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Löwen-Leader Verlaat: „Mehrere Spieler müssen über einen längeren Zeitraum Mentalität zeigen!“

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Von: Uli Kellner

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1860-Profi Jesper Verlaat sitzt unter Palmen in Belek und lacht.
Sunnyboy: Jesper Verlaat lacht mit der Sonne in Belek um die Wette. © Stefan Matzke / sampics

Kaum einer schlug bei 1860 ein wie er: Jesper Verlaat ist sportlich und menschlich ein Gewinn. Wir trafen ihn vor dem Duell bei seinem Ex-Club Mannheim.

Jesper Verlaat, exakt zwei Monate nach dem letzten Spiel geht es am Samstag in Mannheim weiter, bei Ihrem Ex-Verein. Der richtige Gegner, um gleich hellwach zu sein?

Verlaat: Ich glaube, jeder Gegner wäre jetzt der richtige. So wie wir in die Winterpause gegangen sind, ist jedem klar, dass wir am Samstag hellwach sein müssen. Die Pause hat uns allen gutgetan, auch mental. Die Freude ist da, man hat frische Energie getankt. Mannheim wird ein Brett – wie zu Saisonbeginn Dresden.

Joseph Boyamba hat erzählt, dass er noch enge Verbindungen nach Mannheim hat, mit seiner Formel-1-Runde um Marcel Seegert. Wie schaut es da bei Ihnen aus?

Verlaat: Ich war da auch dabei – meistens haben wir es sogar bei mir zu Hause geguckt. War das Rennen in Mexiko, haben wir Tacos gemacht, immer was Landestypisches. Das war schon eine geile Runde.

Formel-1-Clique in Mannheim - „eine geile Runde“.

Boyamba ist Team Mercedes, wie er sagte. Bei Ihnen dürfte der Fall klar sein…

Verlaat: Ich bin natürlich Team Red Bull. Team Verstappen, eindeutig. Highlight war das Finale in Abu Dhabi. Das haben wir auch bei mir geguckt – und sind alle komplett ausgerastet (lacht).

Jetzt sind Sie in München, seit Sommer ein Löwe. Man hatte den Eindruck, dass Sie blitzschnell angekommen sind, sportlich, als Typ und als Mensch. Stimmt der Eindruck?

Verlaat: Nicht ganz. Ein, zwei Wochen habe ich schon gebraucht, um mich an alles zu gewöhnen. Wieder ein komplett neues Umfeld, wieder eine Wohnung suchen und den Umzug organisieren. Alles auch noch während der Vorbereitung. Top für mich war, dass dann alles geregelt war, als es losging.

Und wie lief es losgelöst von der Logistik?

Verlaat: Vorbereitung ist immer Findungsphase. Wo ist dein Platz? Mit wem kommst du gut aus, mit wem weniger? Auch sportlich sind es viele neue Eindrücke: Trainingsgestaltung, Trainingsinhalte, die Leute am Vereinsgelände. Ab da, wo ich aus dem Hotel raus war und eine Wohnung hatte, hab ich mich heimisch gefühlt. Das muss auch so sein – sonst kann ich keine Leistung bringen.

Jetzt, nach der langen Ligaunterbrechung, können Sie es ja sagen: Woran lag’s, dass vor der WM-Pause nichts mehr so klappte wie zu Saisonbeginn?

Verlaat: Woran lag’s? Ich glaube, jeder Verein außer Elversberg hatte ein Tief. Das passiert. Du kannst nicht alles gewinnen und immer Topleistungen abrufen. Schade war halt, dass wir nach Bayreuth (0:1 beim Tabellenletzten am 29. Oktober/d. Red.) nicht mehr die Kurve gekriegt haben, anders als vorher nach Niederlagen. Es kam auch ein bisschen Pech dazu – und auf einmal bist du in einem Strudel drin, aus dem du nur schwer rauskommst. In den letzten vier Spielen hat sich das addiert – und dann sieht es nach außen schlecht aus.

Es kam auch ein bisschen Pech dazu – und auf einmal bist du in einem Strudel drin, aus dem du nur schwer rauskommst.

Jesper Verlaat über den Negativlauf der Löwen vor der WM-Pause.

Wie wurde das intern aufgearbeitet?

Verlaat: Man neigt immer dazu, nach einer Niederlage total negativ zu sein – und nach einem Sieg sehr euphorisch. Ich glaube, unsere Lehre muss sein, diese Extreme nicht so zuzulassen. Jeder merkt das bei sich selbst: Wenn du nicht gut drin bist, willst du den besten Pass spielen, die beste Aktion machen, irgendwie krampfhaft wieder in den Rhythmus kommen. Der falsche Ansatz. Wichtig ist, dass man sich auf die einfachen Dinge konzentriert.

Würden Sie sagen, dass die richtigen Schlüsse aus der Krise gezogen wurden?

Verlaat: Ja, die wichtigen Punkte wurden angesprochen. Vielleicht geht es auch darum, dass wir über einen längeren Zeitraum mehrere Spieler haben, die Mentalität zeigen. Bestes Beispiel ist Bayreuth. Da wurde Morgalla als einer der wenigen Spieler laut. Künftig muss sich das auf mehrere Schultern verteilen. Wir haben alle ein Ziel – dem muss sich jeder unterordnen.

Nach dem Trainingslager 2022 schwärmten alle vom inzwischen berühmten „Geist von Belek“. Gibt es auch den „Geist von Belek“ 2023?

Verlaat: Das denke ich schon. Du hockst 24/7 aufeinander, lernst die Spieler auf eine andere Art kennen, das schweißt zusammen. Wie mit einer neuen Freundin: Die lernst du auch erst richtig kennen, wenn du zusammenwohnst. Trainingslager nehmen immer so eine Eigendynamik an – auch wegen der Zimmereinteilung, die ich sehr gut gewählt fand.

Alle Spieler waren mit einem Positionskollegen auf dem Zimmer, Sie mit Leandro Morgalla. Wie hat das geklappt?

Verlaat: Leo und ich verstehen uns gut, auch auf dem Platz. Im Zimmer zocken wir jeden Abend Mario Kart auf der Switch. Da geht es heiß her. Macht Spaß mit Leo – und passt auch so. Wir gehen beide früh schlafen, keiner schnarcht. Leo ist ein feiner Kerl.

Die Stimmung im Zimmer dürfte auch gut gewesen sein, als die „kicker“-Rangliste rauskam. Sie auf Platz eins bei den Innenverteidigern, Morgalla Zweiter. Haben da die Sektkorken geknallt?

Deichi stieg zu uns in den Aufzug und sagte: Krass, jetzt darf ich mit den zwei Topspielern runterfahren!

Verlaat über die kicker-Rangliste, in der er und Zimmerpartner Leandro Morgalla die Spitzenplätze belegen.

Verlaat: Wir haben es spät erfahren, von Deichi (Yannick Deichmann), irgendwann nach dem Essen. Er stieg zu uns in den Aufzug und sagte: „Krass, jetzt darf ich mit den zwei Topspielern runterfahren!“ Da wurden einige Sprüche gedrückt, natürlich auf der lustigen Schiene. Und im Ernst: So was liest sich natürlich gut, aber wir haben noch nichts erreicht. Wir sind beide bodenständig genug, um zu wissen: Diese Leistungen müssen wir erst mal bestätigen.

Haben Sie schon mal einen 18-Jährigen erlebt, der so weit ist wie Morgalla?

Verlaat: War er ja schon mit 17. Ich kann mich noch gut an sein Startelfdebüt erinnern – damals in Mannheim, wo ich noch auf der anderen Seite war. Sechzig hatte einige Coronafälle, und unser Trainer hat in der Kabine gesagt: Da spielt heute ein sehr junger Innenverteidiger, der wahrscheinlich aufgeregt ist… Von wegen! Gleich zu Beginn gibt es Elfmeter, weil ihm ein Ball gegen die Hand fällt. Riesenpech für ihn, aber wie cool er danach weitergespielt hat – das ist bei mir hängen geblieben. Selbst Martinovic hat nach dem Spiel gesagt: Wahnsinn, ist der schnell! Ich hab seinen Namen dann verfolgt, ihn im Sommer näher kennen gelernt und muss sagen: Wie er tickt, wie er drauf ist – null abgehoben, obwohl er wahrscheinlich immer schon besser war als alle anderen. Ihm merkt man den Hype gar nicht an. Er bleibt trotzdem bodenständig. Der ist so, wie er ist.

Ein spezieller Typ ist auch der Trainer. Michael Köllner gibt der Mannschaft Bibelsprüche mit, lässt „Wahrheit oder Lüge“ spielen, macht zu Meditationszwecken das Licht in der Kabine aus. Wie kommen solche Maßnahmen an?

Verlaat: Als Neuer bist du erst mal überrascht – du musst dich drauf einlassen, das ist das Wichtigste. Klar: Am Anfang wird gekichert, wenn du da im Dunkeln sitzt, aber mittlerweile ist das ein Ritual. Oder der Filmabend in Belek. Wir haben nicht Spiderman geguckt, sondern „Peaceful Warrior“, einen Film mit tieferem Hintergrund. Privat hätte ich den wahrscheinlich nicht geguckt, aber als Team ist es was anderes. Wir wissen inzwischen, dass immer eine Botschaft dabei ist. Wie bei den Weihnachtsgeschenken…

1860-Profi Jesper Verlaat beim Interview in Belek mit Sportredakteur Uli Kellner.
Interview unter türkischen Palmen: Jesper Verlaat mit Sportredakteur Uli Kellner. © Stefan Matzke / sampics

Welche Geschenke meinen Sie?

Verlaat: Wir wichteln ja als Mannschaft – und da hat er jedem ein Buch geschenkt. Er hat sich zu jedem Spieler Gedanken gemacht. Du bekommst dann keinen Roman in die Hand, sondern Bücher mit spirituellem Hintergrund, über den Sinn des Lebens, was für den Kopf halt.

Er selber schreibt ja auch Bücher, allerdings über Taktik. Verraten Sie uns, welches Buch Sie von ihm bekommen haben?

Verlaat: Mein Buch heißt: „Der Millionär und der Mönch“. Hiller und Willsch haben das auch bekommen.

Wichtelgeschenk von Cheftrainer Köllner - ein Buch mit dem Titel: „Der Millionär und der Mönch.“

Wie war Ihre Reaktion?

Verlaat: Ich hab mich gefragt, ob das eine Anspielung ist (lacht). Er macht ja gerne Späße, deswegen habe ich gleich gesagt: „Ich bin der Mönch!“ Manche haben ein Buch bekommen, das hieß: „Der Sklave“. Die haben auch erst mal gerätselt, wie das gemeint ist (lacht).

Haben Sie schon mit Ihrem Buch angefangen?

Verlaat: Noch nicht. Ich bin noch bei einem anderen Buch: „Man muss nicht von jedem gemocht werden“.

Haben Sie sich das selbst ausgesucht?

Verlaat: Ja. Lesen hilft mir, aus dem Fußballtrudel rauszukommen. Ist was Philosophisches, um auch mal andere Einblicke zu bekommen. Ich bin auch so ein Typ, der sich manchmal vielleicht ein bisschen zu viel Gedanken macht.

Interview: Uli Kellner

In Teil zwei lesen Sie ab Freitagabend, wie es Jesper Verlaat erging, als er während der WM-Pause alleine mit dem Rucksack durch Vietnam gereist ist. Außerdem: Welche sportlichen Tipps der Ex-Mannheimer hat, damit 1860 im Neustartspiel der 3. Liga (Samstag, 14 Uhr) gleich mal ein Erfolgserlebnis verbucht.

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