furios in der Vorrunde, ab der Winterpause dann das Gegenteil.
Die Antennen sind natürlich ausgefahren – in alle Richtungen. Wir haben nicht vergessen, dass wir nach einer starken Hinserie in einen richtigen Negativstrudel geraten sind. Mit Verletzungspech, unglückliche Spielen, mangelndem Selbstvertrauen. Daraus haben wir gelernt. Diesmal versuchen wir, proaktiv vorzugehen und Dinge schon frühzeitig aufzuspüren. Wir haben auch den Kader breiter aufgestellt, damit eine mögliche Verletztenmisere nicht so reinhaut wie letztes Jahr.
Trainer Claus Schromm sagte nach der Horror-Rückrunde: „Ich wüsste nicht, was uns jetzt noch umwerfen soll . . .“ Fällt Ihnen etwas ein?
Ich glaube auf jeden Fall daran, dass fast alle Krisen etwas beinhalten, um Fruchtbares entstehen zu lassen – wenn man die richtigen Schlüsse daraus zieht.
Was den Kader angeht, wurden offensichtlich Lehren gezogen. Auch jenseits der ersten Elf ist jetzt viel Qualität zu erkennen.
Die meisten aus der letzten Saison sind ja noch dabei, aber klar: Ich denke, dass der Kader sehr sinnvoll verstärkt wurde und wir auf und neben dem Platz viele Persönlichkeiten haben. Und noch mal zur letzten Rückrunde: Ich denke auf jeden Fall, dass wir da gestärkt rausgehen.
Es fällt auf, dass Haching plötzlich auch die schlechten Spiele gewinnt. Oder die, in denen man kurz vor Schluss 2:4 hinten liegt . . .
Ja, dieses 5:4 gegen Würzburg . . . (lächelt). Im Fußball ist einerseits immer auch eine gehörige Portion Glück im Spiel. Andererseits: Man kriegt’s ja nicht geschenkt. Wenn wir in der 87. Minute das Fußballspielen eingestellt hätten, dann hätten wir das Spiel auch nicht mehr gewonnen. Klar war der Spielverlauf günstig für uns, aber vielleicht ist es tatsächlich eine neue Qualität von uns, dass wir solche Spiele dann sogar noch gewinnen. Ein Unentschieden wäre ja auch schon Wahnsinn gewesen. Oder wenn man die Spiele in Köln und gegen Chemnitz nimmt: Wir haben da nicht den Fußball gespielt, den wir spielen wollen, waren mit der reinen Leistung sogar unzufrieden, haben aber die Punkte mitgenommen.
War dieses 5:4 gegen Würzburg eine Initialzündung für die Saison?
Es liegt ja auf der Hand, dass so ein Spiel etwas bewirkt. Dass man viel mitnimmt und lernt, was es heißt, nie aufzugeben. Auch umgekehrt konnte man ja sehen, was so ein Erlebnis auslösen kann: Die Würzburger, die eigentlich eine Supertruppe haben, hatten richtig daran zu knabbern – so lange, wie die nicht mehr auf die Beinen gekommen sind. Ich glaube, dieses Spiel hat mit beiden Mannschaften etwas gemacht.
Auffällig ist auch, dass Haching kaum noch Unentschieden spielt. 15 waren es am Ende der letzte Saison, jetzt sind es erst zwei nach neun Spielen.
Das ist auch so eine Sache: Vor zwei Spieltagen standen wir punktemäßig genauso da wie letzte Saison. Damals kam dann diese Serie mit sieben Unentschieden. Diesmal haben wir gesagt: Boah, bitte nicht wieder . . . Rein von den Punkten ist es echt so, dass man lieber mal eins verliert als immer unentschieden zu spielen. Man kann eine ganze Saison ungeschlagen bleiben – und trotzdem absteigen. Wobei man das natürlich nicht mit Absicht macht.
Sie waren zwölf Jahre bei 1860 und sind jetzt seit drei Jahren Hachinger. Steckt in Ihnen noch ein kleiner Löwe?
Mein Sternzeichen ist Löwe – so gesehen werde ich immer Löwe sein (lacht). Aber im Ernst: Ich hatte eine schöne Zeit bei 1860, bin dort zum Profi geworden, habe viele nette Menschen kennenlernen dürfen – insofern wird das immer ein Teil von mir bleiben. Am Ende ist es ein bisschen unglücklich gelaufen, aber ich bin da nicht nachtragend oder so. Ich verfolge, was bei 1860 passiert, aber natürlich nicht mehr so intensiv. Ich bin jetzt in Unterhaching und sehr froh und glücklich dort.
Könnte es sein, dass die Ruhe und Bodenständigkeit dort eher Ihrem Naturell entspricht?
Auf jeden Fall. Ich bin einfach so gestrickt. Ich glaube auch, dass das ein Grund ist, warum viele Spieler in Haching sehr gut funktionieren. Man sieht das ja auch bei Stephan Hain. Und bei vielen anderen Spielern, die in Haching noch mal aufblühen. Ich denke, diese Konstanz, was die sportlichen Entscheider angeht – die ist einfach ungewöhnlich. Eine Rückrunde, wie wir sie im Frühjahr hingelegt haben, die hätten bestimmt nicht viele Trainer überstanden.
Dominik Stroh-Engel hat erzählt, dass er vor der Verpflichtung nicht nur Kontakt zu den Entscheidungsträgern hatte, sondern sich auch mit dem Kapitän Seppi Welzmüller getroffen hat. Ist das typisch für Haching?
Es ist total typisch – und für uns schon gar nichts Besonderes mehr. Passt der auch in die Kabine? Solche Fragen werden bei uns auch mit dem Mannschaftsrat diskutiert, wenn es um Transfers geht. Ich find’s gut, denn es geht ja nicht nur rein um das Sportliche. Und so nimmst du auf jeden Fall die Mannschaft in die Pflicht. Das zeugt von brutalem Vertrauen. Ich glaube nicht, dass Spieler XY verpflichtet würde, wenn sich die Mannschaft komplett dagegen stemmen würde, sportlich hin oder her.
Wurden Sie damals auch so intensiv geprüft?
Ich glaube tatsächlich, dass sie am Ende des Trainingslagers zusammensaßen und es interne Gespräche gab. Aber anscheinend sind sie ja positiv ausgefallen (lacht).
Aber 1860 verfolgen Sie schon noch, oder? Was denken Sie, wo geht es hin mit Ihrem Ex-Verein?
Das ist eine gute Frage – und eine sehr schwere. Ich glaube, dass sie eine gute Truppe haben. Ob es für ganz oben reicht, weiß ich nicht. Ich bin zu weit weg, um eine seriöse Einschätzung zu geben. Ich kenne den Biero (Daniel Bierofka) gut, war damals mit ihm im Zimmer. Der Franz Hübl (Co-Trainer) ist sogar ein Freund von mir. Ansonsten hab ich wenig Kontakt zur aktuellen Mannschaft.
Sie werden ja noch zweimal in diesem Jahr mit 1860 die Klingen kreuzen, einmal im Totopokal und einmal in der Liga. Bitteschön – hier haben Sie die Möglichkeit, die Stimmung schon mal ein wenig anzuheizen?
Anheizen ist ja genau mein Ding . . . (lacht). Nein, ich glaub einfach, dass es zwei saucoole Spiele werden. Im Pokal spielen wir ja bei den Löwen, in der Liga kommen sie erst zu uns. Spannend wird’s. Ich glaube auch, dass da der Tabellenplatz zweitrangig ist, weil 1860 wie wir enorme Qualität in der Mannschaft hat. Ich freue mich drauf, werde jetzt aber keine Parolen raushauen.
Es steht die Aussage von Präsident Manni Schwabl im Raum: „Ich werde nicht locker lassen, bis wir zurück in der 2. Liga sind.“ Gilt das auch für Sie?
Ich werde natürlich den Vereinsvorderen folgen und alles reinhauen, was ich habe. Vorausgesetzt natürlich, sie haben noch länger Bock auf mich (grinst). Ich verstehe den Manni gut: Er ist mit so viel Herzblut dabei und so nah dran an der Mannschaft. Das ist schon sehr beeindruckend. Aber auch alle anderen tun alles für den Verein – infrastrukturell, mit dem Börsengang . . . Die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Aufstieg eines Tages schaffen, wurde auf jeden Fall erhöht. Nur ist Erfolg im Fußball halt schwer planbar. Schön wäre es in jedem Fall, noch mal Abba mit dem Manni zu singen wie damals nach dem Aufstieg.
Interview: Uli Kellner