Am Samstag war kein Kunstschuss nötig, nur ein sanfter Streichler, um einen Schuss von Dennis Dressel unhaltbar abzulenken (79.). Eine banale Aktion sicherte lausig ins Spiel gekommenen Löwen den 1:1-Endstand; sie muss dem Gegner wie Hohn vorgekommen sein, denn Türkgücü hatte wahrlich alles versucht, um mehr als ein Tor zu erzielen, künstlerisch, mit Wucht, Tücke oder Technik. Derweil sich 1860-Coach Michael Köllner beim Bejubeln des Ausgleichstreffers an der Wade verletzte, haderte Mergim Mavraj mit der verpassten Chance, in der Tabelle an den Löwen vorbeizuziehen. „Das wäre ein großes, fettes Ausrufezeichen gewesen“, sagte Türkgücüs Kapitän und Abwehrchef.
„Dieses Spiel ist schwer zu beschreiben“, sagte Sercan Sararer, der beste Spieler in diesem Derby. Sage und schreibe viermal stand das Torgestänge einem Gästetreffer im Weg, zweimal in der turbulenten Anfangsphase (Rieder 4., Chato 9.) und zweimal im Schlussdrittel, nachdem Sararer endlich ein richtiges (und technisch anspruchsvolles) Dropkick-Tor erzielt hatte (60.). Der 1:0-Schütze (73.) und Albion Vrenezi (77.) machten für Türkgücü den Alu-Viererpack perfekt, zuvor hatte noch Eric Hottmann eine dicke Chance verstolpert und Petar Sliskovic freistehend den Ball in Richtung der berühmten Giesinger Häuserzeile gebolzt.
Aus Sicht von Türkgücü ein fahrlässiges Mehrfach-Versagen, für Mölders ein Startschuss, um letzte Kräfte zu mobilisieren. „Wenn du bei 30 Grad mit zehn Mann 0:1 hinten liegst und der Gegner zwei, drei Hundertprozentige verballert, dann kriegst du am Ende noch irgendeine Chance“, zitierte er ein ungeschriebenes Fußballgesetz und erläuterte, warum sich dieser Punktgewinn für ihn wie ein Sieg anfühlt. „1860 München will und soll einfach nicht gegen Türkgücü München verlieren“, predigte Mölders: „Der Gegner hatte viele Torchancen, aber wir haben die Mentalität. Am Ende ist es gekommen, wie es kommen sollte. Deswegen ist dieses Ergebnis wunderbar.“
Die Mannschaft hat eine Bombenfitness. Wir sind an unsere Grenzen gegangen, nicht zerbrochen oder zerfallen, sondern waren am Ende unverwüstlich.
Wunderbar beschreibt auch recht gut die Gefühlslage, mit der der an der Wade verletzte Köllner zur Pressekonferenz humpelte. „Mir ist es richtig schön reingefahren – das war wie ein Messerstich. Aber in vier Wochen redet kein Mensch mehr über meine Wade, am Ende war’s wichtig, dass wir einen Punkt geholt haben. Wir sind superhappy damit.“ Gewiss: Auch Köllner war nicht entgangen, dass seine Löwen „fahrig und nervös“ ins Spiel gestartet waren und sich „haarsträubende Fehler“ leisteten (nicht nur Marco Hiller bei einem Handspiel jenseits des Strafraums/6.), unter dem Strich nimmt er aber diese Erkenntnis mit: „Die Mannschaft hat eine Bombenfitness. Wir sind an unsere Grenzen gegangen, nicht zerbrochen oder zerfallen, sondern waren am Ende unverwüstlich.“
Zähigkeit und Löwen-Dusel sind auch für Stephan Salger gute Gründe, um optimistisch auf die Kräfteverhältnisse in der Stadt und den weiteren Saisonverlauf zu blicken. „Wir sind aus der Fankurve durchbeleidigt worden, aber da stehen wir drüber“, sagte der Abwehrchef: „Für uns heißt es jetzt: gut regenerieren – und am Samstag in Kaiserslautern geht’s weiter.“