„Wir sind am Diskutieren“ – Wann sagen die Löwen Ja zu Jacobacci?

Maurizio Jacobacci scheint den TSV 1860 endlich wieder in die Spur gebracht zu haben. Aber darf der Italiener auch über die Saison hinaus weitermachen?
München – Am Tag danach blieb der Center Court an der Grünwalder Straße länger als erwartet leer. Für 10.30 Uhr war das Auslauftraining angekündigt, eine halbe Stunde später waren die Ingolstadt-Sieger immer noch in der Kabine. Denkbar, dass Trainer Maurizio Jacobacci Gebrauch von seiner Zuckerbrot-und-Peitsche-Pädagogik machte. Gegenüber unserer Zeitung hatte er erklärt, ein Freund antizyklischer Ansprachen zu sein.
Sprich: Verlieren die Spieler, wird gestreichelt. Gewinnen sie dagegen, sage er auch gerne mal: „Hey, Jungs! Wir haben zwar gewonnen, aber da, da und da hatten wir Glück. Damit sie nicht meinen, sie hätten Wunder was für ein Spiel gemacht.“
TSV 1860: Die Entwicklung geht in die richtige Richtung
Hatten sie allerdings – gemessen am Leistungsstandard im bislang wenig mirakulösen Löwen-Jahr 2023. Einhelliger Tenor im Audi-Sportpark war, dass 1860 das Spiel „nur“ mit 3:1 gewonnen hatte, denn gegen ein lange scheintotes Team des FC Ingolstadt wäre locker auch ein Ergebnis mit der doppelten Anzahl Tore möglich gewesen. „Es war ein fast perfektes Spiel“, sagte der Italiener in seiner ersten Begeisterung: „Die Mannschaft hat eine großartige Reaktion gezeigt auf das letzte Spiel. Da kann man sicher stolz sein heute und gut darauf aufbauen.“

Klammert man die Anfangsphase dieses letzten Spiels aus, das 1:4 gegen Dortmund II, ist tatsächlich eine Entwicklung festzustellen, die wieder stark in Richtung dessen geht, was sich die Fans von ihren Löwen erwarten: Zweikampf- und Lauffreude, Leidenschaft, durchdachte Angriffe und eine Struktur auf dem Platz, die es jedem Spieler erlaubt, sich im Sinne des Erfolgs einzubringen. Es ist sicher kein Zufall, dass alle drei Tore einstudiert wirkten – wie aus dem Lehrbuch, aber ausgeführt in wechselnder Besetzung. Vor dem 0:1 spielte Wörl den Pass in die Tiefe, den Boyamba für den Schützen Lex zurücklegte. Vor dem 0:2 war Morgalla der Ausgangspunkt und Deichmann der Assistgeber für Lex, diesmal über rechts. Mustergültig auch das 3:0: Steilpass Wörl, Bär mit der Hacke zu Boyamba, der wieder den Weg zur Grundlinie suchte – und zielsicher Bär fand, der sich zwischenzeitlich in Abschlussposition gebracht hatte.
TSV 1860 und Jacobacci in Gesprächen
Hört man in die Mannschaft rein, stellt man fest, dass die Spieler genau diese Art der Hilfestellung herbeigesehnt hatten. Die Spieler sind froh, wieder einen Trainer zu haben, der sich auf die Basisarbeit eines Fußballlehrers konzentriert. „Ich sag mal so“, sagte Jesper Verlaat am Montagabend: „Jeder Spieler hat gemerkt, was du mit diesem Trainer in einem Monat aufgebaut hast. Die Einstellung meine ich, das Spielerische, auch die Moral. Heute wusste jeder, welche Laufbewegung der andere macht.“ Auch Doppeltorschütze Stefan Lex findet, „dass wir insgesamt gute Abläufe reingebracht haben. Wir können uns immer wieder spielerisch befreien – das gibt Sicherheit. Und es macht Freude, wenn die Lösungen funktionieren, die man sich vorher überlegt hat.“

Was zur Frage führt: Sollte 1860 mit einem Trainer, dem die Spieler folgen, nicht einfach weitermachen? Spricht überhaupt noch etwas dagegen, mit Jacobacci über den Sommer hinaus zu verlängern? Intern hieß es kürzlich, man wolle nach dem guten ersten und zweiten Eindruck auch noch den „dritten, vierten, fünften Eindruck“ abwarten. Inzwischen hat Jacobacci als Köllner-Nachfolger eine ausgeglichene, vorzeigbare Bilanz: zwei Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen. Vor allem auswärts läuft es wieder (sieben Punkte). Und am Montag deutete der Trainer auch an, dass Bewegung in die Sache kommt. Sagen die 1860-Bosse schon bald Ja zu einem weiteren Jahr Jacobacci? „Wir sind am Diskutieren“, sagte er. Klarheit wäre in seinem Sinne, fügte er hinzu, „am besten so schnell wie möglich“.
Nach der Dortmund-Pleite hatte Jacobacci gesagt: „Es kostet enorm viel Energie, eine Negativspirale zu durchbrechen.“ Es scheint ihm jetzt gelungen zu sein. Team und Trainer sind bereit, bei 1860 auch wieder eine Positivspirale in Gang zu bringen. (ulk)