Bayern-Nachwuchs in der Bundesliga: Analyse zeichnet eindeutiges Szenario
Der Nachwuchs gilt als das Herzstück eines jeden Vereins. Doch gerade beim FC Bayern schaffen nur wenige Spieler den Sprung in den Profikader. Was steckt hinter der mangelnden Durchlässigkeit?
München – Talentförderprogramme, Nachwuchsleistungszentren, Eliteschulen, Stützpunkte: Seit den 2000er Jahren wird die Nachwuchsförderung in Deutschland kontinuierlich weiterentwickelt und professionalisiert. Ziel ist es, die Qualität der Talentförderung im Lizenzbereich und im oberen Amateurbereich stetig zu optimieren. Besonders hervorheben lässt sich in diesem Zusammenhang beispielsweise die Nachwuchsarbeit von Borussia Dortmund, Schalke 04, Bayer Leverkusen und dem VfB Stuttgart, die in den letzten Jahren zahlreiche Spieler in ihren Profikadern etablieren konnten. Warum aber scheitert der FC Bayern München daran?
FC Bayern Campus | |
---|---|
Eröffnung: | 21. August 2017 |
Kosten: | rund 70 Millionen Euro |
Leitung: | Jochen Sauer |
Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger und Phillip Lahm: Neue Eigengewächse lassen (noch) auf sich warten
2017 investierten die Münchner über 70 Millionen Euro in ein neues Nachwuchsleistungszentrum. Für Ehrenpräsident Uli Hoeneß „die richtige Antwort auf die Entwicklung im internationalen Fußball, auf den ganzen Transferwahnsinn und die Gehaltsexplosionen“, wie er bei der Eröffnung sagte. Es sollte der Beginn einer neuen Ära beim Rekordmeister werden. Doch außer Jamal Musiala und Josip Stanisic konnte sich in den vergangenen Jahren kein Talent dauerhaft im Profikader durchsetzen. Viele vielversprechende Talente wie Joshua Zirkzee, Malik Tillmann und Arijon Ibrahimović wurden entweder ausgeliehen oder wechselten aufgrund fehlender Perspektiven für die Profimannschaft zu anderen Vereinen. Zwar feierten zuletzt Spieler wie Paul Wanner und Gabriel Vidović ihr Debüt bei den Münchnern, doch der ganz große Durchbruch blieb (vorerst) aus. Deshalb entschloss sich der Verein im Sommer, Vidović an Dinamo Zagreb und Wanner an die SV Elversberg auszuleihen, um ihnen Spielpraxis zu ermöglichen.
Auf Eigengewächse wie die Vereinslegenden Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm, die schon in jungen Jahren beim FC Bayern kickten und schließlich den Sprung in die Profimannschaft schafften, warten die Fans des Rekordmeisters seit einigen Jahren vergeblich. Doch ab wann gilt ein Spieler eigentlich als Eigengewächs? Die Definition der UEFA: Ein Spieler wird als „im Verein ausgebildet“ betrachtet, wenn er zwischen dem 15. und 21. Lebensjahr mindestens drei Spielzeiten für denselben Verein absolviert hat. Aber warum schaffen es heutzutage nur noch wenige Spieler aus den Jugendmannschaften (U15 oder U17) in den Profikader? Die Gründe sind vielfältig.

Starke Konkurrenz, großer Druck, mangelnde Erfahrung: Die Gründe für die fehlende Durchlässigkeit
Zunächst ist es wichtig, den FC Bayern in Bezug auf die Durchlässigkeit von den anderen Bundesligavereinen abzugrenzen. Der FC Bayern München ist zweifellos der erfolgreichste Fußballverein Deutschlands und strebt jedes Jahr nach dem Maximum – sei es in der Meisterschaft, im Pokal oder in der Champions League. Die ambitionierten Ansprüche setzen die Messlatte für die Spieler des Rekordmeisters enorm hoch. Fehler oder Misserfolge werden im Umfeld des Vereins kaum akzeptiert und die Erwartungen an die Spieler sind enorm.
Zudem verfügt der Verein über die finanziellen Ressourcen, um absolute Topstars wie beispielsweise Harry Kane für horrende Ablösesummen zu verpflichten. Viele andere Bundesligavereine sehen sich dagegen immer wieder gezwungen, ihre besten Spieler zu verkaufen, um den finanziellen Herausforderungen des Profifußballs gewachsen zu sein. Das zwingt sie dazu, verstärkt auf den eigenen Nachwuchs zu setzen und Talente aus der eigenen Jugend in die erste Mannschaft zu integrieren.

Die Bedeutung der Bayern-Trainer in der Talentförderung
Hinzu kommt, dass viele 18-jährige Talente oft nicht über die körperlichen und mentalen Voraussetzungen eines gestandenen Profis verfügen. Viele Fußballspieler erreichen ihr absolutes Leistungsmaximum zwischen 24 und 29 Jahren. Das macht den Sprung in eine Weltklasse-Mannschaft, wie die des FC Bayern, umso schwieriger.
Aber auch die Trainer in den Profimannschaften spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Talenten. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Louis van Gaal, der dafür bekannt ist, jungen Talenten sein Vertrauen zu schenken. Thomas Müller verdankt einen Großteil seiner Karriere dem Niederländer, der kontinuierlich auf ihn setzte. Ebenso ist Hansi Flick zu nennen, der Jamal Musiala durch regelmäßige Einsätze in wichtigen Spielen der Bundesliga und Champions League förderte. Eine erfolgreiche Nachwuchsförderung hängt also entscheidend davon ab, dass die Talente frühzeitig das Vertrauen und die Einsatzmöglichkeiten ihrer Trainer erhalten. Und das war bei vielen Bayern-Trainern wie Carlo Ancelotti oder Niko Kovac in der Vergangenheit oftmals nicht der Fall.

Was sich beim FC Bayern ändern muss
Die genannten Punkte sollen jedoch keinesfalls als Entschuldigung für etwaige Mängel in der Jugendarbeit des FC Bayern München dienen. Im Gegenteil, es zeigt, wie komplex die Aufgabe ist, junge Talente in einer der besten Mannschaften der Welt zu entwickeln und zu etablieren. Es ist an der Zeit, dass der FC Bayern München seine Jugendarbeit weiter optimiert und mehr Wert auf die Entwicklung junger Talente legt.
Ein erster Schritt dafür ist die Verpflichtung des neuen Sportdirektors Christoph Freund. Mit seiner Unterstützung soll der enorme Spagat zwischen der Bayern-Jugend und den Profis gelingen. „Man muss über andere Wege nachdenken, wie wir junge Spieler entwickeln können, damit sie es schaffen und eine Rolle bei Bayern spielen können“, sagte Freund vor wenigen Wochen in der Sendung „Talk & Tore“. Im Mittelpunkt steht dafür die Wiederbelebung des Konzepts der Nachwuchsförderung und -entwicklung. Spieler sollen wieder verstärkt an andere Bundesligavereine ausgeliehen werden, um Spielpraxis zu sammeln und ihre Entwicklung voranzutreiben. Dieses Modell hat in der Vergangenheit bereits bei Topspielern wie Toni Kroos, David Alaba oder Serge Gnabry funktioniert, auch wenn die Entwicklung in den letzten Jahren etwas ins Stocken geraten ist.
Top-3-Bundesligavereine mit den meisten Eigengewächsen (geboren 2000 und jünger) | |
---|---|
SC Freiburg | 8 Spieler (93 Bundesliga-Einsätze) |
1. FSV Mainz 05 | 5 Spieler (225 Bundesliga-Einsätze) |
1. FC Köln | 4 Spieler (150 Bundesliga-Einsätze) |
Leihe und Zeit für Entwicklung: Die Talentförderung im Wandel
Sicherlich wird der FC Bayern München nie der Verein sein, der Jahr für Jahr Weltklasse-Talente aus der eigenen Jugend in den Profikader hochzieht und ihnen dort viel Spielzeit ermöglicht. Dennoch hofft Freund, dass es in Zukunft alle zwei bis drei Jahre gelingen wird, einen Spieler in die Mannschaft zu integrieren. Das erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Geduld und die Bereitschaft, jungen Spielern mehr Spielpraxis zu geben und Fehler zu akzeptieren. Andere Vereine haben gezeigt, dass es möglich ist, den eigenen Nachwuchs erfolgreich in die erste Mannschaft zu integrieren, wie beispielsweise Freiburg, Mainz oder Köln. Der FC Bayern hinkt in dieser Statistik hinterher. Jamal Musiala ist – in der jüngeren Vergangenheit – der einzige Spieler, der es geschafft hat, sich als Jugendspieler (Jahrgang 2000 und jünger) im Profiteam durchzusetzen. Aus Sicht des FC Bayern bleibt zu hoffen, dass weitere Talente diesen Sprung schaffen. Denn so kann auch die Identifikation der Spieler mit dem „Mia san mia“-Gen wieder gestärkt werden. (fr)