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Kein Fiebersaft: Apotheker appelliert, von Hamsterkäufen abzusehen

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Von: Michaele Heske

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Rührt auch selbst Salben und Rezepturen an, wenn die Rohstoffe vorhanden sind: Apotheker Stephan Seibert. Engpässe seit Jahren ein Problem Berufsbild wandelt sich
Rührt auch selbst Salben und Rezepturen an, wenn die Rohstoffe vorhanden sind: Apotheker Stephan Seibert. Engpässe seit Jahren ein Problem Berufsbild wandelt sich © MHE

Medikamentenmangel: Apotheker appelliert an Eltern, von Hamsterkäufen abzusehen.

Dorfen – Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Grippe, Corona oder andere Infektionen: Gefühlt ist derzeit nahezu jeder Zweite im Landkreis krank. Eine Welle an Atemwegsinfektionen bei Kindern bringt nicht nur Krankenhäuser und Kinderärzte ans Limit, sondern auch die Apotheker. Fiebersaft? Aus. Antibiotika? Keine Chance. Auch im Erdinger Land sind viele Medikamente nicht lieferbar. Für Stephan Seibert eine Herausforderung. Der Apotheker hat zum Jahreswechsel die Marienapotheke in Dorfen übernommen, in der er seit einigen Monaten schon mitgearbeitet hatte.

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Seibert, 34 Jahre jung, steht am Tresen, der Kontakt zu den Menschen ist ihm wichtig. „Ich bin gern vorne mit dabei und berate die Kunden – in allen Fragen rund um die Gesundheit“, sagt er. Etwa welche Arznei bei Erkältungssymptomen hilft, oder welches Mittel die Immunabwehr stärkt. In diesen Tagen findet er seinen Job frustrierend, denn immer häufiger kommen Eltern und fragen: Haben Sie Fiebersaft? „Wir schauen dann schon, dass wir Lösungen finden, auch wenn die Arznei nicht vorrätig ist“, erklärt Seibert. Doch je jünger der Nachwuchs, desto schwieriger die Alternativen, denn auch Zäpfchen werden immer rarer. Statt Fiebersaft gebe es zwar Tabletten, die Dosierung sei aber bei Kindern unter eineinhalb Jahren äußerst schwierig.

Mal bekomme er zwölf Flaschen Fiebersaft geliefert, dann wiederum seien es lediglich zwei. „Lieferengpässe gab es immer wieder – doch so schlimm war es noch nie“, meint der Pharmazeut, der zuvor in einer Apotheke in Kolbermoor gearbeitet hat. Den Saft selbst herstellen, das sei schwierig, sagt er: „Es fehlt ja an den Rohstoffen.“ Deshalb appelliert er an die Eltern, von Hamsterkäufen abzusehen: „Man braucht nicht vier oder fünf Flaschen auf Vorrat.“

Schmerzmittel, Antibiotika, Krebsmedikamente oder auch Mittel gegen Bluthochdruck und Diabetes: Der Mangel betrifft schon länger nicht nur Nischenprodukte, sondern viele gängige Medikamente. Immer häufiger hält Seibert deshalb mit den Ärzten Rücksprache: „Bei den meisten Medikamenten gibt es Ausweichmöglichkeiten“, erklärt er. Mal werde die Dosis – je nach Indikation – halbiert oder verdoppelt, dann wieder andere Wirkstoffe eingesetzt. „Wir müssen schon ein bisschen tricksen, aber die medikamentöse Versorgung der Bürger schaffen wir schon.“

Die generellen Engpässe bei Medikamenten seien ein Problem, das seit Jahren bestehe. „Grund ist der hohe Druck auf Preise und Herstellungskosten von Generika, weshalb viele Hersteller ihre Produktion eingestellt haben. Die verbleibenden Hersteller können die wegfallende Produktion aber nicht auffangen“, erklärt er die Problematik. Die Festpreisregelung in Deutschland habe zudem zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohnländer wie China und Indien geführt. „Dort gibt es, auch wegen der vorangegangenen Corona-Pandemie, nun Lieferkettenprobleme, was wiederum zu Lieferengpässen führt.“

Seibert hat in den USA studiert, dort auch den Bachelor und Master gemacht. Dann kehrte er in seine Heimatstadt Kolbermoor im Landkreis Rosenheim zurück und holte die Approbation nach. Momentan wandele sich das Berufsbild des Apothekers, meint er. „Die Apotheker werden mehr zu Dienstleistern und Heilberuflern.“

Es sei mittlerweile erlaubt, auch Blutdruckmessungen vorzunehmen oder die Kunden ganzheitlich zu beraten, etwa durch eine Analyse der Medikamente und deren Wechselwirkung. Auch werden wieder mehr Salben und Rezepturen angerührt, freut er sich: „Mir ist es wichtig, nicht nur Rezepte einzulösen, sondern den Kunden zu helfen.“ mhe

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