1. tz
  2. Sport
  3. 1860 München

1860-Frauen erobern München: Löwen-Bomberin Endrizzi und Leiterin Dehling im Interview

Erstellt:

Von: Nico-Marius Schmitz

Kommentare

Kaum aufzuhalten: Sofia Endrizzi, die auch jahrelang Eishockey spielte, erzielt Tore wie am Fließband – auch dank ihr sind die Löwinnen, die unter anderem von Silke Dehling gegründet wurden, Tabellenführer.
Kaum aufzuhalten: Sofia Endrizzi, die auch jahrelang Eishockey spielte, erzielt Tore wie am Fließband – auch dank ihr sind die Löwinnen, die unter anderem von Silke Dehling gegründet wurden, Tabellenführer © Löwenmagazin

Frisch gegründet und schon sehr erfolgreich: Die Löwen-Frauen marschieren durch die Kreisklasse. Ein Interview über rasanten Erfolg und Wertschätzung.

München – 1860 ist souveräner Tabellenführer! Zumindest in der Kreisklasse. Rund 40 Jahre gab es keine Frauenfußballmannschaft bei den Löwen. Das hat sich 2020 geändert – und es gab bereits den ersten Aufstieg. Das Löwinnen-Interview mit Spartenleitung Silke Dehling (30) und Top-Torjägerin Sofia Endrizzi (18).

Immer wieder jubeln die Löwinnen: Die Damen des TSV 1860 sind in der Kreisklasse eine Nummer für sich.
Immer wieder jubeln die Löwinnen: Die Damen des TSV 1860 sind in der Kreisklasse eine Nummer für sich. © Löwenmagazin

Silke Dehling, kannst du uns kurz erzählen, wie es zur Frauenmannschaft bei 1860 kam

Silke: Das hat sich während Corona entwickelt. Wir wurden immer schon darauf angesprochen: Warum gibt es bei 60 keine Löwinnen? Warum können Frauen hier kein Fußball spielen? Beim Verein sind wir offene Türen eingelaufen. Wir haben dann eine WhatsApp-Gruppe gegründet mit sämtlichen Mädels, die wir aus der Kurve kennen. Es ging alles ziemlich schnell, im August 2020 hatten wir das erste Training. Da mussten wir noch den Postbooten aufhalten, da er unsere Bälle hatte und mein Haus erst am Ende der Route lag (lacht).

In der ersten Saison sind die 1860-Frauen gleich souverän Meister geworden. Und dann habt ihr euch mit Sofia Endrizzi verstärkt, die zuvor für Ligakonkurrent TSV Ottobrunn 30 Tore geschossen hat.

Silke: Da möchte ich anmerken, gegen uns hat die Sofia in der ersten Saison nicht getroffen (lacht). Wir haben immer mehr Anfragen bekommen, deshalb haben wir auch eine zweite Mannschaft installiert. Der Kontakt zu Sofia kam dann über unseren neuen Trainer Mariano Frate. Aber natürlich war sie uns allen schon bekannt.

Sofia, war für dich sofort klar, dass du für 1860 spielen möchtest?

Sofia: 1860 kennt jeder. Überall sieht man Graffitis in der Stadt von dem Verein. Mein Opa war früher auch 1860-Fan. Mit Mariano habe ich mich immer schon gut verstanden. Deshalb war das eine eindeutige Sache, als er mich gefragt hat, ob ich für die Löwen spielen möchte. Ich habe gesagt: Klar, mach ma.

Neben dem Fußball hast du auch lange Eishockey gespielt.

Sofia: Ich bin mit vier Jahren nach Deutschland gezogen. Mein Vater hat mich direkt mit meinem Bruder zum Eishockey nach Ottobrunn gebracht. Ich habe 13 Jahre mit den Jungs in einer Mannschaft gespielt. Die Leidenschaft für den Fußball war aber auch da, wir haben immer auf dem Pausenhof gespielt. Meine Mutter hat mich dann zum Tanzen gebracht, das habe ich aber gehasst (lacht). Vom Tanzraum habe ich immer auf die Plätze geblickt, auf denen die Mädels Fußball gespielt haben. Mit elf Jahren habe ich dann gesagt, dass ich nicht mehr zum Tanzen möchte. Eishockey war lange meine Priorität, es war mein Leben. Jetzt mit 18 war der Unterschied körperlich zu den Jungs einfach zu groß. Dann kam auch noch der Wechsel zu 1860. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, mich auf den Fußball zu fokussieren.

Multitalent: Sofia Endrizzi kann‘s auf Kuven und auf Stollen.
Multitalent: Sofia Endrizzi kann‘s auf Kuven und auf Stollen. © Löwenmagazin

Hast du etwas vom Eis mit auf den Fußballplatz genommen?

Sofia: Dadurch, dass ich von klein auf immer mit Jungs zusammengespielt und trainiert habe, habe ich mich an die Härte gewöhnt. Bei meinem ersten Fußballtraining dachte ich mir: Das ist ein Witz. Jungs werden von den Trainern im Sport einfach ganz anders behandelt als Mädels. Also ja, ich spiele schon körperbetont.

Körperbetont – und treffsicher. In dieser Saison stehst du schon bei 21 Toren nach acht Spielen.

Sofia: Ich bin vielleicht die, die den Fuß rein hält. Ohne die Grätschen in der Verteidigung oder die Pässe aus dem Mittelfeld wäre das aber auch nicht möglich. Es ist eine Teamleistung. Mein Job als Mittelstürmerin ist es nun mal, Tore zu erzielen.

Silke, wie nehmen das die anderen Mannschaften auf, wenn 1860 in der Liga 17:0 gewinnt?

Silke: Die anderen Mannschaften geben schon 120 Prozent, wenn wir kommen. Bei der Gründung hätten wir selbst nicht gedacht, dass wir in der ersten Saison so durchmarschieren. Wir sind ja keine Profis. Wir gehen am Montag auch alle wieder zur Arbeit oder in die Uni. Manchmal ist es frustrierend, wenn du nur auf die Socken bekommst. Also der Name ist nicht immer ein Vorteil (lacht). Aber aus dem direkten Umfeld erfahren wir viel Unterstützung, alle schätzen unsere Arbeit. Es sind auch immer viele Fans dabei.

Durch die Auftritte der Nationalmannschaft ist der Frauenfußball im Aufwind. Spürt ihr das auch?

Silke: Ich merke das auch im privaten Umfeld. Mein Papa hätte früher nie Frauenfußball geschaut. Mittlerweile sagt er, das schaut er lieber, weil die Frauen nicht so lange am Boden rumliegen. Ich hoffe, dass es kein Hype auf Zeit ist und der Aufschwung hält. Man merkt überall, dass das öffentliche Interesse gestiegen ist.

Sofia: Mein erstes Spiel bei 60 war ein Pokalspiel, da waren 400 Fans. Als am Ende alle zusammen gesungen haben, das war Gänsehaut pur. Wir spielen nur Kreisklasse, und trotzdem sind so viele gekommen. Wir haben bitter im Elfmeterschießen verloren, aber die Stimmung war echt klasse. Das werde ich nie vergessen.

Sprüche a la „Das ist doch nur Frauenfußball“ muss man sich also nicht mehr so oft anhören?

Silke: Ich muss mir das zum Glück nicht oft anhören. Gerade bei 60 gibt es einige aus der Kurve, bei denen ich nie gedacht habe, dass sie sich unsere Spiele anschauen. Viele sind aber bei jedem Heim- und auch Auswärtsspiel dabei.

Sofia: Beim Eishockey war das schlimm. Ich musste beim Sport immer mit vielen Vorurteilen kämpfen. Vom Gegner musste ich mir oft Sprüche anhören. Aber, wenn man Leistung bringt, sind die auch leise. Auf der anderen Seite gibt es so viele, die das unterstützen, man muss sich einfach mehr darauf konzentrieren.

Mit Robert Lewandowski hat der zweitbeste Stürmer Münchens dieses Jahr die Stadt verlassen. Bleibt uns die beste Stürmerin Sofia Endrizzi noch länger erhalten?

Sofia: Mein großer Traum war es schon immer, Medizin zu studieren. Ich habe auch über eine sportliche Karriere nachgedacht. Aber als Frau ist es finanziell sicherer, studieren zu gehen. Wenn irgendwas in der Sportkarriere nicht nach Plan läuft, man sich verletzt, steht man mit nichts da. Ich mache jetzt den Medizinertest, wenn ich einen Studienplatz in München bekomme, bleibe ich hier und spiele natürlich weiter Fußball für 60.

Wie sehen die Zukunftspläne für den Frauenfußball bei 1860 aus?

Silke: Wir wollen nachhaltig, den Frauenfußball bei 60 und in München etablieren. Wir wollen in München eine Anlaufstelle für Frauenfußball sein. Wir sind gerade in der Planung für eine U17. Mit der ersten und zweiten Mannschaft soll es immer weiter nach oben gehen. Wir haben für beide Mannschaften schon Wartelisten. Und langfristig wollen wir natürlich auch das Fundament durch eine gute Jugendarbeit schaffen.

Interview: Nico-Marius Schmitz

Auch interessant

Kommentare